«Cunningham» ist ein Zauberwort der Automobilgeschichte und motiviert offensichtlich immer noch Autoren, ein Buch zu schreiben. Dabei ist die Liste der schon erschienen Werke sehenswert und diese füllen bereits rund 1300 Seiten:
- 1993: Dean Batchelor, Cunningham: The Life and Cars of Briggs Swift Cunningham, Motorbooks International, 208 Seiten
- 1994: Robert C. Auten: Le Mans 1950 Photo Archive: The Briggs Cunningham Campaign, Iconografix, 142 Seiten
- 2003: Karl Ludvigsen, Cunningham Sports Cars: American Racing Legends 1951-1955, Iconografix, 125 Seiten
- 2013: Richard Harman, Cunningham: The Passion - The Cars - The Legacy, Dalton Watson Fine Books, 844 Seiten
Dazu kommen noch mehrere gehaltvolle Abhandlungen im Automobile Quarterly sowie unzählige weitere Zeitschriftenartikel.
Jetzt hat Porter Press ein weiteres Buch zum Thema präsentiert. Damit stellt sich sofort die Frage: Braucht es dieses überhaupt, resp. welche neuen Aspekte werden darin behandelt?
Binghams Cunningham-Story
Geschrieben hat es Phillip Bingham, ein erfahrener Autosport-Journalist. Von ihm stammt ein Buch über die Formel Ford (1984) sowie ein grossformatiges Corvette-Buch (1990), das auch auf Deutsch erschienen ist.
Das vorliegende Werk befasst sich mit der Geschichte von Briggs Cunninghams Rennteam unter besonderer Berücksichtigung der Einsätze von Jaguar-Fahrzeugen. Es ist in fünf Teile gegliedert, wovon der erste die Zeit bis Ende 1959 behandelt. Der zweite Teil umfasst die Vorgeschichte zu den Renneinsätzen der E-Types, in dem der Prototyp E2A eine besondere Rolle spielt. Die Teile 3 und 4 schildern die Renngeschichte der Cunningham E-Types 1962 und 1963, d.h. bis zur Auflösung des Teams nach dem 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1963. Der Teil 5 schliesst mit einem Portrait des Jaguar E-Type 9023 DU (s/n 875027) sowie die Integration von Briggs Cunninghams Autosammlung in Costa Mesa, CA, nach der Schliessung Ende 1986 in diejenige von Miles Collier in Naples, FL.
Briggs Cunninghams Traum vom Sieg in Le Mans
Briggs Swift Cunningham (19. Januar 1907 – 2. Juli 2003) war ein steinreicher Amerikaner, der sich als Sportsmann im wahrsten Sinn des Wortes betätigte. Er war in vielen Disziplinen aktiv, bevor er sich auf das Segeln und den Motorsport konzentrierte.
Schon vor dem Zweiten Weltkrieg liess sich Cunningham einen Buick Century mit Teilen der Karosserie eines Mercedes-Benz SSK bauen, den Bu-Merc, den er selber oder sein Freund Miles Collier fuhren.

1939 nahm Miles Collier zusammen mit Lewis Welch auf MG PA Midget am 24-Stunden-Rennen von Le Mans teil. Die beiden fielen zwar aus, doch hatte Miles seinem Freund Cunningham nach seiner Rückkehr in die USA so viel zu erzählen, dass dieser Feuer fing und seine eigene Mannschaft aufbaute. 1950 startete das Team mit zwei Fahrzeugen: einem Cadillac Coupé DeVille, gefahren von Miles und Sam Collier, und dem Cunningham (Cadillac) Spider, von den Franzosen liebevoll «Le Monstre» getauft, gefahren von Briggs Cunningham und Phil Walters. Sie erzielten die Ränge 10 und 11.
Das war nur der Anfang, denn Cunningham sollte bis 1955 jedes Jahr nach Le Mans zurückkommen, nunmehr mit seinen eigenen Autos: den Cunningham C-2R, C-4R, C-5R und C-6R. Immer übernahm Briggs Cunningham selbst das Steuer eines seiner Wagen. Sein bestes Ergebnis war der 4. Rang 1952 zusammen mit Phil Spear auf einem C-4R.

