Eigentlich war die Shelby/AC Cobra, als sie 1962 herauskam, bereits ein Anachronismus. Das Chassis stammte aus dem Jahr 1952, das Design war nur zwei Jahre jünger. Aber mit den vergleichsweise leichten und sehr starken V8-Motoren von Ford erhielt der AC Ace ein zweites Leben als Cobra. Und schlug den Ferrari 250 GTO auf der Rennstrecke.
Abenteuerliche Entstehungsgeschichte
Darüber, wer welchen Anteil an der Entwicklung der Cobra hatten, kursieren unterschiedliche Geschichten. Eng involviert waren auf jeden Fall Carroll Shelby (Le-Mans-Sieger auf Aston Martin im Jahr 1959), Ed Hugus, Ford und AC (Derek und Charles Hurlock). Offenbar war Shelby bereits seit einigen Jahren AC-Verteter und er kannte daher den AC Ace gut. Er führte mit Ed Hugus lange Gespräche darüber, wie ein guter Sportwagen auszusehen habe.
Als AC der Nachschub an Bristol-Motoren ausging und Ford gleichzeitig nach Möglichkeiten suchte, einen neuen V8-Motor auf sportliche Weise voranzutreiben, da ergab sich die perfekte Gelegenheit. Doch nicht alle Mitspieler liessen sich so leicht begeistern wie Carroll Shelby. AC wollte das Geld im Voraus, Ford war skeptisch, ob das Produkt den hohen Ansprüchen genügen würde und war nur gegen Geld bereit, erste Motoren zur Verfügung zu stellen.
Ed Hugus lieferte schliesslich die flüssigen Mittel, doch der Haussegen hing bald schief zwischen ihm und Shelby. Trotzdem entstand so der erste Prototyp.
Der Prototyp CSX 2000
Das erste Chassis, das AC in die USA lieferte, wo es mit Motor und Getriebe komplettiert wurde, erhielt die Nummer CSX 2000. Es war bereits auf die Ansprüche von Shelby angepasst und verfügte über eine verbreiterte Spur und einen massiver dimensionierten Rohrrahmen. Ein Salisbury-Differential (wie beim E-Type) und innenliegende Girling-Scheibenbremsen (hinten) komplettierten die Anpassungen, neben einer leicht veränderten Karosserie und einer nun gebogenen Windschutzscheibe. Als Räder wählte Shelby 15-Zoll-Felgen mit breiteren Reifen anstatt der sonst üblichen 16-Zoll-Versionen bei AC.
Als Motor baute man den neuesten Fairlane-V8 mit 4261 cm3 ein, dem man 260 PS bei 5800 Umdrehungen zugestand. Der robust gebaute Achtzylinder verzichtete auf obenliegende Nockenwellen und Exoten-Attribute, war dafür aber deutlich günstiger und langlebiger. Zudem war das Potential für Leistungssteigerungen gross, man sprach damals von 325 PS und 7200 Umdrehungen, die erreicht werden konnten. Als Getriebe kam ein Borg-Warner mit vier Gängen zum Einsatz.
Road & Track erhielt bereits im Sommer 1962, kurz nach der Vorstellung in New York, die Gelegenheit, CSX 2000 zu testen. Die Autoren des im September-1962-Heft erschienenen Berichts notierten zwar einige ergonomische Schwächen und hohe Lenkkräfte, zeigten sich aber ob den erreichbaren Fahrleistungen - 0 bis 96 km/h in 4.2 s, 0 bis 161 km/h in 10.8 s, Spitze 246 km/h (bei 7000 Umdrehungen) - begeistert. Als Leergewicht wurde 916 kg gemessen, der Testwagen wog vollgetankt 1068 kg.
“The Cobra is a sports car with more «sport» than almost anything available at that price”, resümierten die RT-Redakteure und wollten damit sagen, dass die AC Ford Cobra, so wurde sie zunächst genannt, deutlich sportlicher sei als praktisch alle anderen Konkurrenten im selben Preisniveau (USD 5995).
Der Wagen überzeugte nicht nur Road & Track, sondern vor allem auch Ford, die nun ebenfalls ihre Chance sahen.
Renneinsätze als Basis für Verbesserungen
Carroll Shelby begann natürlich sofort nach der Ankunft der ersten Wagen damit, optimierte Versionen im Rennsport einzusetzen - ganz nach der Devise “Win on Sunday, sell on Monday”. Bei den ersten Renneinsätzen zeigten sich dann aber schnell die ersten Schwachstellen und so wurde die Konstruktion Teil um Teil optimiert, aber auch Ford brachte Produktions- und Serienknowhow ein, was zu weiteren Verbesserungen, aber auch zu einem höheren Gewicht führte.
