Fast alle Sportwagenbauer des Sechzigerjahre setzten auf Stahlrohre oder Stahlblech bei der Konstruktion ihrer Fahrgestelle. Marcos aber baute das Chassis mit verleimten Sperrholz-Platten, aus 386 Einzelteilen. Aber nicht nur deshalb war der Marcos GT etwas besonderes.
Der dritte Anlauf
Der Marcos GT, der 1964 dem Publikum vorgestellt wurde, war nicht der erste Marcos. Bereits 1959 bauten Jem Marsh und Frank Costin - aus den ersten Buchstaben der Nachnamen entstand die Markenbezeichnung - einen ungewöhnlichen Sportwagen, der über ein Holz-Monocoquechassis verfügte und auch für die Karosserie teilweise auf den Naturbaustoff zurückgriff. Optisch überzeugte der Wagen nicht unbedingt, aber auf der Rennstrecke demütigten Marcos-Rennwagen - bis 1962 wurden einige Dutzend dieser Fahrzeuge gebaut - ihre Konkurrenten.
Der zweite Anlauf fand dann ohne Frank Costin statt. Der “Fastback” wies wiederum ein Holz-Chassis, aber eine Karosseriehaut aus Polyester aus. Es sollte dies aber nur ein Übergangsfahrzeug sein, von dem etwa 25 Stück verkauft wurden.
Der grosse Wurf kam mit dem Nachfolger Marcos GT von 1964.
Design für ein halbes Jahrhundert
Die Gestaltung des Marcos GT übernahm wiederum Dennis Adams und das Ergebnis war eine Sensation bei der Fahrzeugpräsentation an der Racing Car Show in London im Jahr 1964. Der Marcos GT war ultraflach und gleichzeitig etwa im Vergleich zu einem Lotus Elan relativ gross. 4,08 Meter Länge, 1,62 Meter Breite und 1,14 Meter Höhe ergaben eine dramatische und dynamische Erscheinung, unterstützt durch die lange Fronthaube mit den zweimal zwei unter Plexiglas angeordneten Scheinwerfern und einem kurzen Fastback-Heck. Auf jeden Fall war der GT deutlich hübscher als seine Vorgänger.
Tatsächlich war das Design so langlebig, dass sich selbst Nachfolgemodelle wie Mantula, Martina, Mantara und deren Nachkommen kaum vom 1964 vorgestellten GT unterschieden und sogar Marcos-Fahrzeuge im neuen Jahrtausend atmeten noch die Design-DNA, die 50 Jahre früher erstmal der Öffentlichkeit gezeigt wurde.
Holz statt Stahl
Beim Fahrgestell betrat man hingegen kein Neuland und griff weiterhin auf die Holzkonstruktion mit 386 verleimten Einzelteilen zurück, die den Vorteil hatte, dass sie mit minimalem Werkzeugaufwand in rund 35- bis 40 Stunden zusammengebaut werden konnte. Man war bei Marcos überzeugt, dass die Torsionssteifigkeit bei geringerem Gewicht mit vergleichbaren Stahlchassis mithalten konnte und dass man ab 1969 dann doch auf einen Rohrrahmen überging, hatte wohl primär fertigungstechnische Gründe.
An das Holzchassis wurden dann die mechanischen Teile angeschraubt, also Motoren von Volvo und Ford, Trapezdreieckslenker für die vorderen und eine Starrachse mit Längslenkern und Panhardstab für die hinteren Räder. Vorübergehend gab es auch eine Version mit einer abgewandelten DeDion-Hinterachse, die aber mit unangenehmem Mitlenken auf sich aufmerksam machte.
Gebremst wurde mit Scheiben und Trommeln, auf Wunsch gab es auch hinten Scheibenbremsen.
Die Karosserie wurde am Stück in Polyester gefertigt, die grosser und vollständig herunterklappbare Haube war natürlich separat.
Im Innern gab es zwei Schalensitze. “In sportlichen Fahrzeugen sind die Sitze ein wichtiges Kapital”, schrieb die Automobil Revue anlässlich einer Probefahrt mit der 1500-er-Version des GT, “man stellt fest, dass Marcos Wettbewerbe bestritt und heute noch bestreitet, denn die Sitze sind sehr gut geformt, nur die Polsterung dürfte grossszügiger sein; für einen Sportwagen ist der Innenraum - trotz des immensen Getriebe- und Kardantunnels - recht gross ...”.
