Das wohl grösste historische Rennsport-Ereignis in Portugal ist das Algarve Classic Festival, das 2013 zum vierten Mal ausgetragen wurde. 160 Fahrzeuge waren am Start, verteilt auf sieben Rennserien. Nach dem regnerischen Qualifying am Freitag fanden am Samstag und Sonntag des 19. und 20. Oktobers 2013 die einzelnen Rennen bei besten Witterungen statt.
Das Algarve Classic Festival wirkt im Vergleich zu den grossen Brüdern aus dem Norden (Goodwood, Oldtimer Grand Prix, Eifelrennen, Spa Classic, ...) zwar eher klein, gehört in Südeuropa aber gewiss zu den wichtigsten und trumpft mit einer sehr attraktiven und abwechslungsreichen Streckenführung sowie dem unschlagbaren südlichen Charme.
Wer das Fahrerlager im Oktober bei fast 30 Grad Aussentemperatur betritt und die Rennatmosphäre in Kombination mit dem südlichen Flair erfasst, bricht automatisch in Euphorie aus.
Algarve International Circuit?
Frägt man Motorsport-Interessierte nach Rennstrecken auf der Iberischen Halbinsel, hört man nach einer kurzen Pause meistens vom “Circuit de Catalunya”, der übrigens seit 2013 “Circuit de Barcelona-Catalunya” heisst. Diese Rennstrecke wurde 1991 durch den Formel 1 Grand Prix von Spanien eröffnet und hat seither eine eindrückliche Rennhistorie aufgebaut.
Weniger bekannt, zumindest in den mittel- und nordeuropäischen Ländern, ist hingegen der “Algarve International Circuit”, oft als “Portimao Circuit” zitiert, der in der südlichsten Region Portugals (Algarve) 2008 mit dem Finale der Superbike-Weltmeisterschaft eröffnet wurde. Die Strecke wurde seither von der Tourenwagen-Weltmeisterschaft (2010, 2012) benutzt, ebenfalls von der FIA GT1 Weltmeisterschaft und während den Wintertests der Formel 1. 2009 machte auch die Le Mans Series mit dem 1000km Nachtrennen einen Halt in der Algarve.
Optisch spektakulär ist sicherlich die Kuppe vor Kurve 6 (siehe Grafik oben). Als Zuschauer auf der Tribüne in Kurve 6 geniesst man einen tollen Blick auf die über den Hügel heranfahrenden Rennwagen. Toll ist auch die Kuppe nach Kurve 9 und der anschliessenden Senke, die fast so steil wie Eau Rouge ist. Ab da geht es hinauf und nochmals hinab zur Senke 13 und dann hoch zur höchsten Stelle des Circuit (Kurve 15). Von da folgt die Talfahrt Richtung Ziel.
160 Rennfahrzeuge trotz Wirtschaftskrise am Start
Den einen oder andern mag es erstaunen, dass in einem Land, das in der Presse seit längerer Zeit nur mit wirtschaftlichen Negativschlagzeilen auf sich aufmerksam machte, dennoch Mittel und Kraft aufgebracht werden konnten, eine so grosse historische Rennveranstaltung durchzuführen, kommen doch die meisten Teilnehmer aus Spanien und Portugal selber. Wichtig für die Durchführung dieser Veranstaltung war wohl deshalb die Teilnahme der Rennserie “Historic Endurance”, die das grösste und wichtigste Sammelbecken für historischen Rennsport auf der spanisch-portugiesischen Halbinsel ist. Gute Kontakte ins Ausland halfen sicherlich auch, der südlichen Algarve einen Hauch von Internationalität zu verschaffen, waren doch Fahrer aus England, Deutschland, Holland und der Schweiz am Start.
Vom Bentley aus 1925 über Datsun und Bizzarrini bis zum TWR Jaguar Tourenwagen aus 1984
Wie schon in der Einführung erwähnt, waren um die 160 Fahrzeuge am Start mit fast 300 Rennfahrern, bereit für die Berg- und Talfahrt in der Algarve. Vielfalt der Fahrzeuge war zwar vorhanden, von historischen Formel 1 über GT Sportwagen aus den 50er Jahren bis zu Tourenwagen aus den 70ern, die meisten Rennfelder wirkten aber auf der grossen Rennstrecke dann doch etwas dünn.
Dem Veranstalter gilt aber trotzdem höchstes Lob, denn dass man diese Vielfalt am südwestlichsten Punkt Europas geniessen darf, ist einzigartig.
- Historic Endurance (mit 46 Fahrzeugen am Start!)
