Das Arosa ClassicCar Bergrennen 2010 war ein voller Erfolg, bei Zuschauern, Teilnehmern, Sponsoren und Veranstalter. Strahlendes Wetter am Wochenende, ein vielfältiges Teilnehmerfeld und ein gut organisierter Ablauf ohne grössere Verzögerung waren der optimale Rahmen für eine erinnerungswürdige Veranstaltung. Für einmal sollen hier aber die Dinge aber nicht aus Zuschauer-, sondern einmal aus Fahrerperspektive geschildert werden.
Donnerstag, 9. September 2010 - Anreise, Abnahme und Corso
Etwa gut die Hälfte der Fahrer reisen auf Achse an und können so die 7.8 km lange Bergfahrt mit 78 Kurven von Langwies nach Arosa (und weitere 280 Kurven vorher) bereits geniessen. Für eine Trainingsfahrt ist aber weder Platz noch Musse vorhanden. Kein Problem, man ist ja schon froh, wenn man sich die Strecke wenigstens teilweise wieder merken kann. Bald ist man im Fahrerlager eingewiesen und kann sich zur administrativen Fahrerannahme anstellen. Für Teilnehmer der Competition-Klasse - hier wird auf Zeit gefahren - wird eine FIA-Fahrerlizenz gefordert, für die Regularity-Klasse, wo jeweils zwei Läufe in hoffentlich der gleichen Zeit absolviert werden müssen, reicht ein normaler Führerausweis.
Nun erhält man die Startnummern und einige Informationen. Hier trennt sich bereits die Spreu vom Weizen. Die Profis sind in der Lage, Startnummern knitter- und faltenfrei auch auf komplexeste Fahrzeugoberflächen zu montieren, während andere entweder keine hohen Ansprüche stellen oder schlichtwegs nicht talentiert sind dafür. Bald schon naht die technische Abnahme. Für strassenzugelassene Fahrzeuge reicht ein Blick in den Fahrzeugausweis, ein Check des Motorraums und die Überprüfung der Helmzulassung. Bei Rennfahrzeugen werden FIA-HTP und das Auto genauer unter die Lupe genommen. Sind diese Hürden genommen, kann gemütlich das Gespräch mit Bekannten und Kollegen gesucht werden. Am Donnerstagabend findet in Arosa typischerweise ein Korso der Teilnehmerfahrzeuge durch das Dorf statt, fahrerisch zwar nicht sehr faszinierend, aber eine gelungene Möglichkeit, um den Einheimischen und Touristen die Autos und deren Geräuschkulisse näherzubringen.
Freitag, 10. September 2010 - Trainingstag
Am Trainingstag kann jeder Teilnehmer zwei Läufe bestreiten und dabei die Strecke erkundigen und Richtzeiten erzielen. Der Ablauf ist immer gleich. Das Feld einer der drei Kategorien wird durch eine Polizeieskorte auf offener Strasse von Arosa nach Langwies hinunter geführt. Dann wird die Strecke gesperrt und die Teilnehmer haben die 7.8 km für sich alleine für die Bergfahrt. Gestartet wird in 30-Sekunden-Abständen, längere Abstände können gewünscht werden, wenn sonst ein Überholmanöver nötig wäre.
2010 sind zum ersten Mal die Trainingszeiten massgebend für die Startreihenfolge an den Trainingstagen - eine gute Idee. Überholen ist bei einem Bergrennen wegen der engen Strassen und fehlenden Geraden schwierig und eigentlich nur möglich, wenn der Vordere auf den Hinteren mitaufpasst. Der Trainingstag beginnt feucht und kalt, keine gute Basis für schnelle Zeiten, aber erhöhtes Risiko für Fahrzeuge und Fahrer. Fünf oder sechs Teilnehmern geht denn auch das Talent, respektive die Strasse aus. Gottseidank sind aber nur Blechschäden und verletzter Stolz zu vermelden. Der Nachmittagslauf findet dann bereits bei trockener Strasse statt, die Zeiten werden um 30 bis 90 Sekunden schneller, Bestzeiten unter 5 Minuten werden bereits jetzt gefahren. Manche Autos leiden aber noch an der hohen Luftfeuchtigkeit und lassen deutliche Fehlzündungen hören. Am Abend sind aber (fast) alle zufrieden und freuen sich auf die Rennläufe vom Wochenende.
