Nach einem ausserplanmässigen Termin im Oktober vergangenes Jahr konnte die Swiss Classic World Luzern diese Saison wieder zu ihrem angestammten Termin Ende Mai zurückkehren, sodass nach gerade einmal einem halben Jahr die Messe Luzern bereits wieder ihre Tore zur grössten Oldtimermesse der Schweiz öffnete. Die nunmehr achte Ausgabe fand von 27. bis 29. Mai 2022 statt. Über 200 Aussteller zeigten sich und ihre Dienstleistungen fast 14'000 Besuchern.
Halbe Autos und ganze Flaschen
Für Besucher, die mit dem Oldtimer anreisten, stand ein eigener Parkplatz vor dem Messegelände zur Verfügung, auf dem sich ziemlich schnell eine eigene kleine und bunt durchmischte "Sonderschau" entwickelte. VW-Käfer, Datsun 260 Z, MGA, Citroën DS, Ford Mustang und Co. ergänzten den traditionell eher hochkarätigen Inhalt der vier Messehallen gut und rundeten ihn "nach unten" ab. Wenngleich sich hier mit Iso Lele und Alpine A 110 natürlich auch der eine oder andere Exot fand. Noch näher ran durften nur einige Markenclubs, deren Mitglieder auf dem Vorplatz direkt neben dem Eingang parkieren durften.
In den beiden Haupt-Messehallen 1 und 2 traf man dann eher auf die teureren Exponate. So zeigte die Pantheon Oldtimer Garage einen noch halbfertigen, aber sehr seltenen Porsche 356 European von 1956, der gerade restauriert wird und bereits wieder in frischem "Aquamarin-Metallic" erstrahlte. Der Jaguar E-Type bei Restaurator Dönni Classic Car hat seine Neulackierung noch vor sich und präsentierte sich nur geschweisst und geschliffen, aber schon mit frischen Chromteilen. Vollständig und fahrbereit war dafür der Cougar auf dem Stand von Belmot nebenan.
Kuriosität der Halle war aber ein VW-T1-Pritschenwagen auf dem Stand der Motorworld, der eine gigantische Flasche Maggi-Würze geladen hatte. Leider fand sich nirgendwo auf der Messe ein entsprechend grosses Frühstücksei. Der unbeladene, türkisfarbene Rover Speed 14 auf dem benachbarten Mad-Motors-Stand konkurrierte immerhin in Sachen Farbgewalt mit dem VW.
Zum Messepreis
Während einige Aussteller ihre Autos primär zur Dekoration und Inszenierung nutzten, sollten sie auf anderen Ständen natürlich auch verkauft werden. Goodtimer offerierte ein eher ungewöhnliches Citroën-ID-Cabriolet, für das ausnahmsweise nicht Henri Chapron verantwortlich war. Der französische Karosseriebauer AEAT hatte die 1964er ID 19 Prestige in eine Paraden-taugliche Rolldachlimousine verwandelt, in der laut Verkaufstafel schon Charles de Gaulle chauffiert worden ist. Die Preisgestaltung war bisweilen aber recht ambitioniert, wie ein früher Alfa Romeo 1600 Spider für knapp 100'000 Franken bewies, der allerdings keinen neuen Besitzer fand.
Dass der eine oder andere Besucher indes in der Lage war, für das richtige Auto auch das Fünfzehnfache dessen zu zahlen, bewies der Mercedes-Benz 300 SL, den Lutziger Classic Cars in Halle 2 für eine siebenstellige Summe Schweizerfranken verkaufen konnte. Dabei hatte das silberne Coupé auf dem eigenen Stand harte Konkurrenz in Form eines Maserati 3500 GT Spider Vignale und eines Lamborghini 350 GT – beide ebenfalls in Silbermetallic.
Auch die beiden Porsche 928 der Graber Sportgarage trugen die Modefarbe der Neunziger. Zeittypisch deutlich knalliger präsentierten sich das Siebzigerjahre-Ensemble aus 911 T, 911 S und Carrera RS auf dem Stand von Porsche Classic Zürich. Erfreulicherweise waren die beiden Stuttgarter Marken in Luzern längst nicht so allgegenwärtig und überrepräsentiert wie andernorts. Das liess mehr Raum für Ungewöhnliches wie einen völlig zerfressenen 1957er Chrysler Windsor und einen Standard Vanguard Estate, die AMAG Classic zusammen mit weiteren in der Schweiz montierten Autos präsentierte.
