Viele erinnern sich noch an die medienwirksamen Weltmeisterschafts-Boxkämpfe, die in den frühen Siebzigerjahren Millionen Fernsehzuschauer rund um die Welt die Nacht vor dem Bildschirm verbringen liess.
Der bekannteste Boxer war Muhammed Ali. Jedermann kannte ihn. Dass er Rolls-Royce fuhr, dürften aber nur wenige gewusst haben.
Ali zählt zu den berühmtesten Sportlern aller Zeiten, seine Schwergewichts-Weltmeisterschafts-Boxkämpfe sind legendär. Er hielt nicht mit seiner Meinung über seine eigenen Fähigkeit zurück, er schätzte aber auch exquisite Autos und fuhr gerne Rolls-Royce. Im Jahr 1970 legte er sich ein Silver Shadow Drophead Coupé zu, den Vorläufer des Corniche Cabriolets.
Aufstieg eines Boxers zum “Grössten”
Ali, geboren als Cassius Clay am 17. Januar 1942 in Louisville (USA), war der der Erfolg nicht in die Wiege gelegt worden. Mit 12 Jahren begann er mit Boxen, um sich im Leben besser behaupten zu können, nachdem ihm sein Fahrrad gestohlen wurde, so wird er erzählt. Bereits mit 18 Jahren trat er zu seinem ersten Profiwettkampf an und er lernte früh, dass Selbst-Marketing gerade in diesem Umfeld ein Erfolgsfaktor sein konnte.
Clay war nicht nur überdurchschnittlich talentiert, er trainierte auch hart und er kommunizierte viel und medienwirksam. Oftmals konnte der die Runde, in denen sein Gegner zu Boden ging, voraussagen.
Seinen ersten Kampf um die Weltmeisterschaft gegen Sonny Liston gewann er im Jahr 1964, im selben Jahr änderte er seinen Namen auf Muhammed Ali. Er blieb ungeschlagener Weltmeister, doch 1967 wurde ihm der Titel aberkannt, weil er sich weigerte, in den Vietnamkrieg zu ziehen.
Erst nach vielen Gerichtsverhandlungen durfte Ali im Jahr 1970 wieder in den Ring steigen. Und kaufte sich aus Freude einen Rolls-Royce.
Vom offenen Silver Shadow …
Der Rolls-Royce Silver Shadow war als Limousine bereits 1965 in Paris vorgestellt worden. Mulliner Park Ward erhielt den Auftrag, eine offene und geschlossene zweitürige Variante der selbsttragenden Limousine zu entwickeln. Bill Allen griff zum Zeichenstift und schaffte es, von der Limousine ein elegant wirkendes Cabriolet abzuleiten. Neben der Reduktion um zwei Türen veränderte er vor allem den Verlauf der hinteren Kotflügel und das Heck, das deutlich leichtfüssiger wirkt als jenes der Limousine.
1966 zeigte Rolls-Royce in Genf die Coupé-Version, 1967 wurde die offene Variante dann in London präsentiert. Wie üblich im angelsächsischen Sprachraum nannte man sie schlicht “Silver Shadow Drophead Coupé”. Als Preise wurden CHF 112’000 oder DM 119’000 genannt, rund 50 Prozent teurer als die Limousine.
Neben Verstärkungen und optischen Verfeinerungen hatte man auch den Motor einer Kur unterzogen. Dank eines leistungsfähigeren Zylinderkopfes verfügte er über etwas mehr Leistung.
Die Abmessungen betrugen 516 cm in der Länge, 183 cm in der Breite und 148 cm in der Höhe. Beim Linkslenker verfügte die Getriebeautomatik über drei, beim Rechtslenker über vier Gänge. Die Bedienung der Automatik erfolgte über einen Hebel an der Lenksäule.
Die Innenausstattung entsprach den Erwartungen der Käufer, elektrische Liegesitze und Fensterheber, ein auf Knopfdruck schliessendes Dach, edle Teppiche, Lederüberzüge und Walnussholz-Einlagen sorgten für eine gediegene Atmosphäre.
… zum Corniche
Bis 1970 wurde der Wagen fast unverändert so gebaut, kleine Verfeinerungen verbesserten das Auto stetig. Dann wurde der Motor von 6,25 auf 6,75 Liter vergrössert. 1971 dann waren die Anpassungen augenfälliger, denn sie wurden von einer neuen Bezeichnung begleitet. Ab dann und bis zum Ende der Produktion im Jahr 1987 hiess das Cabriolet nun Corniche.
6233 Exemplare, neun Prozent davon mit Bentley-Kühler, waren bis dahin gebaut worden. Vom frühen Rolls-Royce Silver Shadow Drophead Coupé entstanden allerdings nur deren 505 Autos, wovon überdurchschnittlich viele linksgelenkt und in die USA ausgeliefert wurden.
