Es gibt Rennauto-Legenden mit Lackierungen, die jeder Motorsport-Fan sofort erkennt. Zum Beispiel den Gulf-Porsche 917 in Hellblau und Orange, der unvergessen bleibt durch seine Erfolge in Le Mans und anderen Langstreckenrennen. Auch der Lotus 72, der gleich während mehrerer Saisons in der Formel 1 Siege und Meisterschaften feierte, ist mit seiner JPS-Lackierung in Schwarz und Gold ein solcher Hingucker.
Aus derselben Motorsportschmiede, die 1962 noch in Chestnut residierte, stammte auch die Konstruktion des Lotus Cortina, der korrekt Ford Lotus Cortina hiess. Dank seiner weissen Lackierung mit den grünen Seitenstreifen dürfte er manchem Konkurrenten damals wie heute ein "Schreck im Rückspiegel" gewesen sein. Er war nur schwer abzuhängen, und besonders vor und in den Kurven war er schneller als die PS-stärkere Konkurrenz.
Der Lotus Cortina fuhr bei Rundstreckenrennen für Tourenwagen in den Sechzigerjahren unzählige Siege ein, und ist noch heute bei klassischen Rennveranstaltungen ein gerne gesehener und sehr erfolgreicher Gast.
Aus Chapmans Idee entstanden
Den Grundstein zu diesen Erfolgen legte Colin Chapman 1961, als er eine Alternative zum bisher verwendeten relativ teuren Coventry Climax Motor suchte. Er beauftragte den Konstrukteur Harry Mundy, aus dem Ford Kent Motor mit 1.5 Liter Hubraum mehr Leistung zu holen. Dies gelang Mundy schliesslich durch Feintuning und der Verwendung von doppelten obenliegenden Nockenwellen, Weber-Doppelvergaser und einem Zylinderkopf aus Leichtmetall. Kurz darauf wurde der Hubraum auf knapp 1.6 Liter erhöht. Der Lotus Cortina konnte in drei Varianten mit 106, 115 und 140 PS bestellt werden. Im Laufe seiner Evolution konnte die Leistung auf über 150 standfeste Pferdestärken gesteigert werden.
Mundy tüftelte seit Jahren mit Keith Duckworth an Rennmotoren, um maximale Leistung bei höchster Haltbarkeit zu erreichen. Duckworth hatte 1958 mit seinem Freund Mike Costin die Motorenschmiede Cosworth gegründet, die später durch die Konstruktion des legendären DFV-Motor in die Annalen der Formel 1 einging!
Erfolgreicher Start
Jim Clark startete 1962 am Nürburgring auf einem Lotus 23 mit dem neu entwickelten 1.5 Liter Lotus-Ford-Motor, erreichte das Ziel aber nicht. Im September desselben Jahres gelang ihm jedoch ein zweiter Platz beim Rennen in Oulton Park, im Folgejahr fuhr er auf derselben Rennstrecke sogar den Sieg heraus.
Auch im Seriensportler
Colin Chapman setzte den Motor auch im 1962 vorgestellten Lotus Elan ein, als ihn eine Anfrage von Ford erreichte. Walter Hayes wollte von Chapman wissen, ob es möglich wäre, eintausend Ford Cortina mit dem neuen Motor zu bestücken, um die Homologation für die Rennen der Gruppe 2 der "Touring Car Championship" zu erreichen. Obwohl Lotus damit beschäftigt war, die Nachfrage des neuen Elan zu befriedigen, sagte Chapman zu. Der Rest ist Geschichte…
Zusammenbau beim Spezialisten
Ford lieferte die Cortina Karosserien an Lotus und übernahm die Promotion und den Verkauf. Lotus baute die Motoren ein, die nach der Leistungskur vorerst 106 PS und 146 Newtonmeter bei 5500 U/min leisteten. Der Sprint von null auf 100 km/h dauerte knapp 14 Sekunden, und als Höchstgeschwindigkeit wurde 174 km/h angegeben.
Anfangs war J A Prestwich Industries in Tottenham für die Leistungssteigerung zuständig, später Villiers Engineering in Wolverhampton. Erst als Lotus nach Hethel zog, wo der Sportwagenhersteller heute noch residiert, war die Kapazität vorhanden, die Motoren selber zu optimieren. Im Laufe seiner Produktionszeit konnte die Leistung der Rennversion auf über 150 PS gesteigert werden.