Gottseidank war unterdessen Fords Motor von 4,3 auf 4,7 Liter gewachsen, was die Rennmotoren zu echten 350 PS beflügelte.
Die ganz besondere Cobra von Allen Grant
Bei Shelby arbeitete in jener Zeit auch der 22-jährige Allen Grant, der sich sozusagen seit Kindesbeinen mit Autos beschäftigt hatte. Mit 21 Jahren bereits fuhr er Rennen auf einem AC Ace Bristol, siegte bei einer Vielzahl, erkannt aber, dass für grössere Siege mehr Motorenleistung nötig war. Er hatte von Shelby gehört und sich bei ihm als Fahrer beworben, doch jener meinte, dass er genug Piloten, aber nicht genug Mechaniker habe. Und so begann Grant als Schweisser und nebenbei erledigte er, sozusagen als zweiten Job, auch noch Büroarbeiten und Verkaufstätigkeiten.
Als eines Tages Coventry Motors anrief, um einen Rennwagen zu bestellen, offerierte ihnen Grant den Wagen unter der Bedingung, dass er ihn modifizieren und fahren dürfe. Die Leute sagten zu und Allen plante, Carroll Shelby zu demonstrieren, was er als Fahrer draufhatte. Zusammen mit seinem Freund George Lucas (dem späteren Star-Wars-Regisseur/-Produzent) baute er die Cobra nach seinen Vorstellungen um und gab ihr eine grellgelbe Lackierung in “DuPont Yellow”, ergänzt um schwarze Steifen. Der Wagen sollte so richtig auffallen und das tat er auch, nicht zuletzt durch die beherzte Fahrweise Grants.
Beim Rennen in Riverside von 1963 trat Allen gegen die Werksfahrer Bondurant und Gurney an. Doch Bondurant traf den an zweiter Stelle liegenden Grant am Heck, worauf sich die gelbe Cobra drehte. Doch Grant konnte sich wieder nach vorne fahren und wurde schliesslich Zweiter hinter Bondurant, nachdem Gurney wegen technischer Probleme aufgeben musste. Es war ein Rennen der Cobras, der Ferrari 250 GTO im Feld konnte nicht mithalten, genauso wenig wie die anderen Sportwagen.
Grant jedenfalls erhielt später seine Chance, eine Werks-Cobra zu fahren, auch wenn er das Rennen in Riverside nicht gewinnen konnte.
Vom Prototyp zur Serie
Die von Ford und Shelby eingebrachten Verbesserungen machten die Cobra etwas schwerer und zumindest in der Strassenversion auch langsamer. Es war wiederum Road & Track, die dies in der Juni-Ausgabe von 1964 verifizierten. Der Spurt von 0 auf 96 km/h dauerte nun 6,6 Sekunden, 161 km/h wurden aus dem Stand in 14.1 Sekunden erreicht. Als Spitzengeschwindigkeit in dieser Testfahrt, die vermutlich etwas näher an der Realität lag als diejenige von 1962, wurden 139 MPH oder 224 km/h notiert.
“Die AC Cobra ist nicht nur einfach ein weiterer Sportwagen, bei dem jemand einen grossen V8 in den Motorraum plumpen liess, sondern ein sorgfältig konzipierter und entwickelter Wagen, der durch die Renneinsätze deutlich verbessert wurde. Er bietet aussergewöhnliche Fahrleistungen, ohne dass damit Probleme mit dem Teilenachschub oder der Wartung befürchtet werden müsste, wie es bei exotischen Sportwagen oft der Fall ist. Die AC Cobra ist ein Sportwagen im wahrsten Sinne des Wortes und, für jene Leute, denen Komfort nicht so wichtig ist, bietet er viel für das Geld”, schrieben die Road & Track-Autoren.
Das Biest in den Händen eines Rennfahrers
Ähnlich sah auch Paul Frére, der bekannte Rennfahrer und Autojournalist, die Stärken der Cobra. Er zeichnete allerdings ein feiner austariertes Bild des amerikanischen Sportwagens, schliesslich hatten die Shelbys zwar in Sebring gewonnen, auf dem Nürburgring oder in Spa aber keine Chancen gegen leistungsmässig schwächere Autos gehabt. Das ideale Terrain für die Cobra waren gemäss Frère Strecken mit nicht allzu schnellen Kurven, die durch kurze Geraden verbunden waren. Hier konnte die Cobra ihr enormes Beschleunigungsvermögen optimal einsetzen, während die Fahrwerksschwächen nicht so stark zum Tragen kamen.