Das richtige Auto für Ali?
Muhammed Ali beschrieb sich gerne als “The Greatest” und tatsächlich verfügte er über ein fast magisches Gespür, wie er einen Boxkampf gewinnen konnte. Zusammen mit seiner Beweglichkeit und seiner Kämpferseele gehörte er auch sicherlich zu den besten Boxern aller Zeiten.
Dass er entsprechend auch zum besten Auto der Welt griff, war entsprechend nachvollziehbar.
Zum Rolls-Royce lässt sich allerdings sagen, dass er deutlich weniger sportlicher war als der Boxer. Paul Frère jedenfalls war nach einer Fahrt in der fast baugleichen Limousine, beschrieben in der Motor Revue im Jahr 1970, nicht beeindruckt. Er kritisierte insbesondere die gefühllose Lenkung und die Nickschwingungen, die von der etwas zu schwachen Dämpfung verursacht wurden. Gerne hätte er die einstellbaren Stossdämpfer, die Rolls-Royce früher anbot, zurückgehabt.
Immerhin musste der Belgier attestieren, dass sich beim Fahrverhalten einiges getan habe und dass der Wagen im Vergleich zu den ersten Silver Shadow Exemplaren deutlich kurvenwilliger geworden sei. Unverständlich für den erfahrenen Autotester war, dass an einem Auto dieser Preisklasse eine Zentralverriegelung genauso fehlte wie die Intervallschaltung für den Scheibenwischer.
Der immerhin 2,1 Tonnen schwere Wagen ermögliche Fahrleistungen, die einem Porsche 912 entsprächen, notierte der Frère. Für den Spurt von 0 auf 100 km/h benötigte er 12 Sekunden, das Cabriolet konnte dies mindestens gleich schnell. Die Limousine erreichte 183 km/h, die offene Version war vermutlich noch etwas schneller, aber kaum sparsamer als die geschlossene Variante, die sich im Test bei sicherlich flotter Fahrt rund 29 Liter pro 100 Kilometer genehmigte.
Frère jedenfalls meinte, dass keinesfalls Wirtschaftlichkeit das Argument für den Kauf eines dieser Autos sein könne, selbst wenn er zwei- bis dreimal länger halten sollte. Es gehe hier alleine um den persönlichen Geschmack, um Prestige und die Einstellung zum Autofahren. Offenbar trat der Rolls-Royce Silver Shadow als Drophead Coupé die Vorlieben Muhammed Alis ziemlich genau, denn jener legte immerhin die stolze Summe von gegen USD 29’000 (umgerechnet damals DM 105’000 oder CHF 124’000) für den Rolls-Royce an.
Höhen und Tiefen
Gemeinsam an Rolls-Royce und Muhammed Ali ist, dass sie beide durch Höhen und Tiefen wanderten. Rolls-Royce steckte 1970 in derartig ernsten finanziellen Schwierigkeiten, dass man bereits auf eine Übernahme durch den Staat hoffte. Und Ali verlor im Jahr 1971 den “Fight of the Century” gegen Jo Frazier und musste danach wieder “unten” anfangen, um sich seine nächste Chance zum Rückgewinn des Weltmeistertitels zu verdienen.
Inzwischen bereits über 30 Jahre alt absolvierte Ali diese Durststrecke und konnte 1974 im “Rumble in the Jungle”-Kampf den Weltmeistertitel gegen George Foreman zurückgewinnen. Es war eines der erfolgreichsten “Comebacks” der Box-Geschichte.
Der Ali-Rolls hat überlebt
Den Silver Shadow behielt Ali mehrere Jahre lang, dann wurde er von einem Enthusiasten in den Niederlande gekauft, wo er bis heute blieb. Das Auto wurde nie komplett restauriert und selbst die optionalen Kopfstützen sind noch vorhanden.
Das Silver Shadow Drophead Coupé von 1970 wird am 8. Oktober 2018 von Bonhams an der Versteigerung in Zoute (Knokke-Heist, Belgien) unter den Hammer kommen. Geschätzt wurden EUR 40’000 bis 60’000 und es dürfte sich hier um eine ziemlich einmalige Gelegenheit handeln, einen Rolls-Royce des besten Boxers aller Zeiten zu kaufen, obschon es nicht Alis einziger Rolls war.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 40 / 1967 vom 14.Sep.1967 - Seite 23: Rolls-Royce und Bentley als Cabriolet
- AR-Zeitung Nr. 9 / 1971 vom 04.Mrz.1971 - Seite 21: Neuheiten bei Rolls-Royce und Bentley
- Motor Revue Nr. 70, 2/1969, ab Seite 42: Paul Frère fuhr den Rolls-Royce Silver Shadow
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