Nein, mit einem Garten (“Giardina”) hat die Giardinetta wenig zu tun, mit dem Begriff wird einfach in Italien ein Kombiwagen bezeichnet. Und dass die meisten Leute noch nie einen Alfa Romeo Alfasud Giardinetta mit eigenen Augen auf freier Wildbahn gesehen haben, das lässt sich auch erklären, denn es wurden nur wenige Exemplare gebaut. Dabei hatte der Alfasud Kombi einige Vorzüge aufzuweisen. Und ein bisschen grün war die praktische Giardinetta auch, zumindest auf dem Verkaufsprospekt.
Die Neukonstruktion mit dem Bruch aller Traditionen
Ein Alfa Romeo hatte anfangs der Siebzigerjahre üblicherweise vier Zylinder in Reihe längs im Bug eingebaut, ausnahmsweise durften es auch acht Zylinder in V-Form sein. Und natürlich drehten die angetriebenen Räder hinten. Ein Boxermotor und Frontantrieb, das überliess man Citroën oder Lancia. Doch 1971 änderte sich all dies, denn dann kam der Alfasud auf den Markt.
Dr. Rudolf Hruska hiess der Konstrukteur und er erhielt alle Freiheiten, um Alfa Romeo im Markt der kompakten Personenwagen zu etablieren. Nicht einmal auf bestehende Produktionsanlagen musste er Rücksicht nehmen, das Werk für den Alfasud entstand komplett neu in Pomigliano d’Arco bei Neapel, im Süden von Italien.
Hruska entwarf eine Schrägheck-Limousine mit weit vorne eingebautem und kurz bauendem Boxermotor, der dank zwei obenliegenden Nockenwellen auch sportlichen Ansprüchen genügte. Komplettiert mit einer grossen Passagierzelle, Knautschzonen und einem aufwändigen Fahrwerk samt vier Scheibenbremsen fehlte es dem von Giugiaro hübsch eingekleideten Alfasud eigentlich an nichts. Oder fast an nichts, denn auf eine praktische grosse Heckklappe wurde verzichtet, das rund 400 Liter grosse Gepäckabteil musste durch eine kleine Klappe befüllt werden, die hinteren Sitzlehnen waren fest montiert.
Alfa Romeos erster Kombi
Im Frühling 1975 kündigte Alfa Romeo die “Giardinetta” an, die dreitürige Kombiversion des Alfasud. Und natürlich gab es nun eine grosse Türe am jetzt steilen Heck des minimal länger gewordenen Wagens. Und auch die Hintersitze liessen sich nun (Lehne und Sitze einzeln) umklappen. 1300 Liter Gepäck durften es beim Kombi sein, wenn nur zwei Personen im Alfasud auf die Reise gingen, bei voller Besetzung standen immer noch 600 Liter zur Verfügung, wenn bis zur Dachkante geladen wurde.
Die Automobil Revue schrieb anlässlich der Vorstellung:
“Von vorn unterscheidet sich die Giardinetta nicht von der Alfasud-Limousine, wohl aber von der Seite und von hinten: die Dachlinie führt, statt allmählich abzufallen, gegen hinten horizontal weiter bis zum Wagenende, welches hauptsächlich durch eine fast vertikale, oben angeschlagene gros- se Heckklappe gebildet wird. Die Flanke des Wagens wird durch das mächtige, ungeteilte hintere Seitenfenster dominiert und erinnert etwas an Kombiwagen früherer Jahre, bei denen nicht durch Styling-Kunstgriffe versucht wurde, den Nutzcharakter zu kaschieren. Der hintere Dachpfosten, in den die Luftaustrittsöffnungen der Zwangsbelüftung eingelassen sind, ist nicht zu voluminös ausgefallen. Zur Versteifung erhielt das grossflächige, fast ebene Wagendach zwei Längssicken.
Die Heckklappe, deren Scharniere gut sichtbar sind, reicht bis auf die Höhe der hinteren Stossstange hinunter Das Be- und Entladen wird dadurch sehr erleichtert, aber auch durch den Umstand, dass die Ladefläche nur 46,5 cm über der Fahrbahn liegt.”
Technik der Limousine
Technisch blieb alles beim alten. Die Giardinetta baute auf dem Alfasud L auf, erhielt von Anfang an das Fünfganggetriebe und den 1186 cm3 grossen Vierzylinderboxermotor mit 73 SAE-PS, die hierzulande zu 63 DIN-PS bei 6000 Umdrehungen wurden. Auch das Fahrwerk blieb mit Federbeine, Querlenkern, Schubstrebe und Schraubenfedern vorne, sowie Starrachse mit je einem vor und hinter der Achse angelenkten Längsstab (Watt-Gestänge), Panhardstab und Schraubenfedern hinten, unverändert. Das Leergewicht stieg um 55 kg auf 915 kg an, der Tank fasste weiterhin 50 Liter.
Die bauähnliche Limousine schaffte mit demselben Motor den Sprint von 0 auf 100 km/h in 14,2 Sekunden und eine Spitze von 156,5 km/h. Gemäss Werk war der Kombi gleich schnell und auch die Verbrauchswerte waren auf ähnlichem Niveau (9,7 Liter Super mass AMS für die Limousine im Jahr 1978).
Die perfekte Kombination?
“Elegant, leistungsstark und sehr geräumig; ein neuer Alfa Romeo, geschaffen für die Familie, für den Beruf und zum Vergnügen des sportlichen Fahrers”, so dichtete die Marketing-Abteilung von Alfa Romeo im deutschsprachigen Verkaufsprospekt.
