Maserati gehört in den Fünfzigerjahren zu den erfolgreichsten Rennwagenkonstrukteuren. Bereits mit dem Zweiliter-A6GCS hatte Ingenieur Vittorio Bellentani ein sehr konkurrenzfähiges Chassis entwickelt, das in der Zweiliter-Klasse mit gutem Handling und hoher Zuverlässigkeit auffiel, vor allem aber viele Siege einfahren konnte.
Doch man wollte höher hinaus und gab Bellentani den Auftrag, eine Dreiliter-Variante zu entwickeln. Der Ingenieur kombinierte bei der Entwicklung in den Jahren 1954 bis 1955 geschickt Teile der erfolgreichen Zweiliter-Sportwagen und des Formel1-Monopostos Maserati 250 F.
Vorstellung im Februar 1955
Die Automobil Revue kündige den neuen Maserati 300 S bereits im Februar 1955 an:
“Auch der neue Dreilitermotor, der mit 90 mm Hub und 84 mm Bohrung die gleiche Bohrung aufweist wie die 2,5-Liter-Formel-1-Maschine, ist ein Sechszylinder mit zwei obenliegenden, aber durch Zahnräder gesteuerten Nockenwellen, Doppelzündung und Trockensumpfschmierung. Im Gegensatz zum Zweilitermotor und zum 2,5-Liter-Rennmotor ist jedoch der Hub grösser als die Bohrung. Als Grund hierfür gibt die Firma die grössere Standfestigkeit und geringere Gefahr des Überdrehens durch weniger geübte Fahrer und beim Einsatz in Strassenrennen an, doch dürfte auch die Tatsache, dass dadurch der Zylinderblock des Grand-Prix-Motors verwendet werden kann, eine Rolle spielen.
Für den Dreilitermotor nennt das Werk eine Leistung von 260 PS bei 6300 U/min. Das Chassis mit 231 cm Radstand besteht aus Rohren grossen Durchmessers und besitzt die De-Dion-Achse des Rennwagens sowie dessen mit dem Hinterachsantrieb verblocktes Vierganggetriebe. Etwa 740 kg soll der Wagen wiegen, dessen Karosserie gegenüber dem Zweiliter-Sportwagen durch Schaffung glatter Flächen noch schöner geworden ist. Bei den vor einiger Zeit in Monza durchgeführten Versuchsfahrten mit einem als Dreiliter bezeichneten Fahrzeug handelte es sich allerdings um ein Zweiliter-Fahrgestell mit der Karosserie des künftigen Dreiliters und einem Motor entsprechender Leistung.
Der Prototyp des Dreiliters ist indessen noch nicht einsatzbereit, doch dürfte er seine Feuertaufe bei der Sizilien-Rundfahrt oder spätestens bei der Mille Miglia erleben.”
Als sich Maserati daran machte, die ersten fünf Fahrgestelle zu bauen, wurde schnell erkannt, dass das Chassis zu flexibel war, so wurden bereits beim Fahrzeug 4 und 5 Verbesserungen angebracht.Insgesamt baute Maserati von 1955 bis 1959 mindestens 26 Maserati 300 S in drei Varianten, die stetig besser wurden.
Einer der besten Sportwagen überhaupt
Einer der Fahrer, der sich besonders gerne in den 300 S setzte, war Stirling Moss, der den Zweisitzer als stark, zuverlässig und sehr ausgewogen beschrieb. Vor allem aber liebte der die hohe Zuverlässigkeit des Wagens. Tatsächlich gelangen ihm in 16 Rennen insgesamt neun Siege, drei zweite Plätze, ein dritter und ein fünfter Platz. Nur zweimal fiel er mit dem Maserati aus. “Almost unburstable”, also praktisch unzerstörbar, sei der schöne Sportwagen, meinte Moss einst.
Natürlich hatte der Ferrari mit den starken Zwölfzylinder motorentechnische Vorteile, der Maserati aber wies das bessere Fahrwerk auf und konnte sich so durchaus gegen den Gegner aus Maranello behaupten.
Kinderkrankheiten
Obwohl die neuen 300 S rechtzeitig für die Sportwagenmeisterschaft 1955 bereitstanden und an Privatfahrer verkauft, sowie im Werksteam eingesetzt wurden, stellten sich die erwarteten Erfolge nicht sogleich ein. Zwar konnte Briggs Cunningham in Sebring die Plätze 3 und 4 einfahren, aber danach plagten den neuen Wagen Kinderkrankheiten und nur gerade am Ende der Saison gelang Juan Manuel Fangio ein Sieg im Grand Prix von Venezuela.
Für die Saison 1956 setzte Fantuzzi eine aerodynamischere Karosserie mit einer längeren Nase auf das Chassis, was den Wagen schneller machte. So resultierte ein Sieg in Buenos Aires beim Saison Start (Moss/Menditeguy) und ein weiterer Triumph bei den 1000 km Nürburgring, wo Moss mit Jean Behra zusammen fuhr.
Die Automobil Revue schrieb im Rennbericht zum dramatischen Nürburgringlauf im Mai 1956:
“Dieses Rennen ergänzt den internationalen Sportwagenwettbewerb hervorragend und stellt wohl technisch und fahrerisch eine der härtesten Prüfungen für Sportwagen überhaupt dar. Dies wird wohl eindrucksvoll aufgezeigt, wenn man erfährt, dass z.B. Behra mit dem 3-Liter- Maserati in einer Nürburgring-Runde 54 mal, der Ferrari-Zwölfzylinder 36 mal und derFerrari-Vierzylinder 34 mal schalten muss. Nun, das Rennen ging über 44 Runden. Eine Runde gleich 22,81 km . Auf der Eifelpiste werden besonders Fahrwerk und Motor aussergewöhnlich scharf beansprucht.”