Die Cunninghams erschienen daneben in den amerikanischen Sportwagenrennen, die sich zunehmender Beliebtheit erfreuten.


1955 schien für Briggs Cunningham klar zu sein, dass seine Möglichkeiten angesichts der neuen Generation von Rennsportwagen wie dem Jaguar D-Type, dem Aston Martin DB3/S und den neusten Ferraris und Maseratis nicht ausreichen würden. Er wird mit dem Satz zitiert: «My cars were just too big and heavy and we were losing too much money to go on» (Meine Autos waren einfach zu gross und zu schwer. Ausserdem verloren wir zu viel Geld, um weiterfahren zu können). Das amerikanische Steuergesetz spielte in der Entscheidung auch eine Rolle.
Ende 1954 beendete Jaguar die Zusammenarbeit mit Max Hoffman. Bingham sieht die Einführung des Mercedes-Benz 190 SL in den USA, einen Konkurrenten zum Jaguar XK, als Auslöser. Am 20. Dezember 1954 kündigte die BS Cunningham Company die Übernahme des Vertriebs von Jaguar im Osten der USA an.
Einsatz des Jaguar D-Type
Cunningham startete furios in die Zusammenarbeit mit Jaguar, setzte doch sein Team ab sofort auf den D-Type. Der von Cunningham gemeldete D-Type (s/n XKD 406) gewann das 12-Stunden-Rennen von Sebring mit Mike Hawthorn/Phil Walters und Sherwood Johnston den Watkins Glen Grand Prix. Zwar erschien Cunningham 1955 in Le Mans noch ein letztes Mal mit einem C-6R, doch das zweite Auto war ein Jaguar D-Type (s/n XKD 507), gefahren von Phil Walters/Bill Spear. Beide Autos fielen aus. Danach konzentrierte sich Cunninghams Team auf den Einsatz seiner insgesamt drei D-Types in den nordamerikanischen Sportwagenrennen.
Da Jaguar sich nach 1956 aus dem Rennsport zurückgezogen hatte und der D-Type keinen Nachfolger mehr bekam, suchte Cunningham nach Alternativen. Er besorgte sich unter anderen Lister-Jaguars und sein Fahrer Walt Hansgen wurde damit 1959 SCCA-Champion.
Cunningham setzt auf den Jaguar E2A
1960 baute Jaguar das Versuchsauto E2A, ein Bindeglied zwischen dem D-Type und dem in Entwicklung befindlichen E-Type. Briggs Cunningham bestellte gleich zwei und bekam dafür den einzigen verfügbaren Prototypen. In Le Mans setzte er ihn mit Dan Gurney/Walt Hansgen am Steuer ein, aber auch in den amerikanischen Strassenrennen mit Walt Hansgen, Jack Brabham und Bruce McLaren.

Allerdings: Neben dem E2A starteten in Le Mans 1960 nicht weniger als drei Chevrolet Corvettes für Cunninghams Team. Zora Arkus-Duntov persönlich hatte dafür gesorgt, dass Cunningham und Camoradi Rennversionen bekamen, obwohl Chevrolet offiziell nicht mehr im Rennsport mitmischte.

Einsatz der E-Types
Der E2A war der Vorbote der Rückkehr von Jaguar in den Rennsport. Allerdings war nicht das Werk der Treiber, sondern Private wie Tommy Sopwith in England und eben Briggs Cunningham in den USA. 1962 erzielten Briggs Cunningham/Roy Salvadori auf dem E-Type (s/n 860630) in Le Mans den vierten Rang im Gesamtklassement. Briggs wiederholte damit sein Spitzenresultat aus dem Jahre 1952, damals auf seinem eigenen Wagen.

1963 trat das Cunningham-Team zum letzten Mal in Le Mans mit drei E-Type Lightweights an.