Frère konnte den einzigen überlebenden Rennwagen, der auf dem Nürburgring und in Spa bereits gefahren war, ausprobieren:
“Da der AC ursprünglich gar nicht als Wettbewerbswagen entworfen wurde, ist er sehr geräumig und erlaubt dem Fahrer eine ganz normale Sitzposition. Auch der Mechaniker, der noch nie um den Ring gefahren war, und mich fragte, ob er mitfahren dürfe, saß bequem und von der großen Windschutzscheibe vollkommen geschützt - ja, wir saßen so gut, daß wir ohne Helm und ohne Brille fuhren. Dos Armaturenbrett ist mit kleinen, runden Instrumenten und vielen Kippschaltern für die verschiedenen Stromkreise ganz schlicht ausgestattet. Zwei der Schalter - für die elektrische Benzinpumpe und für die Zündung wurden eingeschaltet, auf Anweisung des Mechanikers trat ich das Gaspedal um ca. 2 Zentimeter durch und drückte auf den Anlasserknopf, worauf der Motor sofort ansprang. Drei Minuten ließen wir ihn warmlaufen, und ich wurde angewiesen, vorsichtshalber nicht über 6000 U/min zu drehen, wenn auch im Rennen notfalls bis 6500 gedreht werden kann. Obwohl der erste Gang über 90 geht, war der Wagen im Fahrerlager ohne weiteres im Schritttempo zu fahren.
Auf dem Start- und Zielplatz drückte ich dann aufs Gaspedal, und der Wagen schoß, trotz dem langen ersten Gang, mit unglaublicher Beschleunigung nach vorn. Leider gibt es auf dem Nürburgring keine Strecke, wo ein Wagen über einen stehenden Kilometer gemessen werden kann, und da überdies der Tachometer nicht angeschlossen war, konnten wir keine Beschleunigungsmessungen vornehmen. In Spa konnte man aber beim Start sehen, daß ein Cobra aus dem Stand bedeutend schneller beschleunigt als der Ferrari GTO. Die Kupplung ist unproblematisch, greift aber ganz fest zu, und dank den riesigen 8.20-15 Goodyear-Reifen sowie einem Sperrdifferential, drehen die Hinterräder auch im ersten Gang bei Vollgas nicht durch. Der unregelmäßige Auspuffton des V8-Motors mit zwei getrennten, seitlichen Auspuffrohren, der den Eindruck erweckt, der Motor drehe sehr langsam, steht nicht im Einklang mit der Beschleunigung. Man könnte aus dem Auspuffgeräusch und dem lauten Knallen, das beim Gasweg-nehmen entsteht, schließen, daß die Maschine nicht in Ordnung sei, was aber keineswegs der Fall ist. Der Cobra ist in keiner Hinsicht ein feinnerviger Sportwagen, und er will mehr mit brutaler Gewalt als mit Finesse gefahren werden.”
Neun Liter Benzin verbrauchte Frère pro Nürburgringrunde, das wären über 40 Liter pro 100 km. Man kann also davon ausgehen, dass er tüchtig Gas gab. Frère dazu:
“Die Fahrleistungen auf dem Ring stehen in keinem Verhältnis zum Kraftaufwand oder zum Brennstoffverbrauch, der bei etwas langsameren Rundenzeiten ungefähr doppelt so hoch ist wie bei einem Porsche 904.”
Und der Schlusssatz des schnellen Belgiers:
“Als Straßenfahrzeug behält er seine volle Berechtigung: kein anderes im Sport erfolgreiches GT-Fahrzeug bietet soviel Innenraum, einen so bequemen Einstieg und zugleich ein Beschleunigungsvermögen, das bis zu 200 km/h von keinem anderen Straßenfahrzeug erreicht wird.”
Über 50 Jahre später
Wir schwingen uns in die Cobra, die Türe brauchen wir dazu gar nicht unbedingt zu öffnen, es geht auch ohne. Vor uns ein komplett ausgerüstetes Armaturenbrett, links vom Lenkrad der Tacho, rechts davon der Drehzahlmesser. Für den Alltagseinsatz ist der gelbe Zweisitzer mit der kleinen Rennscheibe ohne Wetterschutz nur beschränkt geeignet, aber das beschäftigt uns kaum, schliesslich scheint die Sonne.
