Strandautos waren in den späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren populär. Reiche und bekannte Leute wie Aristotele Onassis, Yul Brynner, Enrico Berlinguer oder Silvio Berlusconi kauften sich einen Fiat 500 Jolly, um ihn beim Strandhaus am Meer, auf der Yacht oder auf dem Golfplatz zu parken.
Den Strandwagen erfunden hat Farina, aber es gab sie auch von Fissore und Vignale. Die meistproduzierten Wagen dieses Typs sind aber sicher die von Ghia in kleinen Serien hergestellten Jolly-Modelle auf der Basis des Fiat 500 und 600.
Die Geburt des ersten Fiat Jolly
Den Anlass für die Entwicklung des Fiat 500 Jolly soll der italienische Playboy Gianni Agnelli gegeben haben. Für seine 82 Fuss lange Yacht Agneta brauchte er ein Landfahrzeug, das gleichzeitig leicht, offen und auf engem Platz manövrierfähig war. Als Vorsitzender von Fiat verfügte er natürlich die Mittel und Möglichkeiten, eine derartige Idee umsetzen zu lassen.
Er sandte 1957 ein Exemplar des gerade eben neu im Markt eingeführten Fiat 500 mit Zweizylindermotor zur Carrozzeria Ghia mit dem Auftrag, daraus ein leichtes Strandfahrzeug zu bauen.
Entlang seinen Vorgaben wurden unter der Leitung von Sergio Sartorelli Dach und Türen entfernt und als Sitze Korbstühle eingebaut.
Zur Sicherstellung der Stabilität des enthaupteten Fiats - das Modell 500 verfügte über eine selbsttragende Karosserie - brachten die Ghia-Leute zusätzliche Verstärkungen unter und über dem Blech an, die Modifikationen wurden mit Blei vergossen. Der Wagen wurde als “Jolly de Plage”an verschiedenen Autoausstellungen, unter anderem in Turin im Jahr 1957, gezeigt.
Standardtechnik
An der Technik musste die Carrozzeria Ghia nicht schrauben, der Fiat 500 Jolly nutzte denselben luftgekühlten Zweizylindermotor mit 479 cm3 und 15 PS wie die normale Fiat 500 Limousine im Heck. Auch die Aufhängungen - vorne Einzelradaufhängung mit stabilisierender unterer Querfeder und obern Dreieckslenkern, hinten Einelradaufhängung mit schrägem Dreieckslenker und Schraubenfedern, jeweils mit hydraulischen Teleskop-Stossdämpfern - blieben serienmässig.
Ein sofortiger Hit bei den oberen Zehntausend
1957 kostete ein neuer Jolly in den USA $ 1’760, also ungefähr das Doppelte des Serienmodells Fiat 500, der für $ 998 auf der Preisliste stand. Dies hinderte die oberen Zehntausend aber nicht daran, sich einen Jolly zuzulegen. Man fand die Autos bald auf manchem Schiff und in vielen mondänen Häfen, von Monaco bis Palm Beach. Aristotele Onassis soll drei Fahrzeuge sein Eigen genannt haben, Yul Brynner, John Wane, Grace Kelly und Mae West fuhren den Fiat-Strandwagen, sogar US-Präsident Lyndon Johnson steuerte einen Jolly auf seiner Ranch in Texas.
Viele Derivate
Aus den anfänglich in geringen Stückzahlen wurde über die Zeit eine beträchtliche Serie. Insgesamt sollen rund 650 Jolly-Varianten gebaut worden sein bei Ghia. Neben dem ursprünglichen Modell 500 Jolly entstand auch Varianten auf der Basis des normalen Fiat 600 und auf weiteren Fiat 500/600-Fahrgestellen.
Die Automobil Revue schrieb in ihrer Salonausgabe 1959:
“Fröhliche Frühjahrsstimmung herrscht auf dem Stand von Ghia Turin. Zwei wunderhübsche Strandwägelchen, wie sie an den jüngsten Turiner Autosalons immer gezeigt wurden, erwecken Ferienstimmung bei den Besuchern. Auf dem Unterbau des Fiat 600 (Zwischengas: Multipla) hat Ghia einen dachlosen Sechssitzer mit Bänken aus Korbgeflecht entwickelt, dessen Hinterabteil mit einander gegenüberliegenden Sitzbänken versehen ist.
Der gleiche Wagentyp ist auch als vierplätziger Fiat 500 gezeigt. Die Seiten dieser Wagen sind ausgeschnitten und statt mit Türen mit verchromten Haltestangen versehen.”
Zudem entstand auch eine Jolly-Version auf der Basis des Fiat 500 Giardinera, die einen zusätzlichen Kofferraum bot hinter den Sitzen.
Beliebte Sammlerfahrzeuge
Etwa 100 der meist in fröhlichen Farben lackierten Jolly-Fahrzeuge sollen bis heute überlebt haben, viele wurden restauriert und sie tauchen immer häufiger auch an Versteigerungen auf, wo sie beträchtliche Preise erzielen.
Bonhams versteigerte einen Fiat 500 Jolly im Jahr 2013 in Boca Raton für Euro 40’656 respektive CHF 49’104, Gooding schaffte es in Pebble Beach 2013, einen Fiat 600 Jolly von 1959 gar für Euro 111’375 oder CHF 136’620 an den Mann zu bringen, RM Auctions senkte den Hammer 2013 in Arizona für einen Fiat 500 Jolly von 1958 bei Euro 50’625 oder CHF 62’775 (ohne Aufpreis).
Sie sind also teuer geworden und erreichen in restauriertem Zustand längst deutlich mehr als das Doppelte des Wertes eines gut erhaltenen Fiat-500-Basismodells.
RM wird am 16./17. Januar 2014 in Arizona wiederum einen restaurierten Fiat 500 Jolly anbieten, der Schätzpreis wurde bei USD 65’000 bis 75’000 angesetzt.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 47 / 1957 vom 06.Nov.1957: Turiner Salon 1957 - Strandautos
- AR-Zeitung Nr. 13 / 1959 vom 18.Mrz.1959: Genfer Autosalon 1959