Irgendwo in St. Ingbert, einer Mittelstadt des Saarlandes mit industrieller Vergangenheit, befindet sich in einer alten Industriehalle auf 900 qm die private Sammlung historischer Kleinwagen von Stefan Voit. Diese kann nach telefonischer Voranmeldung besichtigt werden.
Gezeigt werden Fahrzeuge aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren in einer farbenfrohen Campingplatzdekoration. Doch neben Autos sind auch Anhänger, kleine Wohnwagen und Zweiräder zu finden. Entsprechend der Ausrichtung dieses Forums beschränken sich die folgenden Ausführungen allerdings auf die Automobile, hier also auf die Klein- und Kleinstwagen.
Dabei sei vorab klargestellt, dass der Verfasser dieser Zeilen nicht zu jenen Zeitgenossen gehört, die beim Anblick etwa einer Isetta verzückt dem Kindchenschema anheim fallen. Vielmehr erinnert er sich noch gut an die Zeit, als man froh war, überhaupt einen "fahrbaren Untersatz" zu haben, um "motorisiert" zur Arbeit fahren zu können. Denn damals fuhr man nicht aus Überzeugung Fahrrad, sondern eher in Ermangelung bequemerer und schnellerer, gern auch überdachter Gefährte. Die Kleinwagen der sogenannten Wirtschaftwunderzeit sind also eigentlich gar nicht "niedlich". Vielmehr gebührt ihnen bzw. ihren Konstrukteuren, die mit einfachen Mitteln etwas auf die Räder gestellt haben, Respekt.
Kleine Autos, grosse Geschichten
Wer nun meint, man wäre mit der Saarländer Ausstellung "schnell durch", der irrt sich gewaltig. Natürlich beanspruchen Klein- und Kleinstwagen weniger Fläche als etwa US-full-size-cars - doch vor allem gilt, dass der umtriebige Hausherr dem Besucher vieles zu erzählen hat. Und deshalb sollten rund 3 Stunden für die Führung schon eingeplant werden.
Dabei ist das Interesse des Sammlers Stefan Voit keineswegs nur auf Automobile beschränkt. Denn Voit sammelt vieles, zum Beispiel jegliche Art von alten Radios, Phono-, Film- und Fotogeräte. In der Deko der Ausstellung kann man daher immer wieder Sammlerstücke, Kuriositäten oder längst vergessen geglaubte Dinge aus der eigenen Kindheit entdecken. Sofern diese nach dem Zweiten Weltkrieg und vor 1970 lag. Denn dadurch und bei einer Obergrenze von ca. 600 ccm Hubraum ist ungefähr der Rahmen dieser vorzüglichen Sammlung abgesteckt.
Die Exponate befinden sich durchweg in sehr gutem Zustand und wurden oft vom Hausherrn selbst restauriert.
Doch wie kommt man auf die Idee, gerade historische "Microcars" zu sammeln? Voit, nebenbei auch begeisteter Sportler und Motorradfahrer, entdeckte einst auf dem Vespa-Stand der Motorradmesse in Saarbrücken zufällig einen Messerschmitt Kabinenroller. Um es kurz zu machen: Aufgrund einer etwas vorwitzigen Bemerkung gegenüber einem seiner Söhne sah er sich plötzlich im Wort und erwarb stante pede einen. Und da er sein Sammlergen in der Folgezeit augenscheinlich nicht unterdrücken konnte, kam dann noch so manch ein Klein- oder Kleinstwagen hinzu...
Zwischen alten Bekannten und neuen Freunden
Bei einem Rundgang neigt man natürlich dazu, zunächst die vermeintlich alten Bekannten zu begrüßen. Klar: Isetta, Goggo, Messerschmitt und Heinkel Kabine fallen dem Besucher sofort ins Auge. Weil er zunächst ja nur das sieht, was er sehen will. Doch schon auf den zweiten Blick sind seltenere Fahrzeuge wie Gutbrod, Maico, Fuldamobil oder Kleinschnittger, Zündapp Janus und andere Kuriositäten zu entdecken.
Nicht immer muss dies übrigens original sein - so gab es offiziell nie eine Heinkel Kabine als (meines Erachtens übrigens stilistisch gelungenen) "Roadster" und auch einen "aufgeschnittenen" Fiat 500 offerierte das Werk seinerzeit nicht. Originalitätsfetischisten mögen das nicht goutieren - interessant ist es aber allemal. Und hier - inmitten von Raritäten, Unikaten und Prototypen - passt es ganz einfach.
Der besondere Reiz dieser Sammlung liegt nun darin, dass der Chef der Sammlung - der diese nicht als Museum sieht und folglich auch nicht so bezeichnet - zu wirklich jedem Exponat eine spannende Geschichte parat hält - "every car tells a story" sozusagen. Diese kann sich auf die Technik oder die Entstehungsgeschichte des Kleinmobils beziehen oder aber darauf, auf welche verschlungene Art und Weise das Auto Einzug in die Saarländer Sammlung gefunden hat.
Aus aller Welt
Beginnen wir unseren Rundgang und greifen einige Autos heraus, die der Berichterstatter zum ersten Mal gesehen hat: Zu entdecken ist etwa der Pengor Penguin, das Unikat eines winzigen viersitzigen Amphibienfahrzeugs, an dessen Front das BMW-Logo prangt. Es wurde 1965 in Kanada gebaut und gehörte einst dem Industriellen und BMW-Anteilseigner Harald Quandt, was das wohl eher scherzhaft gemeinte Emblem erklären würde.
Etwas skurril erscheint mir der Norsjö-Shopper aus Schweden, ein dreirädriges Fahrzeug aus der 50 ccm-Klasse, mit einer Fronttür ähnlich der Isetta, dafür hinten offen.
Gewöhnungsbedürftig ist auch der ebenfalls dreirädrige Velorex aus Tschechien, ein bis in die 1970er Jahre gebautes Fahrzeug. Bei ihm besteht die Karosserie aus Stoff, welches über einen Rohrrahmen gespannt ist.
Noch seltener ist wohl der hübsche kleine Sportwagen PTV 250 aus Spanien mit seiner geschmackvollen Zweifarbenlackierung. Bei dem hier gezeigten Exemplar handelt es sich um das einzige außerhalb Spaniens.
Ein Dach über dem Kopf bot der als führerscheinfreier Stadtwagen offerierte Meister K 5 aus Österreich, der allerdings ausnahmsweise schon aus den 1970er Jahren stammt. In perfektem Zustand präsentiert sich der rot/weiß lackierte Champion CH-2 von 1949. Er stammt aus dem Bestand von Bruce Weiner, dessen Sammlung von "Microcars" 2013 unter großer medialer Beachtung versteigert wurde. Damals erzielte ein FMR Tg 500 "Tiger" einen Rekordpreis. Fast überflüssig zu erwähnen, dass sich auch ein Exemplar dieses legendären vierrädrigen Kabinenrollers auch in der Sammlung Voit findet. Eigentlich sind es sogar zwei, denn eine aus Eisenteilen zusammengeschweißte Skulptur des "Tigers" im Maßstab 1:1 befindet sich direkt daneben.
Eine besondere Rarität ist zweifellos auch der Prototyp des (Buckle) Goggomobil Dart, eines sportlichen, türlosen Roadsters mit Kunststoffkarosserie auf Goggomobil-Basis. Das gezeigte Exemplar wurde in Australien gebaut und mit einer Lockheed Super Constellation nach München gebracht. Nachdem man bei Glas das okay erhalten hatte, startete die Firma Buckle mit der Kleinserienproduktion in Australien.
Stefan Voit erklärt seine Autos stets kurzweilig und humorvoll - etwa, wenn er die eher überdimensionierte Fronthaube des britischen Bond Three-Wheeler öffnet und demonstriert, dass das Fahrzeug quasi auf der Stelle drehen kann.
Bemerkenswert fand der Verfasser auch den ausgestellten Nachbau eines Glas Isar S 35. Bei diesem auf der IAA 1959 präsentierten Fahrzeug handelt es sich um ein sportliches Coupé mit der modifizierten Karosserie des Goggo-Coupés, erkennbar an den vorn angeschlagenen Türen und einer markanten Schnauze aus Kunststoff. Es sollte mit dem Boxermotor des Isar T 700 bestückt werden und auf 12-Zoll-Rädern stehen. Doch der S 35 ist nie auf den Markt gekommen. Die Verkaufsprospekte waren schon gedruckt, aber dann machte der Hersteller einen Rückzieher. Schön, dass dieses Projekt hier dokumentiert wird.
Vergessen dank bestimmungsgemässem Nutzen
Das große Verdienst der Sammlung Voit besteht darin, eine erstaunliche Bandbreite von Kleinstfahrzeuge der Nachkriegszeit darzustellen, wobei deren Bedeutung durch die anschaulichen Erläuterungen des enthusiastischen Sammlers erlebbar wird. Beim Betrachten eines originalen Goggomobil TL 250 der Deutschen Bundespost erkennt man, dass dieser kleine und praktisch konstruierte Kastenwagen seinen Zweck schon weit vor dem später berühmt gewordenen Volkswagen "Fridolin" erfüllte.
Und zweifellos ist der sechssitzige Lloyd LP 600 der Ahn jener Fahrzeuggattung, die man erst Jahrzehnte später "Van" nannte. In der Sammlung Voit findet man Fahrzeuge, die seinerzeit eine Bedeutung und Berechtigung hatten. Oft sind sie wohl nur deshalb in Vergessenheit geraten, weil sie bestimmungsgemäß aufgebraucht wurden oder weil Ihnen das Potential zu einer spekulativen Wertanlage fehlte. Dennoch sind diese einfachen, oft minimalistischen Fahrzeuge echte Ingenieurleistungen und automobilhistorisch bedeutsam.
Am Ende meines Rundgangs kommt der Gastgeber noch mal auf seine weiteren Sammlungen zu sprechen - etwa auf ungewöhnliches, in Japan hergestelltes mechanisches Spielzeug für den US-Markt. Und ganz am Schluss hat der humorvolle Sammlungschef für mich noch ein Rätsel in Form eines handtellergroßen Apparates parat. Dessen Auflösung sei hier ausnahmsweise verraten: Es handelt sich um eine Schleifmaschine für Rasierklingen. Auch so etwas hatte der Berichterstatter vorher noch nie gesehen...
Kleinwagen Oldtimersammlung Voit
Ein Besuch ist nur mit vorheriger telefonischer Terminvereinbarung für Gruppen möglich (idealerweise in der Größe von 10 bis 15 Personen). Reservationen kann man unter der Nummer +49 (0) 171 975 50 07 tätigen.
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher