Manchmal ist weniger mehr. Beim “RS”-Modell der 964-er-Porsche-Generation stimmt dies auf jeden Fall. Weniger Komfort, weniger Material, kombiniert mit minimal mehr Leistung, hiess das Rezept, das neu mit einem Aufschlag von rund 25% zum Normal-Modell abgegeben wurde, heute aber je nach Währung fast das Zwei-bis Dreifache des damaligen Neupreises und rund dreimal soviel wie ein normaler 964 wert ist.
Komplett neu entwickeltes Auto
Aber blättern wir zunächst 30 Jahre zurück ins Jahr 1988, damals nämlich wurde der vierradangetriebene 964 vorgestellt. Und obwohl man’s ihm nicht ansah, hatte man dafür 87 Prozent der Teile verändert. Der 959 hatte genauso Pate gestanden wie natürlich der erfolgreiche Vorgänger, das G-Modell, das es auf 15 Jahre Produktionszeit gebracht hatte.
In kurzer Folge wurden die heckgetriebene 964-Variante und ein Turbo nachgereicht. Doch man hatte noch mehr im Sinn.
Die Buchstaben-Kombination RS kehrt zurück
Man erinnerte sich in Zuffenhausen nur zu gerne an die frühen Siebzigerjahre zurück, als man den 911 Carrera RS lancierte in der Hoffnung, die für die Homologierung nötigen 500 Exemplare an den Mann (oder die Frau) bringen zu können. Es wurden dann deutlich mehr. Trotzdem liess man das Kürzel “RS”, das für Rennsport stand, nach wenigen Jahren wieder fallen.
Auf dem Genfer Autosalon 1991 aber waren die beiden magischen Buchstaben zurück und zwar am Heck eines schlicht aussehenden 964-Hecktrieblers, abgeleitet vom Porsche-Cup-Wettbewerbsfahrzeug.
Verzicht anstatt Luxus
Nur wer am Salon genauer hinschaute, erkannte die durchaus umfangreichen Unterschiede zwischen dem RS und dem Normalmodell. Die hinteren Sitze fehlten genauso wie die elektrischen Fensterheber, eine Klimaanlage oder ein Radio. Auch auf Dämmmaterial wurde weitgehend verzichtet, die Verglasung dünn gehalten und die Sitze für Fahrer und Beifahrer entpuppten sich als knapp gepolsterte Kunststoffschalen.
Die Lenkung musste ohne die Unterstützung einer Servopumpe auskommen, die Besatzung öffnete die Türen mit schlichten Schlaufen.
Auch einen Airbag gab es nicht, der Unterbodenschutz wurde auf ein Minimum reduziert, die Hauben aus Aluminium anstatt aus Stahlblech gefertigt.
1225 Kilogramm brachte ein so vereinfachter 964 auf die Waage, immerhin 175 Kilogramm weniger als das Seriencoupé.
Etwas mehr Leistung
Dem Motor verhalf man durch eine andere Abstimmung der Motronic zu 10 zusätzlichen PS, ansonsten blieb es bei 3,6 Litern Hubraum, der nun aber mit 98-Oktan-Benzin geflutet werden wollte.
Die 260 PS reichten locker, um in 5,4 Sekunden von 0 bis 100 km/h zu beschleunigen. Bei 263 km/h Spitzengeschwindigkeit bremste die Elektronik den weiteren Vortrieb. Damit liess sich ein heckgetriebener 964 knapp auf Distanz halten, nicht aber ein noch etwas teurerer Turbo.
Weniger kostet mehr
DM 145’450 kostete der 964 RS beim Händler in Deutschland, CHF 133’000 waren es in der Schweiz. Dafür gab es immerhin verstärkte Bremsen (vorne vom Turbo, hinten vom Cup Carrera), ein serienmässiges ABS, etwas Leder im Interieur, 17-Zoll-Magnesium-Cupfelgen und jede Menge Fahrspass.
Farbenfroh
Gerne bestellten die rennsportbegeisterten Kunden den RS in bunten Farben.
Da standen beispielsweise neben dem fast schon unscheinbaren Weiss auch Gelb, Mintgrün, Signalgrün, Maritimblau oder eben Sternrubin zur Verfügung, ein schriller Mix aus Pink und Violett, aber ohne Metallic-Partikel.