Allerdings kostete der Kombi z.B. in der Schweiz stattliche CHF 13’490 und damit 500 Franken mehr als die viertürige Limousine. Für CHF 13’600 gab’s bereits einen Alfasud ti mit mehr Leistung und Sportlichkeit. Ein Kombi von Ford (Escort oder Taunus) kostete auch nicht viel mehr, einen Fiat 131 Kombi gab’s fast zum selben Preis. Ein Verkaufsknüller war die Giardinetta nicht.
Verpasste Chance
Es gab die Giarinetta zwar später auch mit dem 1,3-Liter-Motor, die 1,5-Liter-Variante allerdings, zumal mit zwei Vergasern und 95 PS, die röhrte nie unter der Motorhaube des Kombis. Schade eigentlich, denn derartig beschleunigt hätte der Steilheck-Hecktüren-Alfasud durchaus ein Vorläufer der heutigen Audi-S- und RS-Modellen sein können. Damals aber fragte wohl niemand danach.
Vorzeitiger Schluss
Als Alfa Romeo den “Sud” anfangs 1980 überarbeitete und aufwertete, ihm unter anderem neue Stossfänger und Leuchteinheiten verpasste, da passte die relativ erfolglose Kombivariante nicht mehr ins Programm, zumal nun auch der “normale” Alfasud etwas variabler geworden war, indem man ihm eine Durchreiche in der Rückbank spendierte.
Die Version mit Heckklappe am Schrägheck allerdings, die folgte dann 1981 und zudem nur für die dreitürige Version. “Con portellone” konnte der Alfasud dann auch in der ti-Variante bestellt werden.
Bis zum Produktionsschluss waren 5899 Kombiversionen entstanden, im Vergleich zur Gesamtpopulation des Alfasud mit über einer Million Exemplare (inklusive Coupé Sprint) ein Klacks. Von einem Verkaufserfolg konnte man da jedenfalls nicht sprechen, vermutlich fehlte dazu einfach die Zielkundschaft.
Ein Überlebender
Nur wenige Alfasud Giardinetta dürften überlebt haben, einige Hundert vielleicht. Sie litten genauso wie die anderen Varianten zumindest anfänglich unter wechselhafter Bauqualität und fehlender Rostvorsorge. Zudem wurden Kombis schon damals nie geschont, umso früher verschleissten sie auch.
Wer sich also heute auf die Suche nach einem gut erhaltenen Exemplar macht, braucht Geduld und den richtigen Riecher. Den hatte Tazio Bee, der Besitzer der fotografierten Kombi in der Farbe “giallo Pompei” (Interieur “tex blu marine”). Tazio stand schon immer auf Kombiversionen und als sich die Möglichkeit eines Kaufs in Ancona ergab, schlug er vor über zehn Jahren zu.
Der Erstbesitzer mit Jahrgang 1928 hatte den Kombi erstanden, um Singer Nähmaschinen auszuliefern. Irgendwann tauschte er den Wagen gegen ein neues Auto ein und die Giardinetta, die das Werk in Süditalien am 11. Mai 1976, verlassen hatte, blieb beim Händler stehen, im gepflegten Originalzustand.
So konnte ihn Tazio übernehmen und er nutzt ihn seither auch für längere Fahrten, z.B. in die Toskana. “Der Alfasud lässt sich wie ein modernes Auto lenken und fahren, die fünf Gänge sind herrlich, die Leistung reicht aus, um flott voranzukommen; auch weite Strecken sind kein Problem und Platz hat man immer genug”, erklärt der heutige Besitzer des Suds.
Die Wahrscheinlichkeit, dass er auf der Strasse eine andere Alfasud Giardinetta antrifft, dürfte gleich Null sein, so gesehen ist der Wagen heute zumindest hierzulande vermutlich seltener als mancher zwölfzylindrige Supersportwagen.
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Überdies waren natürlich die so modernen, in so vielen Fragen neuen 70er Jahre auch das Jahrzehnt der Kombis oder auch Kombilimousinen. Der VW Passat Variant hatte schon in den 70ern einen riesen Anteil oder eben sein Heckklappenpendant mit Schrägheck. Oder z.B. der Renault R16, in klein der R6, ganz großes Kombi-Kino bei Citroen mit Ami 8 Break, GS Break, CX Break, der schöne und in F. erfolgreiche Simca 1301/1501 Tourisme, der große Ford Granada, der Opel Rekord D und E Caravan, auch der häufige Kadett C Caravan, FIAT 124 und 128 Familiare und nicht zuletzt die bis heute unvergessenen "Kombi-Begründer" Volvo 145 und erst recht 245 Kombis, etc., etc.. Die 70er Jahre Kombis waren endlich auch fahrwerksseitig so bequem wie die Limousinenschwestern, ein Novum!
So war also auch Alfa auf den erfolgreichen 70er Jahre Kombi Zug aufgestiegen, zumal der normale Alfasud, trotz seines Schräghecks, keine Heckklappe hatte (was seltsam war, erst beim großen Facelift von 1980 kam diese). Nur, das lange hintere Seitenfenster der Giardinetta wirkte sehr billig, wie bei einem billigen Ford Escort Turnier, und war auch der Karosseriesteifigkeit überhaupt nicht zuträglich! So ging etwas vom sonst so toll kompakten Fahren des normalen Alfasud verloren, aber witzig war es schon, ein so sportliches Auto auch als Kombi anzubieten.
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