Trotz den durchaus respektablen Resultaten der E-Types in den verschiedenen Rennen fuhr man selten um den Gesamtsieg. Das war Briggs Cunningham nicht genug, denn er träumte immer noch vom Sieg in Le Mans. 1961 und 1962 setzte das Team sowohl in Le Mans als auch in den amerikanischen Rennen Maserati-Rennsportwagen ein. 1961 erzielten Augie Papst/Dick Thompson auf Cunninghams Maserati Tipo 63 in Le Mans den dritten Gesamtrang.
Ein Lese- und Bilderbuch
Phillip Bingham hat ein leichtfassliches Buch geschrieben, das sich nicht gross mit technischen Details aufhält, dafür mit vielen Geschichten glänzt. Spezielle Themen wie Bruce McLaren, Dan Gurney, der Sieg von Ford in Le Mans 1966, Briggs Cunninghams Sieg im America’s Cup 1958, die Geschichte von Alfredo Momo, Briggs Cunninghams rechte Hand über all die Jahre, aber auch: Daytona, the Birthplace of Speed oder E-types and Minis, the Swinging Sixties (mit den Beatles), etc., etc. werden in Einschüben dokumentiert und geben weitere Einsichten. Der Autor zieht hier alle Register seines Wissens um den Rennsport in den klassischen Jahren.
Ein wichtiger Bestandteil sind auch die meist grossformatigen Bilder, die nicht besonders auf Cunningham konzentriert sind, sondern auch die Konkurrenten zeigen. Zudem wird klar, wie viele Fahrer auf Cunninghams Autos eingesetzt wurden. Technische Bilder und Statistiken, wie etwa eine Liste aller Rennen des Cunningham-Teams oder auch nur mit den Jaguars, fehlen dagegen.
Das Schlusskapitel dokumentiert den E-Type 9023 DU (s/n 875027) in der restaurierten Form sowie einen kurzen Abriss der Geschichte des Briggs Cunningham Automotive Museums.

Eine Dokumentation des restaurierten E-Type 9023 DU (s/n 875027) rundet das Buch ab.

Es zeigt das Auto im Zustand, wie es 1962 an den 12-Stunden von Sebring mit den Fahrern John Fitch/Briggs Cunningham die Klasse GT bis 4 Liter gewonnen hatte. Warum die Restauratoren die #22 gewählt haben und nicht die #14 wie in Sebring 1961, erschliesst sich im Buch nicht. Beim früheren Einsatz war das Auto als Spider unterwegs. Die Geschichte des Cunningham-Teams aus der Sicht von Jaguar zu schreiben, hat durchaus seinen Reiz, doch muss man sich im Klaren sein, dass Cunningham auch in seiner Jaguar-Zeit immer auch andere Autos eingesetzt hat. Neben den schon genannten Marken fuhren unter Cunninghams Flagge auch Autos von Ferrari, Healey, Aston Martin, Osca, Porsche, Lotus, Fiat Abarth, Cooper, Stanguellini und weitere.
Das Buch besticht durch seine Erzählung des Sportwagen-Rennsports von 1950 bis 1963, einer Zeit, in der das Cunningham-Team ein fester Bestandteil der Szene und insbesondere der 24-Stunden von Le Mans war. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Langstreckenrennen und die amerikanischen Strassenrennen sowieso in dieser Zeit auf Privatteams wie eben Cunningham, aber auch Camoradi, N.A.R.T., Écurie Francorchamps und viele andere «Verrückte» angewiesen waren.
Wer eine unterhaltsame Lektüre über die Sportwagenrennen von 1950 bis 1963 sucht und Bilder mag, der ist mit dem Buch sehr gut bedient. Batchelors und Harmanns Cunningham-Bibeln oder auch ein E-Type-Buch ersetzt es allerdings nicht, wenn man tiefer gehen will.
Bibliografische Angaben
- Titel: All-American Heroes and Jaguar's Racing E-types: Briggs Cunningham's Le Mans dream, US road racing and the legendary Jaguar E-type
- Autor: Phillip Bingham
- Sprache: Englisch
- Verlag: Porter Press International
- Auflage: 1. Auflage 2020
- Format: gebunden mit Umschlag, 260x305mm
- Umfang: 288 Seiten
- ISBN: 978-1-907085-81-9
- Preis: Beim Verlag GBP 60.00, bei amazon.de ab EUR 69.00
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