Selbst bei Alfa Romeo intern wurde das Modell ES30 SZ “Il Mostro” (also Monster) genannt und dies hatte der sportliche Wagen ausschliesslich seiner Formgebung zu verdanken. Tatsächlich sah der “Experimental Sportscar” mit drei Litern Hubraum (also ES30) sehr ungewöhnlich aus, war in seinem Charakter aber eigentlich ein handzahmes Fahrzeug, mit dem man leicht zurechtkam.
Design von Fiat
Nicht Zagato, in früheren Jahren verantwortlich für Schönheiten wie der Aston Martin DB 4 GT Zagato oder der Alfa Romeo Giulietta Sprint Zagato, hatte der der Fiat-Konzern, dem Alfa Romeo seit 1986 gehörte, den Auftrag für die Gestaltung des neuen Coupés gegeben, sondern dem eigenen Design-Center. Dort nahmen sich Robert Opron und Antonio Castellana der Aufgabe an. Sie entwarfen ein kompromissloses Coupé mit hohem Wiedererkennungswert.
Die Automobil Revue beschrieb das Ergebnis als “provokatives Styling” und tatsächlich eckte das sicherlich nicht nach rein ästhetischen Gesichtspunkten entworfene zweisitzige Coupé bei den Betrachtern an. Aber es erregte auch Aufsehen. So zum Beispiel im März 1989, als es der Öffentlichkeit erstmals am Genfer Autosalon präsentiert wurde. So mancher Besucher zuckte damals wohl zusammen, aber vorbeischauen konnte keiner.
Effizienz vor Ästhetik
Den Entwicklern von Fiat und Alfa Romeo ging es also offensichtlich nicht um Eleganz, sondern um Effizienz. Und hier zogen sie alle Register. Mit Computern und Windkanalversuchen wurde der SZ (für Sprint Zagato) auf einen cw-Wert von 0.30 getrimmt, was angesichts der kantigen Form auf viel Feinarbeit hinweist. Zudem strebten die Ingenieure einen “Ground Effect” wie bei Formel-1-Autos an, d.h. der Wagen sollte durch die Führung des Windstroms an den Boden angesaugt werden. Auch dies gelang und führte zu möglichen Querbeschleunigungen von bis zu 1.4 g (mit den entsprechend optimierten Reifen zusammen). Beeindruckend für die Zeit!
Die dafür erforderliche geringe Bodenfreiheit von nur sechs Zentimetern führte allerdings auch dazu, dass eine aus dem Cockpit bedienbare Niveauregulierung mit fünf Zentimeter Hub nötig wurde, damit man die im Strassenverkehr nicht allzu seltenen Unebenheiten ohne Folgeschäden überwinden konnte.
Rennsportliche Basis
Als Basis für den dank CAD-Hilfe in nur neunzehn Monaten von der Idee zum produktionsbereiten Sportwagen entwickelten Wagen verwendeten die Ingenieure den Alfa Romeo 75 in Gruppe A/IMSA-Auslegung. Den Radstand von 251 Zentimeter liess man genauso unverändert wie die Anordnung von Motor (vorne) und Getriebe (hinten, Transaxle). Natürlich verbaute man nicht den Rennmotor, sondern einen auf 210 PS leistungsgesteigerten Dreiliter-V6 des Alfa Romeo 75 America.
Für das Fahrwerk griff man ebenfalls auf den Alfa 75 zurück, Renn-Ingenieur Giorgo Pianta modifizierte es aber gründlich, um dem Sportwagen-Charakter des ES30 gerecht zu werden. Mit Teleskop- statt Torsionsstabfedern und Uniball-Gelenken konnten den übernommenen doppelten Querlenkern sportliche Radführungseigenschaften anerzogen werden. Auch die hinteren DeDion-Starrachse optimierte man in ähnlicher Weise und man stellte die Antriebsräder auf Vorspur und negativen Sturz ein. Die hinteren Scheibenbremsen aber verpflanzte man vom Differential zur Felge, womit man zwar die ungefederten Massen erhöhte, dafür aber die Kühlfähigkeit der Bremsen verbesserte.
Finessen in der Fertigung
Ähnlich wie der Renault Espace wurde der Alfa Romeo RZ mit Kunststoffelementen beplankt, die sich über ein torsionssteifes Metallskelett schmiegten. Das Dach bestand aus Aluminium, die Kunststoffteile wurden mit einem speziellen Verfahren mit Pressformen und nachträglichem Injizieren des Harzes erzeugt. Dieses Verfahren wirkte sich nicht nur positiv auf die Kosten sondern auch auf die Glätte der Oberfläche aus.