- Formel Junior (30 Fahrzeuge)
- GT & Sport Car Cup (24 Fahrzeuge)
- Rennfahrzeuge aus den 50er Jahren (16 Fahrzeuge)
- Historic Touring Car Challenge (10 Fahrzeuge)
- Historische Formel 1 (8 Fahrzeuge)
- Vorkriegsrennwagen (6 Fahrzeuge)
Exoten
Wer historische Motorsport Veranstaltungen öfters besucht, und allenfalls auch noch im selben geografischen Raum, sieht immer wieder dieselben Fahrzeuge. Umso auffallender sind deshalb Rennwagen, die man während einer Saison nur selten oder gar nicht zu Gesicht bekommt. So fuhren zum Beispiel in der Algarve gleich sechs Datsun 1200, die zwar nicht zu den schnellsten, dafür farblich zu den schrillsten Anwärtern gehörten!
Frank Stippler im Bizzarrini gegen einheimischen Vorteil
Im ersten Rennen der “Historic Endurance” ging Frank Stippler, seit 10 Jahren Audi Werksfahrer, vom achten Startplatz im wunderschönen Bizzarrini GT5300 nach nur wenigen Runden in die Führung.
Seine Hauptkonkurrenten waren die Portugiesen Mário Silva in einem gelben Porsche 911 3.0 RS und das Vater-Sohn-Duo Jose/Francisco Albuquerque im dunkelblauen Ford GT40.
Silva erlitt einen Reifenschaden und war somit ausser Konkurrenz. Dennoch behielt Silva bis zum Schluss die schnellste Runde von 2:09.470.
Die Albuquerques im GT40 starteten von Platz 17 und waren nach dem obligatorischen Fahrerwechsel bereits auf Platz 2. Konstant schnelle Rundenzeiten brachten den GT40 mit einem Vorsprung von 20 Sekunden schliesslich auf Platz 1, gefolgt vom Spanier Jesus Fuster in einem Porsche 911 3.0 RS und den Engländern Dice/Conoley auf Marcos 1800. Frank Stippler und Georg Nolte fielen zurück und mussten sich mit dem vierten Platz begnügen.
Am Sonntag beim zweiten “Historic Endurance” Lauf gab es kaum Zwischenfälle und Silva im gelben Porsche 911 kämpfte mit dem Albuquerque-Duo um den ersten Platz. Nur sieben Sekunden trennten letztendlich die beiden Podiumbesteiger, ihre besten Rundenzeiten lagen um die 2:07. Sieger war erneut der Ford GT40.
Le Mans Fahrer John Sheldon war ebenfalls am Start. 1984 fuhr er in einem Aston Martin Nimrod, zusammen mit Richard Attwood, und überlebte den schrecklichen Unfall bei Tempo 322km/h auf der Hunaudières, allerdings mit starken Verbrennungen. Beim Algarve Classic Festival erreichte er im charismatischen Lotus Elan überraschend den dritten Platz.
Das iberische Spa
Die Strecke mit ihren 4,692 Kilometern Länge erinnert vom Höhenprofil ein bisschen an Spa, muss der Fahrer doch während einer Runde fünf steile Kuppen und drei Spitzkehren meistern. Einzigartig wirkt die Senke nach der Start/Ziel-Geraden, wo die Fahrzeuge kurz danach in einer schnellen Rechtskurve auf die erste Spitzkehre zusteuern.
Ein Fahrer meinte vor Ort nach dem Qualifying-Lauf am Samstag morgen: «Die Strecke ist sehr schnell und technisch besonders toll zum Fahren. Das Layout gewährt einen “guten Fluss” und macht enormen Spass, auch der moderne Asphalt gibt besseren Grip als anderswo, das ist immer willkommen!»
Natürlich findet man in der Algarve keine Wälder wie in Spa, auch keinen morgenlichen Nebel, dafür wird die Strecke von Pinienbäumen umsäumt, warme Luft zieht schon am Morgen durch das Fahrerlager, und der würzig-südliche Duft von den angrenzenden Büschen machen diese Strecke einzigartig. Umgeben ist die Strecke durch die für die Gegend typsich rot-tönigen Erdpassagen.
Zuschauer können direkt vor der Rennstrecke auf einem riesigen Parkplatz ihr Fahrzeug abstellen und sind innert Minuten bereits im Fahrerlager. Die Haupttribüne begleitet fast die ganze Länge der Start/Ziel-Geraden und bietet dank der hügeligen Streckenführung einen faszinierenden Blick auf das Renngeschehen.
Die Strecke ist noch neu und die da stattfindenden Veranstaltungen müssen wohl erst noch ihren Bekanntheitsgrad erarbeiten, aber für Touristen aus Europa, die von den kalten Herbsttemperaturen nochmals fliehen möchten, bietet die Algarve mit dem Classic Festival eine ideale Gelegenheit, auch in den Ferien seiner Leidenschaft, dem historischen Motorsport, nachzugehen, spektakuläre Abendstimmung ist garantiert!