Samstag, 11. September 2010 - Weisshorn Trophy
Der Samstag steht für alle Teilnehmer, auch für die Regularity-Klasse, im Zeichen der Gleichmässigkeit. Beide Läufe sollen möglichst in der gleichen Zeit abgefahren werden, wobei die Geschwindigkeit sekundär ist. Doch Profis wissen, dass es einfacher ist, schnell oder in der Nähe des persönlichen Limits gleichmässig zu fahren. Keiner versucht, die ganze Strecke mit einer konstanten Geschwindigkeit zu fahren, das wäre wegen der Kurven auch schlicht unmöglich oder sehr langsam und langweilig.
Dass der Sieger am Ende nur 1 Hundertstel Abweichung verbuchen lassen darf, schreibt dieser dem Zufall zu, da ohne Uhr unterwegs! Bis zum Platz 18 wiesen alle Fahrer eine Differenz von weniger als einer Sekunde auf, und das bei gut 5 bis 7 Minuten Fahrzeit, das ist auch international sehenswert. Dass man aber auch 2 Minuten Abweichung haben kann, bewies der Fahrer eines Austin Healey Sprite. Wie immer waren aber auch schon am Samstag viele Fahrer auf Zeitenjagd, sie sorgten sich daher nicht um Differenzen.
Die Ergebnisse der besten 10 Fahrer:
1. Rübig Hermann auf Mercedes 250 SL (1 Strafpunkt = 1 Hundertstel-Sekunde Abweichung)
2. Meier Thomas auf Lancia Beta Montecarlo (7 Strafpunkte)
3. Vonmoos Christoffel auf Ford Mustang 289 Cabrio (13 Strafpunkte)
4. Schmid Peter auf Porsche 356 C (15 Strafpunkte)
5. Braun Thomas auf Alfa-Romeo Giulia Sprint GTA (16 Strafpunkte)
6. Huber Peter auf Porsche Carrera RSR (27 Strafpunkte)
7. Oechsle Christopher auf Porsche 356 SC (29 Strafpunkte)
8. Knobel Heinz auf Eigenbau Monoposto D (31 Strafpunkte)
9. Halter Michael auf Porsche 911 S (38 Strafpunkte)
10. von Rotz Bruno auf JWF Milano GT (44 Strafpunkte)
Sonntag, 12. September 2010 - Regularity und Competition
Am Sonntag änderte sich der Modus für die meisten Fahrer nicht, die Competition-Klasse aber fuhr auf Bestzeit und damit Tagessieg. Patrick Heintz hatte auf seinem rallye-erprobten Ford Escort RS (1980) am Schluss mit 4.39.79 die Nase knapp vor Dr. Armin Zumtobel, der auch dem ex-Künis-Porsche Carrera 6 (906) in 4:41.17 den Berg hochbretterte, wie immer in bestechendem Fahrstil. Zeiten in diesem Bereich bedeuten einen Durchschnitt von über 100 km/h, was bei der gegebenen Streckenanlage doch als ziemlich flüssig gelten darf. Jürg Tobler auf Chevron B17, Thomas Studer auf Ford Shelby GT350 und Dario Pergolini auf Austin Healey 3000 MK II folgten dicht auf. Die Zeiten am Nachmittag waren in der Tendenz langsamer. Nicht so aber bei den Regularity-Fahrern. Hier zeigte Roger Heimgartner auf seinem Alfa-Romeo GTV 6 allen den Meister und fuhr mit nur 3 Hundertstel Zeitdifferenz zweimal den Berg hoch. Es folgten der bekannte Schlagersänger Peter Kraus auf seinem wunscherschönen AC ACE Bristol D2 mit 12 Hundertstel, Peter Keller auf Volvo PV 544, Daniel Ueberhard auf Audi Quattro, Martino Barmettler im Sport Quattro S1 und Hanspeter Weiler im Fiat 124 Abarth CSA.