Spagat fast geglückt
Natürlich riss sich die Gilde der Autojournalisten darum, den neuen RS in die Mangel zu nehmen. Götz Leyrer gehörte zu den Auserwählten und er schrieb seine Eindrücke in der Zeitschrift Auto Motor und Sport nieder:
“Den Fahreindruck bestimmt nicht nur die Höhe der Fahrleistungen, sondern viel mehr noch die Art und Weise wie sie zustande kommen. Und der RS entfesselt sie wie ein reißendes Tier, mit einem geradezu unerbittlichen Schub und einem Motorgebrüll, dessen aggressive Tonlage nur der luftgekühlte Porsche-Sechszylinder zuwege bringt. Pubertär, nicht mehr zeitgemäß, etwas für verhinderte Rennfahrer - solche kritischen Kommentare sind vorprogrammiert. Trotzdem bleibt es beim Bekenntnis, daß so ein Auto ein urwüchsiges Vergnügen machen kann, daß es eben etwas anderes ist, wenn diese reinrassige Fahrmaschine davonstürmt, als wenn ein über zwei Tonnen schwerer Zwölfzylinder-Mercedes sich gar nicht soviel weniger kräftig ins Zeug legt.”
Dies stimmt heute, da selbst biedere Familienlimousinen weniger Kilogramm pro PS schleppen müssen als der 964 RS, noch viel mehr als damals. Die Art, wie der inzwischen 25-jährige Porsche aus dem Stand loshechtet und eine Steigung emporstürmt, ist auch heutzutage noch immer eindrücklich. Und erst der Klang! Ganz legal und ohne drehzahl- oder manuell gesteuerte Klappen lässt der luftgekühlte Boxer sein heiseres Lied erklingen, dass man sich schon fast in Le Mans fühlt. Jederzeit und ohne Mitleid.
Verzicht ist angesagt
Dabei kann man mit dem rennsportlichsten damaligen 964 durchaus auch ganz gemütlich und ohne Krawall durch das Quartier tuckern, die Deutlichkeit Aussprache ist primär drehzahlabhängig. Komfortabel wird es trotzdem nie. Dafür sorgt alleine schon die fast inexistente Federung. Jeder auch noch so kleine Absatz überträgt sich sofort auf das Gesäss, Stucks sogenannter “Popometer” wird völlig ungefiltert sofort darüber orientiert, wenn eine Querfuge zwei Betondeckel trennt oder das Stiel eines Eises auf der Strasse liegen geblieben ist. “Von Federung ist so gut wie nichts zu bemerken, Straßenunebenheiten knallen mit einer Intensität durch, die ein weniger steifes Gebilde als die 911-Karosserie innerhalb kürzester Zeit weichklopfen würde”, schrieb Leyrer schon damals.
Dass sich dies im Fahrverhalten auf hoffentlich topfebener Strecke positiv auszahlen würde, ist auch klar. “Die möglichen Kurvengeschwindigkeiten sind extrem hoch, bei einem nahezu neutralen bis leiht untersteuernden Eigenlenkverhalten, solange der Vortrieb an den Hinterrädern nicht unterbrochen wird; Gaswegnehmen oder auch Leistungsüberschluss kehrt aber natürlich das weniger freundliche Gesicht des Heckmotorprinzips zutage - der Porsche übersteuert dann, er zeigt die ganze Problematik eines sehr schmalen Grenzbereichs und eines so heftig ausbrechenden Hecks, das im Zaum zu halten ein weit überdurchschnittliches Fahrkönnen erfordert”, notierte Leyrer in seinem Test und warnte vor allzu heftigen Ausritten im Regen.
Immerhin kamen die Bremsen locker mit den erreichbaren Geschwindigkeiten klar und der Verbrauch war selbst bei forcierter Fahrweise mit 14,9 Litern pro 100 km noch human.
Selten geblieben
Der rudimentäre Komfort und die kompromisslose Sportlichkeit verhinderten einen allzu grossen Verkaufserfolg des Minimal-964-Modells, das es als Touring-Ausführung auch mit etwas mehr Luxus gab. Immerhin knapp über 2000 Exemplare konnten in rund zwei Jahren Bauzeit verkauft werden. Deutlich rarer noch war der RS 3.8, doch von dem soll ein anderes Mal die Rede sein.
Die Überlebensrate dürfte hoch sein, weil die meisten dieser Autos wenig gefahren wurden und schon früh in Sammlungen landeten. Heute werden sie im Vergleich zu anderen 964-Varianten fast vergoldet. Das ist auch kein Wunder, denn zum kurzen Ausritt am frühen Sonntagmorgen taugen sie genauso wie für den Track-Day, viel mehr aber wollen die meisten Besitzer gar nicht, und so bleiben die Kilometerstände übersichtlich.
Wir danken der Oldtimer Galerie Toffen für die Unterstützung bei diesem Bildbericht.
Weitere Informationen
- Auto Motor und Sport Heft 24/1991, ab Seite 66: Test Porsche Carrera RS
- Auto Motor und Sport Heft 20/1993, ab Seite 96: Test Porsche Carrera RS 3.8
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher
Komplett überbewertet, das Auto. Wie fast alle 911er
PS. Ich bin nicht Spekulant sondern Sportfahrer und ehemaliger, mehrfacher Besitzer und Fahrer luftgekühlter 911er.
Dann melden Sie sich an (Login).