Moss/Behra siegten übrigens vor Fangio/Castelloti, die einen 3,5-Liter-Ferrari pilotierten, und de Portago/Gendebien/Hill ebenfalls im Ferrari. Auf Platz vier kamen, mit rund 20 Minuten Rückstand Trips/Maglioli im Porsche 1500 RS ins Ziel.
Trotz der beiden Rennerfolge ging die Weltmeisterschaft 1956 an Ferrari.
In der Folge suchte Maserati nach mehr Leistung und fokussierte daher auf die Entwicklung eines Zwölfzyilnders, womit der 300S vor allem an Privatfahrer verkauft wurde und zumindest finanziell ein einträgliches Geschäft für die Firma aus Modena wurde.
Mit 6,9 Millionen italienische Lire (umgerechnet damals rund CHF 45’600) stand der Sportwagen neu zum Verkauf, das war je nach Perspektive wenig oder viel. Ein Mercedes-Benz 300 SL stand damals für CHF 33’500 in der Preisliste, ein Ferrari 250 GT für CHF 44’500. Einen Porsche 356 es bereits ab CHF 14’770.
Fangio’s Maserati 300 S
Der Anfang der Geschichte des Maserati 300 S mit Chassisnummer 3069 aus dem Jahr 1956 ist nicht komplett klar. Es ist möglich, dass der Wagen im Werksteam eingesetzt wurde, doch zeigen die lückenhaften Aufzeichnungen von Maserati keine eindeutige Belege dafür. Der erste private Kunde hiess Armando Zampiero, er kauften den Wagen im Jahr 1957 und verkaufte ihn dann wohl an das Werk zurück. Dieses wiederum sorgte für eine gründliche Überholung und 3069 wurde auf den neuesten Stand gebracht, bevor der Zweisitzer mit Marciello Giambertone einen neuen Besitzer fand im Jahr 1957.
Als Fahrer setzte Giambertone Juan Manuel Fangio in den 300 S und dieser Wagen konnte, gemeldet von der Scuderina Madunia, in Portugal auf dem Mansanto Rundstrecke seinen ersten Grand Prix gewinnen. Dass Fangio für einen Privatmann fuhr, war nicht ungewöhnlich, schliesslich hatte er mit Maserati nur einen Formel-1-Vertrag, war bei den Sportwagen aber frei.
Im Herbst 1957 wurde der Wagen nach Südamerika verschifft, wo ihn Fangio erneut bei Rennen in Interlagos/Brasilien fuhr und unbesiegbar war.
In der Folge verkaufte Giambertone den Wagen an den brasilianischen Playboy Severino Gonez-Silva, der sich damit rühmte “Fangio’s Maserati" zu besitzen. Gefahren wurde er in jener Zeit von Henrique Casini.
Die Rennkarriere des Maserati 300 S dauerte, unter verschiedenen Besitzern, bis in die Siebzigerjahre, also weit über ein Jahrzehnt! Über die Jahre wurde der Aufbau immer wieder erneuert und glich am Schluss eher einem Ferrari 330 TRI als dem ursprünglichem 300 S.
Zweimal restauriert
Colin Crabbe kaufte den Rennwagen in den späten Siebzigerjahren, allerdings ohne Karosserie, aber mit originalem Antriebsstrang und Chassis. Der Motor selber war bereits Ende der Fünfzigerjahre getauscht worden. Die Restaurierung dauerte bis 1983, danach wechselte der Wagen wiederum einige Male den Besitzer und wurde im historischen Rennsport eingesetzt.
Im neuen Jahrtausend wurde der Maserati nach vielen Einsätzen (u.a. Le Mans Classic, Mille Miglia, etc.) erneut restauriert, der letzte Besitzer hielt ihm (bisher) für über 19 Jahre die Treue.
Am 18. August 2017 wurde der Maserati 300 S (3069) an der Quail Lodge Versteigerung von Bonhams versteigert, geschätzt wurden USD 6 bis 7 Millionen (EUR 5,2 bis 6 Millionen, CHF 5,8 bis 6,8 Millionen). Über USD 5 Millionen wollte aber kein Bieter gehen, der Wagen konnte nicht verkauft werden ( Versteigerungsbericht ).
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 7 / 1955 vom 16.Feb.1955 - Seite 19: Erweiterung des Typenprogrammes bei Maserati
- AR-Zeitung Nr. 12 / 1957 vom 18.Mrz.1957 - Seite 2: Sportwagen am Genfer Salon 1957
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Dessen Zuverlässigkeit war legendär, kein Wunder auch bei dem Aufwand welcher in der Untertürkheimer Rennabteilung betrieben wurde.
Und dann über 300 PS, die in der Länge variablen Saugrohre welche die Leistungsabgabe in den niedrigeren Drehzahlbereichen entscheidend verbessert haben, all das und sicher weitere Maßnahmen hätten für interessante Rennverläufe gesorgt.
Mit Graf Trips und Hans Hermann am Lenkrad .....
Aber leider wie so oft eine "was-wäre-wenn-Geschichte".