Es ist nicht das erstes Mal, dass eine Kunstmuseum Autos zeigt. Das Museum of Modern Art in New York tut dies seit Jahrzehnten, trotzdem ist es heute doch etwas ungewöhnlich, in Räumen, wo man sonst Kunstwerke von Vincent Van Gogh, Max Bill oder Andy Warhol anschaut, Autos zu bewundern.
Zwischen dem 27. September 2018 bis 10. Februar 2019 zeigt der Kunst Palast in Düsseldorf 29 Sportwagen der Fünfziger- bis Siebzigerjahre unter dem Titel “PS: Ich liebe Dich”. Als Untertitel beschreibt “Sportwagen-Design der 1950er bis 1970er Jahre” das Thema der Ausstellung genauer. Ergänzend zur Ausstellung ist nun auch ein aufwändig gestaltetes Buch, sozusagen als Katalog zur Sonderschau erschienen.
Eine Ausstellung
Basis für das Buch war und ist natürlich die Ausstellung im Kunst Palast, die der Automobil-Design-Entwicklung zwischen den Fünfziger- und Siebzigerjahren gewidmet ist.
Das Werk kann aber durchaus auch ohne Ausstellungsbesuch genutzt werden, denn es ist weit mehr als eine Katalogisierung der ausgestellten Fahrzeuge.
Kunst und/oder Autodesign
Wenn Kunstbewanderte eine Auto-Design-Ausstellung gestalten und beschreiben, dann kann man erwarten, dass sie sich auch mit der Frage, ob denn ein Auto Kunst sein könne, befassen. In verschiedenen Autorenbeiträgen, u.a. von Barbara Til/Dieter Castenow, Niklas Maak, Markus Casperis und Paolo Tummanelli geschieht dies auch umfangreich, wenn auch nicht immer mit einfachen und schnell fassbaren Erklärungen. Immerhin nähern sich die Beitragsschreibenden von verschiedenen Seiten dem Sportwagen, befassen sich mit dem Sinn und Zweck, den Farben, der Geschwindigkeit, der Auswirkung auf die Gesellschaft, den synästhetischen Aspekten oder schlicht der Lust, die ein Sportwagen eben vermittelt.
Besonders der 11-seitige Beitrag von Niklas Maak, der den Titel “Lob des Sportwagens” trägt, dürfte vielen Auto-Enthusiasten aus dem Herzen sprechen. Gegen Ende kommt er zur Konklusion: “Er (der Sportwagen) ist kein Fortbewegungsmittel. Er ist eine romantische Maschine, die einen in einen anderes Leben katapultiert. … Der Sportwagen ist das Gegenteil von pragmatischer Fortbewegung: ein lebensintensivierendes Erlebnis und ein synästhetisches Gesamtkunstwerk aus Klang, Haptik, Form und Tempo. Das Fahrzeug nicht als Gebrauchswerkzeug, sondern als Kunstwerk und Genussmittel ist vielleicht die Zukunft des Autos.”
27 oder 29 Sportwagen
Trotz der umfangreichen Kommentare zum Kunstaspekt des Autodesigns nehmen natürlich die 29 ausgestellten Sportwagen auch im Buch/Katalog den grössten Raum ein, 116 Seiten (von 180) insgesamt.
Beschrieben werden sie von Christopher Butt in 27 (!) Kapiteln, die jeweils die Bezeichnung des Fahrzeugs als Titel haben: Cisitalia 202 SC Berlinetta, Ferrari 166 MM Barchetta, Porsche 356, Mercedes-Benz 300 SL, Lancia Aurelia B24S America Spider, Alfa Romeo Giulietta Spider, BMW 507 (Vorserien-Prototyp), Alfa Romeo Giulietta Sprint Speciale (Prototyp), Ferrari 250 GT California Spider, Maserati 5000 GT Allemano, Ferrari 250 GT SWB Berlinetta Competizione, Aston Martin DB4 GT Zagato, Jaguar E-Type (Genfer Vorführwagen von 1961), Facel Vega II, Shelby Cobra 289, Porsche 911, Ferrari 275 GTB/4, Lamborghini P400, De Tomaso Mangusta, Toyota 2000 GT, Ferrari 365 GTB/4 Daytona, Dino 246 GTS, Mercedes-Benz C111, BMW Turbo, Lancia Stratos HF, Lamborghini Countach 5000 QV.
Jedem Fahrzeug (beim 300 SL sind es dann auch zwei) werden drei bis sechs Seiten gewidmet, die nicht nur das ausgestellte Auto beschreiben, sondern auch dessen Bedeutung in der Design-Geschichte. Das liest sich spannend und ist gut recherchiert.
Dass das Buch als Ausstellungskatalog natürlich keine vollständige Designgeschichte abhandeln kann, angesichts der Auswahl der Exponate, ist auch klar. Immerhin bemühen sich die Kommentare der Gastautoren darum, diese Betrachtungen zu vervollständigen.
Anspruchsvoll
Das Buch ist keine leichte Kost und auch kein klassisches Coffee-Table-Book. Dafür ist der Druck zu wenig edel und die Texte zu wortgewaltig und umfangreich. Dieses Buch will gelesen werden, die geäusserten Ansichten wollen Denkanstösse liefern.
Trotzdem muss gesagt werden, dass das Bildmaterial durchaus attraktiv ist, sowohl die neu geschossenen Fotos als auch das eingestreute historische Material. Dass einige Bilder mehrfach verwendet wurden, ist nicht weiter schlimm, fällt aber trotzdem auf. Auch über einige kleine Unstimmigkeiten (Gab es wirklich je einen Porsche 356 mit 1,5-Liter-Motor und 44 PS? Warum wird der Dino 246 GTS immer als Ferrari eingeführt?) muss der Leser hinwegsehen.
Wer soll sich also dieses Buch (oder den Ausstellungskatalog) für EUR 39.90 kaufen? Sicherlich richtet sich das Werk an diejenigen, die einen Besuch in Düsseldorf geplant haben oder bereits in der Ausstellung waren. Aber die Betrachtungen sind auch für Leute interessant, die sich für Auto-Design begeistern können und die Sportwagen der Fünfziger- bis Siebzigerjahre mögen. Wer sich nur für das eine oder andere Auto begeistern kann, der sollte zu den entsprechenden Typenfibeln greifen. Wer aber gerne den Bogen zwischen Kunst und europäischem Autodesign (die Amerikaner spielen (leider) kaum eine Rolle in der Düsseldorfer Ausstellung, obschon viele Designeinflüsse eigentlich von jenseits des Atlantiks nach Europa schwappten, ziehen möchte, dem bietet das Buch eine spannende Auslegeordnung und viel lesenswertes Anschauungsmaterial.
Bibliografische Angaben
- Titel: PS: Ich liebe Dich - Sportwagen-Design der 1950er bis 1970er Jahre
- Herausgeber: Barbara Til und Bieter Castenow
- Sprache: Deutsch (eine englische Ausgabe ist unter 978-3-7774-3122-2 auch erhältlich)
- Verlag: Hirmer Verlag
- Auflage: 1. Auflage September 2018
- Format: Gebunden, 22,8 x 29,7 cm
- Umfang: 180 Seiten, rund 180 Fotos (B/W und Farbe)
- ISBN: 978-3-7774-3123-9
- Preis: EUR 39.90
- Kaufen/bestellen: Online bei amazon.de oder im Museums-Shop des Kunst Palasts in Düsseldorf
Information
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