Als Bausatz oder Fertigmodell
In England wurde der Marcos wegen der Steuervergünstigungen gerne als Bausatz für 1’485 Pfund angeboten, der fertige Wagen kostete in der Schweiz rund 20’000 Franken. Es gab mannigfaltige Optionen zu kaufen, so z.B. Speichen- oder Magnesiumräder, ein Achtspurtonband, Sicherheitsgurten, Nebellampen, Rückfahrlampen, Lederausstattung, Überrollbügel sowie etwa zusätzliche Sitzkissen für kleinwüchsige Fahrer.
Als Standardfarben wurden 1967 Rot, Weiss, Gelb, Silberblau, Braunrot oder Hellgrün angeboten, das Interieur wurde entweder in Rot oder Schwarz ausgeliefert.
Die ersten GTs wurden mit Volvo-Motoren ausgeliefert, ab 1966 aber wurden für die Fahrzeuge mit Holzrahmen vorwiegend Ford-Motoren mit 1,5 und 1,6 Litern Hubraum verwendet. Knapp über 400 dieser GTs verliessen zwischen 1964 und 1969 das Werk in Bradford-on-Avon.
Marcos oder Lotus Elan?
Der berühmte Gegenspieler des Marcos GT war der Lotus Elan, vorgestellt im Jahr 1962 und wie der Marcos kontinuierlich verbessert. Die englische Zeitschrift “CAR” publizierte im November 1968 einen “Giant Test” der beiden Konkurrenten und verglich den Marcos 1600 GT mit 100 PS mit dem Lotus Elan S4 mit 106 PS.
Auf den ersten Blick schienen die beiden Sportwagen ähnlichen Ideen zu entstammen, denn sie verfügten beide über Motoren, die ursprünglich von Ford stammten, verzichteten auf eine selbstragende Karosserie und nutzten Kunststoff für die Aussenhaut. Damit waren die Gemeinsamkeiten aber erschöpft. Der Marcos war grösser und gleichzeitig deutlich flacher als der Lotus Elan, Gewichtsmässig wog der Marcos mit seinen rund 735 kg etwas mehr als der Lotus, entsprechend kam er auch fahrleistungsmässig nicht ganz an den Lotus heran, auch verbrauchsmässig hinkte der Marcos dem Konkurrenten etwas hinterher.
So lautete denn auch das Fazit der CAR-Schreiberlinge, dass man beim Marcos gerne noch etwas mehr hätte, ein grösserer Motor, ein etwas edleres und besser verarbeitetes Interieur sowie ausgefeiltere Fahrwerkskomponenten. Diesem Wunsch gab Marcos dann ja auch später nach, als der Marcos ab 1969 mit Ford-V6-Motoren, später zusätzlich mit Volvo- und Triumph-Sechszylindern geliefert wurde.
Der Marcos schnitt aber gegen den Platzhirsch Lotus Elan nicht etwa schlecht ab! Insbesondere die Sitze und die Sitzposition überzeugte die Journalisten damals. Sie notierten aber auch, dass ein Marcos-Fahrer immer mit Schraubenschlüssel unterwegs sein müsse, um Schrauben, die im Holz halt relativ schlecht griffen, nachziehen zu können ....
Liegend im Marcos 1600 GT
In kaum einem anderen Fahrzeug der Sechzigerjahre sitzt man so tief - mit dem Hintern nur wenige Zentimeter über der Strassenoberfläche - und so liegend wie in einem Marcos. Die ausgestreckten Füsse finden die Pedale weit vor dem Lenkrad. Die Sitze sind fest eingebaut, um Pedale und Lenkrad optimal erreichen zu können, sind jene einstellbar. Die Fusspedalerie kann man mittels eines Drehknopfes am Armaturenbrett verschieben, für die Anpassung des Abstands zum Lenkrad allerdings sind umfangreichere Umbauten und eine Teildemontage des Armaturenbretts nötig.