Die Startprozedur unterscheidet sich kaum von einem Fahrzeug der Neuzeit, kein Wunder, schliesslich ist “unsere” Cobra deutlich jünger als das Original von Allen Grant, dem sie nachempfunden ist.
Aufgebaut auf dem Rohrrahmen von HS und mit einer Kirkham Aluminium-Karosserie versehen, gleicht der Wagen Allen Grants Original von 1963 wie ein Ei dem anderen.
Ein ruhiger Leerlauf stellt sich sofort ein, das Motorengeräusch ist omnipräsent und markerschütternd. Vier Webervergaser und seitliche Auspuffrohre beidseitig stellen sicher, dass die attraktive Geräusche von allen Seiten zum Fahrer (und zu den Passanten) gelangen. Unauffällig wäre anders.
Die Hand fällt wie von selbst auf den Schalthebel und wir fahren los. Die Fahrleistungen sind mehr als nur beeindruckend, kein Wunder, schliesslich zerren rund 400 PS an der Hinterachse des rund 880 kg schweren Roadsters mit Aluminiumkarosserie.
Die Rennstrecke wäre das ideale Umfeld, um dieser Cobra auf den Zahn zu fühlen, die Landstrasse bietet dazu kaum eine Gelegenheit. Die Worte von Paul Frère aber können wir nun sehr gut nachempfinden und jedes Beschleunigungsmanöver zieht die Mundwinkel nach oben, selten haben wir so gegrinst in einem Auto.
Unterdessen heizt sich der Wagen im Innern immer stärker auf und dies hat wenig mit der Sonne, aber viel mit dem Wärmehaushalt des montierten Ford V8-Stroker-Motors mit 389 cui (5,7 Liter) zu tun. Der ist natürlich nicht wirklich original, aber er klingt so wie die 289er-Motoren der Sechzigerjahre und er bietet jede Menge Dampf. Noch einmal beschleunigen wir aus einer engen Kehre heraus, hechten auf die nächste Kurve zu, dann heisst es zurückzufahren und den Wagen abzustellen.
Selbst im Stand sieht der Wagen schnell aus, nicht zuletzt der gelben Farbe und der feschen Seitenstreifen wegen. Nur ungern nehmen wir Abschied von der Ikone, die uns wieder einmal gezeigt hat, wie sich ein Rennwagen damals anfühlte. Dass es kein Original ist, hatten wir schon nach hundert Metern vergessen und es hat uns kein Quentchen Fahrfreude genommen. Es muss nicht immer ein Shelby-Original sein…
Wir danken der Oldtimer Galerie Toffen , die uns die berauschende Probefahrt in der 67-er Cobra 289 ermöglichte.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 39 / 1962 vom 06.Sep.1962 - Seite 23: Vorstellung Shelby AC Cobra
- Auto Motor und Sport Heft 15/1964, ab Seite 30: Fahrbericht AC Cobra
- Road & Track Heft 9/1962, ab Seite 32: Road Test AC-Ford Cobra 260 (CSX 2000)
- Road & Track Heft 6/1964, ab Seite 63: Road Test AC Cobra 289
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Gerade vor 3 Wochen hatte mich Aaron Shelby (Enkel von Carroll Shelby) zur offiziellen Welcome Party von Shelby Europe nach Essen eingeladen.
Dabei hatte ich auch die Gelegenheit sehr viel Zeit mit Jim Marietta zu verbringen, der 1964 die Shelby Cobra Rennwagen auf den Rennstrecken in den USA mitbetreut hat und später zur "Original Venice Crew" gehörte, die 1965 den Shelby GT350 Mustang gebaut haben. Es war einfach fantastisch, mit Jim, einem Mann der ersten Stunde bei Shelby, über die Erlebnisse mit Carroll Shelby, den Cobras auf den Rennstrecken sowie über die Produktion des Shelby Mustang GT350 zu sprechen.
Shelbys "Original Venice Crew" hat sich übrigens dieses Jahr noch einmal zusammengetan, um nochmals 36 Fahrzeuge des Competition Models vom 1965er Shelby Mustang GT350 zu produzieren. Die GT350 werden von Hand am ursprünglichen Standort der "Carroll Shelby Engine Company" in Southern California gebaut. Mehr Informationen können auf der entsprechenden Homepage http://www.ovcmustangs.com nachgelesen werden.
Wer noch eines der 36 Sammlerautos erwerben will, der muss sich beeilen. Mir wurde einer von Jim angeboten, den ich ggf. vermitteln könnte.
Beste Grüsse,
Tim O. Fuchs
Gold Coast Customs
Your American Classic Car Broker
www.goldcoastcustoms.ch