Komplett ausgestattet und teuer
Ein primitiver und auf minimales Gewicht optimierter Sportwagen sollte der Alfa Romeo ES30 nicht werden. Im Gegenteil.
Eine komplette Ausstattung mit Klimaanlage, elektrischen Fensterhebern. Ledersitze und ein ledereingefasstes Armaturenbrett mit einer Karbon-Instrumententafel sollten den hohen Preis (DM 102’000, CHF 81’500) des in limitierten Stückzahlen gefertigten Coupés rechtfertigen. Der Luxus trieb aber auch das Gewicht nach oben, so dass mit rund 1260 kg nicht mehr wirklich von Leichtbau gesprochen werden konnte, trotz nur 4,06 Meter Länge und 1.73 Meter Breite.
245 km/h Spitze sollte das Coupé dank der guten Aerodynamik und trotz der vergleichweise üppigen Höhe von 1,31 Metern erreichen.
Fahraktiv
Die Handlingqualitäten überzeugten damals die erwartungsvollen Autojournalisten. Dank günstiger Gewichtsverteilung zeigte sich das Coupé handlich, auch die direkte Lenkung überzeugte mit gutem Fahrbahnkontakt. Nicht ganz überzeugen liessen sich die damaligen Probefahrer von der Tatsache, dass der SZ ohne ABS auskommen musste. Auch etwas mehr Leistung hätte sich mancher damals gewünscht und so kam schnell der Wunsch auf, dass man doch bald den ohnehin geplanten 32-Ventiler einbauen solle, da das Fahrwerk dafür sicher genügend Reserve habe. Doch dazu kam es (leider) nie.
Im Nachgang das Cabriolet
1036 Coupés, die mit Ausnahme eines Exemplars, das für Andrea Zagato in Schwarz gebaut worden waren, allesamt rot das Werk verliessen, wurden zwischen 1989 und 1991 gefertigt. Und da dies so ziemlich der ursprünglichen Zielsetzung entsprach, beschloss man gleich noch eine Variante als Nachfolger aufzulegen.
Man schnitt dem SZ sozusagen das Alu-Dach ab und erzeugte einen Roadster (RZ= Roadster Zagato). So leicht war dies allerdings nicht getan, denn die Grundplattform musste erheblich verstärkt werden, um nicht allzuviel an Torsionssteifigkeit zu verlieren. In der Folge mussten auch fast alle Karosserieteile angepasst werden. Die Frontscheibe wurde zugunsten der Optik flacher gelegt.
Die in Paris im Jahr 1992 präsentierte offene Version RZ wurde bis 1993 in nur 278 Exemplaren gebaut. Der noch höhere Preis (DM 140’000) und das wegen des um rund 120 kg erhöhten Gewichts etwas weniger agile Handling halfen nicht im Markt, zumal das Design noch der offenen Variante noch gewöhnungsbedürftiger wirkte als die provokative Optik des Coupés. Und auch die plötzliche Farbenvielfalt, den RZ gab es nun neben rot auch gelb, schwarz und silbermetallic, liess die Interessenten nicht Schlange stehen.
Auf dem Weg zum Sammlerstück
Rückblickend war der Alfa Romeo SZ/RZ der letzte heckgetriebene Wagen des italienischen Herstellers, zumindest bis zur Vorstellung der Modelle 8C und 4C im neuen Jahrhundert. Das “Monster” blieb selten, auch wenn die Überlebensrate vergleichsweise gross ist. Und so langsam scheint dies auch die Klassiker-Sammlergemeinde zu entdecken, denn seit kurzem werden gut erhaltene Modelle bereits auf Höhe des damaligen Neupreises eingeschätzt, wie die beiden Exemplare, die RM/Sotheby’s in London am 7. September 2015 versteigerte .
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 12 / 1989 vom 16. März 1989 - Seite 39: Italienische Neuheiten am Genfer Autosalon
- AR-Zeitung Nr. 17 / 1989 vom 20.Apr.1989 - Seite 25: Sportwagen mit Doppelfunktion - Alfa Romeo SZ
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher
Ein Wort zum Carbon: Bei Facel Vega waren die Armaturentafeln mittels kunstvoller Bemalung zu einer Edelholzoptik gelangt. Ich habe aber auch schon einmal einen HK 500 mit tatsächlich furniertem Armaturenbrett gesehen. Wer wann was warum für wenn gemacht hat lässt sich oft schwerlich klären. Ob Carbon oder Folie, wir wissen wie es aussah.
Dann melden Sie sich an (Login).