Selbst grosse Fahrer über 1.90 Meter finden Platz im flachen Sportwagen, keine Selbstverständlichkeit vor 50 Jahren und nicht zuletzt dem mit 1,95 Meter Länge überdurchschnittlich langen Designer Dennis Adams zu verdanken. Ist der Fahrer zu klein, muss er sich mit Sitzkissen, die man sogar ab Werk kaufen konnte, behelfen.
Das Lenkrad scheint auf den ersten Blick nach unten geneigt zu sein, in Wahrheit steht es aber nur ausserordentlich gerade, was natürlich im Zusammenhang mit der tiefen Sitzposition auch Sinn macht.
Es brummt tüchtig
Der komplette Antriebsstrang stammt vom Ford Cortina, der Motor wurde von Marcos mit offiziell vom Ford Performance Center erhältlichen Teilen auf rund 100 PS gebracht. Auf einen DOHC-Zylinderkopf, wie ihn der Lotus Elan hatte, musste der Marcos verzichten, was aber seiner Drehfreude bis jenseits von 6500 U/min keinen Abbruch tat, wie CAR damals notierte.
Im Innern wird es ab 120 km/h so richtig laut, was den echten Sportwagenfan kaum erschüttern dürfte. Der Motor bietet viel Durchzug und hängt gut am Gas.
Das Fahrwerk gehört zur strafferen Sorte, hält aber zur Härte eines Morgans jener Zeit noch tüchtig Abstand. Auf guten Strassenoberflächen tut auch die Starrachse hinten ihren Dienst auf unauffällige Weise.
Auch die Bremsen geben, nicht zuletzt wegen des damals aufpreispflichtigen Bremskraftreglers, zu keiner Kritik Anlass.
Trotz der vergleichsweise kompromisslosen und unkonventionellen Bauweise ist der Marcos GT kein Fahrzeug, welches nur schnelle Zeiten bei Berg- oder Rundstreckenrennen taugt, obschon der Wagen gerade dort auch heute noch eine Referenz ist.
Vielmehr kann man mit dem Marcos auch zu Zweit ins Wochenende verreisen, selbst etwas Gepäck kann man dabei mitnehmen. Das meist eingebaute Rolldach verhindert einen Hitzestau im ansonsten nicht übermässig gut durchlüfteten Marcos und erzeugt fast cabrio-mässige Fahrgefühle.
Wer aber Volksaufläufe und neugierige Passanten scheut, die den extravertierten und wohltönenden Wagen gerne kennenlernen, der sollte vielleicht zu einem unauffälligeren Fahrzeug greifen.
Aufwändig restauriert
Der für diesen Bericht portraitierte Marcos 1600 GT mit Baujahr 1967 wurde von Besitzer Adrian Müller komplett restauriert. Kaum ein Marcos-Holz-Chassis übersteht 50 Jahre ohne korrigierende Eingriffe. Das Holz wird in einem langen Autoleben harten Anforderungen unterworfen, in den Radhäusern wird es ständig Spritzwasser und Steinschlag ausgesetzt. Und auch gegen Holzwurmbefall ist es nicht gefeit. Auch der Kunststoff der Karosserie altert und verlangt nach Aufmerksamkeit. Die Mechanik von Ford bereitet dagegen wenig Kopfzerbrechen und so ist die Überlebensrate der Holz-Marcos-Generation vergleichsweise hoch. Preislich liegen gute Fahrzeuge heutzutage im mittleren fünfstelligen Euro-/CHF-Bereich.
Wer gerne einmal selber Marcos-Fahrzeuge genauer anschauen möchte, sei auf das Treffen der Kunststoffautos “Fantastic Plastic” verwiesen, welches dieses Jahr wieder am 17. Mai 2014 in Rain und im Verkehrshaus Luzern stattfindet. Marcos ist dieses Jahr anlässlich des 50. Geburtstags des Marcos GT als Ehrenmarke eingeladen.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 23/1967 vom 18. Mai 1967 - Seite 19: Fahrbericht Marcos 1500 GT
- CAR, November 1968, ab Seite 42: Giant Test Marcos 1600 vs Lotus Elan S4
- Oldtimer Markt Heft 10/1996, ab Seite 220: Marcos - die Holzchassis-Modelle
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