Wiederum schafften es 12 Teilnehmer unter eine Sekunde Gesamtdifferenz zu kommen - Chapeaux! Dabei wurde gleichsam flüssig gefahren und manche Zeit hätte wohl auch für einen Kategoriensieg in der Competition-Klasse gereicht. Am Ende zeigten sich überall glückliche Piloten und jeder Teilnehmer konnte von haarigen Situationen, technischen Problemzonen oder persönlichen Verbesserungen erzählen. Für die meisten ist eine Rückkehr nächstes Jahr bereits fest vorgesehen, idealerweise mit mehr Leistung und noch besseren Vorbereitungen à la YouTube-Video-Studium.
Wie fühlen sich 78 Kurven auf 7.8 km im Renntempo an?
Schwierig wiederzugeben sind die Eindrücke auf der abwechslungsreichen Bergfahrt. Dem Start folgt ein Bergaufgeschlängel, das durch einige enge Kurvenpassagen durchbrochen wird. Für die meisten Fahrer heisst dies zweiter bis dritter Gang. Dann folgt ein 1.2 km langes Bergabstück, eine Seltenheit bei Bergrennen mit eigenen Herausforderungen.
Um die Fahrzeuge in der Mitte dieser Passage einzubremsen, wurde eine Schikane links-rechts-links eingefügt, dann folgt eine weitere gebogene Gerade und dann muss für das nächste kurvige Teilstück angebremst werden. Jetzt gehts wieder hoch und eine enge Haarnadel zwingt die meisten Fahrer in den ersten Gang. Dann gehts hoch Richtung Litzelrüti, wo das schnellste Teilstück folgt. Dann folgen weitere flüssige Kurvenpassagen, zwei Brückendurchfahrten und zwei weitere Haarnadeln, alles bunt gemischt.
Bis zum Dorf Arosa folgt dann nochmals eine schnelle und flüssige Passage, die von den meisten Fahrern wohl im dritten Gang genommen wird. Die Dorfdurchfahrt selber erinnert mit ihren engen und mit Leitplanken gesicherten Kurven an Monte-Carlo, wobei vor allem die beiden letzten Kurven beherztes Anbremsen und sorgfältiges Durchfahren erfordern, da sie eng und mit Bodenwellen durchsetzt sind. Nicht allen Fahrern gelang dies problemlos, was zu nicht erwünschten Blech- und Kunstoffverformungen führte.
Kurz nach der Zieldurchfahrt blitzt das Zeiten-Display auf und man kann als Fahrer mehr oder weniger zufrieden sein. Auf jeden Fall ist man aber verschwitzt und ermüdet, denn wie kurz auch 5 oder 6 Minuten scheinen mögen, die Physis wird doch gehörig angestrengt. Kaum einer aber denkt beim Hochfahren noch an Börsenkurse, Bankenkrisen oder persönliche Konflikte, Konzentration pur ist angesagt, alles andere wäre bei einem Schnitt um 80 km/h oder mehr auch nicht angesagt, Haarnadelkurven und Brückenbogendurchfahrten inklusive.
Sonstige Beobachtungen und Eindrücke
Wie immer war die Verpflegung und “Hospitality” hervorragend organisiert, für jeden wurde etwas geboten. Auch die Abendanlässe hinterliessen durchwegs zufriedene Gesichter, wenn auch manchen ausgewachsenen Kater dazu. Streckenvorbereitung und der Streckendienst - danke an unsere Freunde in Salzburg und im Voralberg, aber auch in der Schweiz - waren erste Sahne. Und nicht zuletzt soll auch das Fahrzeugfeld genannt werden, welches zwar manches Highlight aus früheren Jahren fehlen liess, aber insgesamt ausgewogen und mit feinen Preziosen durchsetzt war, wie die Bildstrecke zeigt.
Zuletzt aber noch ein Dankeschön an die Einheimischen und die angereisten Touristen, die diesen Anlass ja erst mit ihrem Enthusiasmus möglich machen. Und erst jubelnde Zuschauer machen einen Anlass so richtig gut!