Hier fand sich auch ein wunderschöner Audi 100 Coupé S, der in seinem dunkelblauen Metalliclack-Kleid herrlich mit dem pampelmusengelben Audi TT der Autowelt Bachmann harmoniert hätte – wenn sie nicht in zwei unterschiedlichen Ecken der Halle gestanden hätten. So musste sich der TT den Stand mit einem Audi 100 CD in Hellgrünmetallic teilen.
Bei Emil Frey Classics dominierte hingegen die Farbe Rot, die Jaguar E-Type, Austin-Healey 100 und Jaguar XJ-S in unterschiedlichen Schattierungen zierte. Der Lancia Fulvia HF auf dem Stand von Franks Originale trug statt der traditionellen italienischen Rennfarbe hingegen unschuldiges Weiss. Immerhin der Alfa Romeo 2600 Spider von Charles Menetrey zeigte in dieser Hinsicht ein wenig Nationalstolz in Halle 2.
Niedrige Preise bevorzugt
Die Stirnseite der Halle war der Oldtimer-Galerie Toffen vorbehalten, die dort die Bühne für ihre Versteigerung am Samstagnachmittag errichtet hatte. Von den 41 angebotenen Autos wurden rund zwei Drittel verkauft. Einen detaillierten Auktionsrückblick haben wir hier bereits publiziert. Schnäppchen des Abends war ein Lancia Flaminia Coupé, das für gut die Hälfte des Schätzpreises den Besitzer wechselte. Teuerstes Auto war ein 1941er Cadillac Series 62 Convertible Coupe, das für 106'400 Franken inklusive Aufgeld verkauft wurde. Die ganz teuren Lose schienen etwas weniger Bieterlust auszuösen als die wohlfeileren Fahrzeuge.
Zwischen den Hallen 2 und 3 lag der Marktplatz für private Fahrzeugverkäufer. Hier herrschte – wie schon auf dem Besucherparkplatz – die grösste Diversität. Reges Interesse an einem Austin Seven Pearl von 1935 erfreute. Zeigte es doch, dass die Zeiten des gemütlichen Schnauferls noch nicht ganz vorbei sind. Symbolisch für die Vielfalt stand direkt neben dem Vorkriegs-Austin ein Porsche 928. Dessen japanisches Gegenstück war in Gestalt eines Subaru SVX ebenfalls zu haben; ebenso wie die englisch-japanischen Zwillinge MGC und Datsun 1600 Sport. Sogar einer von nur 400 De Tomaso Mangusta hatte sich unter das "Fussvolk" gemischt.
Handlicher Teilemarkt
Halle 3 beinhaltete den Teilemarkt der Messe, der jedoch zu grossen Teilen aus alten und neuen Modellautos bestand. Zwischen 60 Jahre alten Dinky-Toys- und Matchbox-Modellen im Neuzustand samt Originalkarton hatte man bisweilen das Gefühl, in einem Spielwarenladen aus früheren Zeiten zu stehen – nur die Preise waren nicht mehr so ganz Taschengeld-tauglich. Natürlich fanden sich auch Ersatzteile für lebensgrosse Autos, allerdings eher im Format von Unterbrecherkontakten und Rückleuchten als ganzen Kotflügeln oder Hinterachsen. Das einzige Auto im Massstab 1:1 in Halle 3 war ein 1932er Buick Roadster am Stand von Wagenschmitte.
Halle 4 enthielt neben weiteren Teile-Ständen traditionell die US-amerikanischen Klassiker. Ein Stutz Blackhawk und ein Ford Thunderbird der letzten Generation stachen zwischen Ford Mustang und Chevrolet Corvette besonders hervor.
Nicht zu kaufen
Der Porsche 917 mit der weissen Martini-Lackierung, mit dem Gijs van Lennep und Helmut Marko 1971 die 24 Stunden von Le Mans gewannen, versteckte sich in der hinteren rechten Ecke von Halle 1 und verkaufte sich damit deutlich unter Wert. Immerhin sein moderner Nachfolger – der roten 919 Hybrid, mit dem Timo Bernhard, Mark Webber und Brendon Hartley 2015 Zweite wurden – überliess ihm den Vortritt, indem er sich ein Stück weiter zurück positionierte.
Die Sicht auf den 917 versperrten vier Elektroautos aus Schweizer Fertigung. Ein Horlacher-Ei aus den Achtzigerjahren bewies, dass sich die damaligen Sparautos bezüglich Energieverbrauch nicht vor ihren modernen Nachkommen verstecken müssten.
Veranstalter wie Besucher zeigten sich zufrieden mit der ersten Luzerner Messe unter "normalen" Bedingungen seit drei Jahren. Nur einen Nachteil hat die Sache: Bis zur nächsten Swiss Classic World wird es jetzt wieder ein ganzes Jahr dauern.
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher