Laut ADFC-Fahrradklima-Test 2024 ist Tübingen die fahrradfreundlichste Stadt mit über 50'000 Einwohnern. Trotz einem der bundesweit „grünsten Wahlergebnisse“ fand hier nun schon zum dritten Mal die Oldtimerveranstaltung „Tübingen Classic“ statt, was sicher auch dem reibungslosen Ablauf der Veranstaltung zu verdanken ist.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Ordnungsamt, der ADAC-Ortsgruppe, den Oldtimerfreunden Neckar-Alb und dem Team um Rainer Klink, Betreiber des Boxenstop Automobilmuseums, läuft inzwischen perfekt, was sich schon bei den routinierten Vorbereitungen zeigte.
105 Fahrzeuge in der engen Innenstadt einer historischen Universitätsstadt feuerwehrtechnisch korrekt aufzustellen und die Zu- und Abfahrt der Oldtimer reibungslos zu gestalten, ist kein Selbstläufer, speziell wenn ab 13 Uhr der Zugang zu den Geschäften und Restaurants für den verkaufsoffenen Sonntag gewährleistet sein muss.
Borgward Isabella Coupé
Ein auf der Anreise aufgetretenes Dröhngeräusch ist schnell gefunden und beseitigt. Wer sein Auto seit über 30 Jahren kennt, den bringen solche Kleinigkeiten nicht aus der Ruhe. Einen gelernten Kfz-Meister sowieso nicht. Er hat 1956 auf einem Borgward die Fahrschulprüfung erfolgreich abgelegt. Selbstverständlich beim ersten Versuch. Eine Erinnerung, die man nicht so schnell vergisst. Jahre später wurde folgerichtig das seltene Coupé mit Stahlschiebedach nach intensivem Zeitschriftenstudium in Braunschweig erworben. Vom Borgward Club in Bremen mit Ersatzteilen versorgt, wird der Wagen sicher noch lange auf der Straße unterwegs sein. Wir wünschen viel Spaß dabei.
Porsche 912
Mit Ehefrau und Sohn reist ein Böblinger Besucher an, der den kostenlosen Parkplatz am alten Busbahnhof mit Naviunterstützung gefunden hat.
Seit 30 Jahren mit dem Wagen im Erstlack unterwegs, reicht der Familie die Kraft des Vierzylinders aus – schließlich ist der Motor ja auch leichter als der Sechszylinder im 911. Als er „im letzten Jahrhundert mit der Gattin shoppen war“ verlor er irgendwann die Geduld, enterte kurzentschlossen einen Zeitschriftenladen und wurde dort im Anzeigenteil einer Autozeitung fündig. Ein perfektes Einkaufserlebnis für beide, das er bis heute nicht bereut hat. Kundendienste, das eine oder andere Blech, speziell das über dem Auspuff, sowie kleinere Instrumentenprobleme konnten der Begeisterung der ganzen Familie für den Wagen bis heute nichts anhaben.
Der Boxenstop Oldtimer-Omnibus „Heidi“ bot kostenlose Rundfahrten an. Er fuhr zwischen Hauptbahnhof, unweit des kostenlosen Parkplatzes für Besucher, deren Fahrzeuge ein H-Kennzeichen haben, und dem Stadtgraben mit Zugang zur Veranstaltung.
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Fiat 500 Abarth?
Auf dem Weg zur Stiftskirche steht ein schwarzer Fiat 500 Abarth. Zumindest der erste äußerliche Eindruck lässt dies erwarten. Der Wagen mit den nachträglich angebrachten Abarthaufkleber stammt aus dem engeren Familienkreis. An diesem Look wird nichts mehr geändert, das bleibt so. Trotz seiner Körpergröße von 1,85m benutzt Harald Muske-Haug die „Limousine mit Schiebedach“ für Fahrten mit bis zu 5 Personen, allerdings nur mit geöffneten Seitenfenstern, damit seine Arme auch Platz finden.
Die Familie ist offensichtlich vom Oldtimerbazillus befallen. Sein Sohn steht am Stadtmuseum neben dem eigenen 500er Fiat und dem Motorrad, das der Vater ebenfalls mitgebracht hat. Die Mutter trägt's mit Fassung, es gibt Schlimmeres.
Citroën DS
Savoir-vivre demonstriert und lebt der Besitzer eines weißen Citroën Déesse, der sich für die Anreise aus Göppingen gut eine Stunde Zeit gelassen hat. Seit er 12 war, wollte er ein solches Auto, und bevor's mit inzwischen 60 Jahren zu spät wird, meint er, hat er zugegriffen – genauer gesagt: getauscht.
Der Kundschaft eines Händlers war „die Göttin“ nicht perfekt genug, die 2CV-Kundschaft war weniger anspruchsvoll. Kurz und gut, zwei Enten eingetauscht und schon stand das jetzige Reisemobil für Fahrten ans Meer in der eigenen Garage. Für den Ölwechsel braucht's etwas mehr Zeit als bei anderen Fahrzeugen, aber es soll einem ja auch nicht langweilig werden. Der vom Vorgänger lackierte Kotflügel soll damals in der passenden Farbe gewesen sein. Dass dies inzwischen nicht mehr so ist, stört hier keinen.
Währenddessen sorgte die „Nervenband“ mit Musik in der richtigen Lautstärke an der Stiftskirche für beste Stimmung. Bandsprecher Michael Petersen, aufmerksamen Zwischengas-Lesern bereits als Motorsport-Journalist bekannt, dankte für den begeisterten Applaus. „Vielen Dank. Schön, dass man hier merkt, wie gut alte Musik und alte Autos zusammenpassen.“
Inzwischen haben die ersten Besucher Appetit bekommen. Ein Problem, dem in den vielen geöffneten Restaurants oder am Wurststand des ADAC abgeholfen werden kann. Am zweiten ADAC-Stand stehen die Kinder am Formel-1-Simulator Schlange. Die Idee, diesen am Marktplatz aufzubauen, war ein Volltreffer.
Citroën Dyane
Moment mal, den Herrn habe ich doch heute schon einmal gesehen? Richtig, es ist Harald Mikschy, der DS-Liebhaber vom Marktplatz. Sein zweites Auto bringt etwas weniger Leistung auf die Straße, aber auch dessen Komfort lobt er ausdrücklich. Die Patina der Karosserie hat es ihm angetan, daran hat er seit 20 Jahren nichts geändert. Einzig die Umstellung auf eine elektronische Zündung, die den kniffelig einzustellenden Unterbrecherkontakt auch deutlich länger leben lässt, war angesagt. Wie beim 2CV gibt die Zündspule immer zwei Funken gleichzeitig ab, der eine Zylinder braucht diesen für den Zündvorgang, der andere – wie er ginsend meint – zur Nachverbrennung, der Umwelt zuliebe. Alles eine Frage der Argumentation.
Die Handbremse wirkt hier auf die innenliegenden Scheibenbremsen, eine ungewöhnliche, dem Jaguar nicht unähnliche Konstruktion.
VW Samba Bulli
Nicht zum ersten Mal war der ursprünglich 6 Jahre gewerblich als Reisebus verwendete VW-Bulli in Tübingen zu sehen. Nachdem er 6 Jahre in Nagold und Herrenberg seinen Dienst verrichtet hatte, wurde er verkauft. Gerade rechtzeitig für die Familie, welcher der eigene Käfer zu klein geworden war. Beachtenswert das Armaturenbrett, das in der Ausstattung so selten zu sehen ist.
Die Lackierung in Kastanienbraun (nicht Schwarz) und Siegellackrot steht dem Oldie gut zu Gesicht. Der Familie bleibt der Wagen weiterhin erhalten, nur dass es jetzt die Enkel des Käufers sind, die damit zur Hochzeit gefahren werden. Perfekt, besser kann es doch gar nicht sein.
Feuerwehr-Oldies
Wer zum Einkaufen zum Modehaus Zinser spazierte, wurde dort von der Riverside Band mit Jazzklängen empfangen. Direkt davor standen 15 Feuerwehr-Oldies. Unter anderem die Kraftfahr-Drehleiter Magirus KL 20, die aber beherzten Einsatz verlangt.
Bis 1988 bei der Werksfeuerwehr der Saarstahl AG im Einsatz, gelangte sie im Rahmen einer Insolvenz in den Besitz der Nehrener Feuerwehr.
Das leichte Löschgruppenfahrzeug Mercedes Benz LF8 wechselte zwar öfters den Besitzer, blieb Tübingen aber immer treu. Zunächst 1943 von der Freiwilligen Feuerwehr Tübingen angeschafft, wurde es von 1954 bis 1968 von der Lustnauer Feuerwehr genutzt.
Bis 1995 setzte ihn dann die Werksfeuerwehr der Frottierwarenfabrik Egeria ein. Nach deren Insolvenz ging der nicht restaurierte Wagen wieder in das Eigentum der Lustnauer Feuerwehr über, wo er jetzt in einer neuen Halle ein würdiges Zuhause gefunden hat.
Währenddessen erklärt der ehemalige Kreisbrandmeister Karl Hermann die Technik der Fahrzeuge. Der Annihilator, zu Deutsch Vernichter, sollte helfen, das Feuer zu vernichten. Den jüngeren Besuchern musste er die Winker zeigen, die es längst nicht mehr gibt.
Chevrolet Task Force
Dieser Pickup kam 2015 aus den Staaten nach Deutschland. Es handelt sich um eines der ersten 1955 produzierten Fahrzeuge mit der breiteren Haube, schon 1957 kam das nächste Facelift. Der Wagen legte nach dem Import in den darauffolgenden zwei Jahren nur 300 km zurück. Der Käufer kam mit dem Wagen nicht zurecht, auch nicht mit dessen Technik. Der Ölpumpenantrieb war „verbastelt“, der Zündverteiler falsch montiert, das führte schnell zu weiteren Schäden. Also wurde der 3,9l Sechszylinder überholt und bringt jetzt stabile 120 PS auf die Straße. In dem Zusammenhang gab's auch einen neuen Kabelbaum und neue Relais für die umgebauten Scheinwerfer. Der ausgefallene Scheibenwischwasserbehälter brachte viele Besucher zum Schmunzeln.
Als Dreisitzer ist der Ami für die Familie nur bedingt geeignet, zumal die Frau des Eigentümers kaum an die Pedale kommt. Nachdem kürzlich auch noch die Lichtmaschine den Dienst quittiert hat, steht der Wagen jetzt wieder zum Verkauf.
Fazit
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, einst Mitglied der Grünen, meinte schmunzelnd: „Autos, die stehen, richten keinen Umweltschaden an“, daher sei er auch keineswegs gegen Oldtimer, die ja nicht täglich eingesetzt werden. Deren Schadstoffausstoß sei also, was die Gesamtbelastung betrifft, schlicht irrelevant.
Er lobte das echte Handwerk, das in den frühen Fahrzeugen steckt und die schönen Formen, die es heute so nicht mehr gibt. Ganz nebenbei sei es ein Event, das den verkaufsoffenen Sonntag rechtfertigt, zu dem auch der Handels- und Gewerbeverein eingeladen hatte.
Da alle Besucher, nicht nur die Tübinger, begeistert waren und sonntags die Innenstadt selten so gefüllt ist wie an diesem Sonntag, steht einer Neuauflage in 2026 nichts im Wege. Wir freuen uns schon darauf.

































































































































































































































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