Optimierung auch beim Fahrwerk
Die Hinterachse der Ford Cortina Serienmodelle verfügte nur über Blattfedern, was für den Renneinsatz nicht sehr vielversprechend war. Bei den Lotus-Modellen wurde die sie deshalb mit Längslenkern, Dreiecksquerlenkern und Schraubenfedern geführt. Das Differentialgehäuse war aus Aluminium gefertigt, um die ungefederte Masse zu reduzieren. Für die Verzögerung sorgten Girling-Scheibenbremsen vorne und Trommelbremsen hinten, und für ausreichend Bodenhaftung standen 5.5 und 6.5 Zoll breite 13'' Felgen zur Auswahl. Die Gänge wurden über das kurz übersetzte Vierganggetriebe aus dem Lotus Elan sortiert.
Leichter ist schneller
Colin Chapman war berühmt-berüchtigt dafür, dass er sich ganz dem Leichtbau verschrieben hatte. Eines seiner berühmtesten Zitate war: "Mehr Leistung macht Dich auf den Geraden schneller – weniger Gewicht macht Dich überall schneller". So war es nur eine logische Konsequenz, dass beim Lotus Cortina Aluminium für die Türen, den Kofferraumdeckel und die Motorhaube verwendet wurden.
Um eine höhere Verwindungssteifigkeit zu erreichen, wurden Streben hinter den Sitzen verbaut. Zur besseren Gewichtsverteilung wurde die Batterie vom Motorraum in den hinteren Bereich des Fahrzeuges verlegt Als einzige Farbe war ab Werk weiss (Ermine White) und ein grüner Streifen (Sherwood Green) auf beiden Seiten erhältlich.
Temperamentvolle Limousine für Familie und Geschäft
Die Testfahrer attestierten dem Lotus: "Der Cortina Lotus ist eine brauchbare Limousine für Familie und Geschäft geblieben. An Rasse, Beschleunigung (besonders im oberen Geschwindigkeitsbereich), Tempo und vor allem an Fahrsicherheit hat er enorm gewonnen. Er bezahlt diese Leistungssteigerung mit einer besonders im Stadtverkehr feststellbaren Einbusse an Elastizität, einem lauteren, rauheren und vibrationsreicheren Lauf, einem höheren Verbrauch, einem wesentlich höheren Preis und mit grosser Wahrscheinlichkeit auch einer geringeren Lebensdauer. Die so sportlich ausgelegte Maschine gibt alles, was man von ihr erwartet. Bei aller Rasse erwies sie sich über die Prüfstrecke von 3000 km als unempfindlich und gebrauchstüchtig. Im Leerlauf ist ein deutliches Geklapper vom Ventilantrieb her zu vernehmen, und zwischen 5500 und 6000 U/min nehmen die Geräusche erneut sehr stark zu; dazwischen ist der Motor nicht übermässig laut, und sein Auspuff wird auch bei Vollgas nicht als lästig empfunden. Es ist aber nicht angezeigt, bei weniger als etwa 2200U/min voll zu beschleunigen, da sonst der Motor Vibrationen und Schüttelbewegungen erzeugt. Bei etwas über 3000 U/min steigt das Drehmoment rasch an und erreicht bei rund 4000 U/min sein Maximum. Von 5500 U/min an sinkt die Leistung wieder, und beim Testwagen setzte die Zündung bei 6200U/min aus. Das ist kein Konstruktionsfehler, sondern volle Absicht, denn der Motor ist mit einem Drehzahlbegrenzer (Fliehkraftregler im Unterbrecher) versehen, der jedes Überdrehen ausschliesst."
Gute Chancen
Der knapp 4.30 Meter lange und 1.60 Meter schmale Lotus Cortina hatte alle Voraussetzungen, auf der Rennstrecke erfolgreich zu sein. Dank des Leergewichts von nur rund 900 Kilogramm reichte ihm die Leistung des Vierzylindermotors bestens aus. Die Lotus-Version des Cortina wurde im September 1963 homologiert, und trat ab 1964 unter anderem in der "British Saloon Car Championship" an. Jim Clark, der Formel 1 Weltmeister von 1963, konnte in sieben von acht Rennen den Klassensieg erringen, und gewann die Meisterschaft auf Anhieb.
Zivile Varianten
Die 1962 vorgestellte Cortina Strassenversionen war zwischen dem kleineren Anglia und dem Consul agesiedelt. Es gab ihn nicht nur zweitürig wie den erfolgreichen Lotus Cortina, sondern auch mit vier Türen. Diese technisch braveren Ausführungen waren in den Sechziger- und Siebzigerjahren besonders in Grossbritannien ein grosser Erfolg. Die starre Hinterachse wurde an Blattfedern aufgehängt, und die ganze Karosserie war aus Stahl gefertigt. Für den Vortrieb sorgten Vierzylindermotoren mit 1,2 und 1,5 Liter Hubraum, seitlicher Nockenwelle und einer Leistung von 46 respektive 58 PS. Später wurde auch ein 1.6 Liter Motor mit obenliegenen Nockenwellen angeboten, der rund 75 PS leistete.
Fortschrittliche Konstruktion der Basislimousine
Die AR Zeitung Nr. 41 vom 20. September 1962 lobte die neue Leichtbau-Konstruktion und die Steifigkeit des neu vorgestellten Cortina:
"In der sparsamen Mittelklasse, zu der auch der neue Ford Cortina gehört, spielt das Gewicht neben der Grösse des Innenraums eine für die Fahrleistungen bedeutsame Rolle, dies deshalb, weil die Motorleistung aus wirtschaftlichen Gründen (Steuer-PS und Verbrauch) ein gewisses Mass nicht übersteigen kann. Wenn an der Karosserie das Gewicht einer Person (ca. 75 kg) eingespart werden kann, wirkt sich das auf die Beschleunigung und Bergsteigefähigkeit spürbarer aus als bei Wagen mit stärkeren Motoren.
Der Trend zur leichtgebauten aber sehr resistenten selbsttragenden Karosserie wurde bei den englischen Ford-Werken durch Don Ward, den Chefkonstrukteur für Karosserien, mit aller Gründlichkeit verfolgt. Das Ergebnis war ein Gesamtgewicht von 750 kg bei der zweitürigen und ein solches von 767 kg bei der viertürigen Karosserie. Trotzdem hat der Cortina bei den härtesten in Dagenham je durchgeführten Zerreissproben am besten abgeschnitten, sowohl gegenüber den grösseren Modellen wie gegenüber anderen Ford-Karosserien gleicher Grösse. Der Boden, das Dach, und die Seitenwände teilen sich dabei die Beanspruchung".
Praktischer Kombi
Im März 1963 schob Ford den fünftürigen Kombi nach, den die Engländer "Estate" nannten. Bei umgeklappter Rückbank war die Ladefläche knapp 2 Meter lang. Der Estate war also nicht nur für Handwerker und Familien geeignet, zwei Personen konnten sich darin sogar einen Schlafplatz einrichten, wenn die Ansprüche nicht zu hoch waren.
Die Fläche des Laderaums wurde galvanisiert, um vor Rost zu schützen, und in Wagenfarbe lackiert. In der "Super"-Ausführung wurden die Seiten und das Heck mit "DI-NOC"-Folie im Holzfurnier-Design beklebt, die eigens aus den USA importiert wurde. Vielleicht erhoffte sich Ford, solchermassen dekorierte Modelle über den Teich verkaufen zu können ...
Nicht ab Werk
Einen schnelle Kombi mit Lotus-Motor gab es bei Ford nicht ab dem Fliessband. Nur die zweitürigen Limousinen wurden zum strassentauglichen Renntourenwagen konvertiert. Für ihn sprach das niedrigere Gewicht und die höhere Verwindungssteifheit, im Rennsport entscheidende Kriterien. Ob es damals schon einen Markt für einen über 100 PS starken viertürigen Kombi gegeben hätte, ist fraglich.
Wäre auch der "Estate" genannte Kombi in den Genuss der Lotus-Optimierungen gekommen, hätte man es mit einem veritablen Vorgänger späterer Sportkombis wie dem Audi RS2 oder dem Mercedes-Benz C43 T zu tun gehabt.
Express-Kombi als Umbau
So müssen wohl die Macher des porträtierten Ford Lotus Cortina Estate gedacht haben. Sie verpflanzten einen Lotus-Twincam-Motor der letzten Ausbaustufe mit rund 150 PS in einen viertürigen Kombi.Anstelle des Viergang- wurde ein Fünfganggetriebe verbaut, und verzögert wird mit Scheibenbremsen an allen vier Rädern. Die Karosserie erstrahlt in "Ermine White" mit den Seitenstreifen in "Sherwood Green". Der Fahrer nimmt auf einem Recaro-Sitz Platz, währen die Passagiere auf den originalen Ford-Sitzen mitfahren.

Auch das Armaturenbrett wurde aufgewertet, aber auch es entspricht nicht der Lotus-Cortina-Konfiguration. Das Ergebnis überzeugt trotzdem optisch und ist sicherlich auch für viel Fahrfreude gut. Am Goodwood Revival oder bei anderen historischen Rennen, wo strikt auf Originalität geachtet wird, dürfte der schnelle Kombi kaum zugelassen sein. Aber das Unikat wird an jedem Treffen für britische Oldtimer oder bei Klassikertreffen für Aufsehen sorgen.
Einmalig
Ersteigern kann man das besondere Einzelstück an der RM/Sotheby's Auktion "The Elkhart Collection" , die für den 23. und 24. Oktober 2020 geplant ist.
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