Es ist einfach etwas anderes, ob man eine Versteigerung vor Ort besucht oder via Livestream verfolgt. Nur im Auktionsraum kriegt man wirklich die Spannung mit, kann die Bieter beobachten und die Arbeit des Auktionators hautnah miterleben.
Dies beginnt bereits mit der Vorbesichtigung der Autos, die im Falle der Gstaad-Versteigerung von Bonhams auf zwei Tiefgaragen-Etagen des Gstaad Palace Hotels attraktiv präsentiert waren. Einige wenige Autos waren draussen zu bewundern, der kleine Heinkel stand in der Hotel-Empfangshalle.
Rund ein Dutzend Jahre war es her, dass Bonhams in Gstaad eine Versteigerung organisierte. Die berühmten Ferrari-Auktionen jeweils zum Jahreshende sind heute noch Gesprächsthema. Nun war es am 3. Juli 2022 wieder soweit. 55 Klassiker, darunter ein Ducati-Motorrad, kamen neben zwei Bildern zur Einstimmung unter den Hammer.
Insgesamt waren die 55 Fahrzeuge auf rund CHF 10,5 Millionen oder CHF 191’000 pro Lot geschätzt worden. Untypisch für eine Versteigerung in der Schweiz wurden fast zwei Drittel (35 Lots) der Fahrzeuge ohne Mindestpreis angeboten. Dies hatte allerdings auch mit einem relativ hohen Anteil an Fahrzeugen zu tun, die aus der äusserst umfangreichen Sammlung eines Scheichs stammten und allesamt über Jahre nicht mehr bewegt worden waren. Die meisten von ihnen hatten einen Bezug zur Schweiz und wurden daher aufwändig nach Gstaad transportiert, um hier von einem Lokal-Bonus zu profitieren.
Um 14:00 begann die Versteigerung im gut besuchten Salle Baccarat des Gstaad Palace Hotels.
Junge Ferrari und Porsche, nur ein Vorkriegsauto
24 Marken waren in Gstaad vertreten sein, am meisten Fahrzeuge stammten von Ferrari (7), Porsche (6) und Lamborghini (6), gefolgt von Aston Martin (5), Bentley (4) und Mercedes-Benz (4).
Während die Sportwagen von Aston Martin im Schnitt rund 46 Jahre alt waren, lag das Durchschnittsalter bei Ferrari, Porsche und Lamborghini eher bei 36 Jahren.
Im Schnitt waren die Fahrzeuge 45 Jahre alt. Nur ein Vorkriegsauto war im Katalog zu finden, während die Youngtimer- und Neoklassiker-Fraktion (ab Jahrgang 1992) mit immerhin 14 Fahrzeugen vertreten waren, darunter auch das Ducati 916 Motorrad von 1998.
Das dritte Monteverdi Coupé zurück in der Schweiz
Das Monteverdi 375 S Coupé dürfte mit zu den elegantesten Kreationen gehören, die Pietro Frua entworfen hat. Für Peter Monteverdi zeichnete und baute er nur 10 dieser Coupés, bevor die Produktion 1969 zur Carrozzeria Fissore überging und zu einigen Dissonanzen zwischen Monteverdi und Frua führte. Beim angebotenen Coupé handelt es sich um Chassis 1003, also wohl das dritte Exemplar, das in Gelb sowohl in Genf als auch in New York an den Salons gezeigt wurde.
Der Wagen wechselte in den USA mehrfach den Besitzer. Seit rund 12 Jahren wurde der mit Automatik ausgerüstete Wagen nicht mehr genutzt und auch die Dokumente aus den USA gingen offensichtlich verloren. Etwas Arbeit dürfte hier also noch zu investieren sein, mit CHF 70’000 bis 110’000 wurde der Schätzwert allerdings auch relativ tief angesetzt, zumal der Wagen ohne Mindestpreis aufgerufen wurde.
Die Bieter allerdings hatten andere Vorstellungen. Erst bei CHF 200’000 erhielt der Schweizer Käufer den Zuschlag und bezahlte damit CHF/EUR 230’000 (inklusive Aufpreis, Wechselkurs-Parität) für das elegante und sich von aussen betrachtet in ziemlich gutem Zustand befindliche Coupé.
Nicht von Frua stammte der Monteverdi 375/4 aus dem Jahr 1974 mit Chassisnummer 3116. Hier handelt es sich um eine Fissore-Karosserie mit langem Radstand und vier Türen. Nur wenige dieser Limousinen wurden gebaut. Die Geschichte des angebotenen Wagens war relativ diffus, CHF/EUR 112’125 wurden schliesslich bezahlt, womit man sich in etwa auf Schätzwertniveau befand.
Von Pietro Frua dagegen stammte das Design für den AC 428 Fastback von 1971 mit Chassisnummer CFX81. Mit CHF/EUR 94’300 wurde der mittlere Schätzwert (CHF 70’000 bis 100’000) übertroffen. Allerdings ist auch hier nach langer Standzeit wohl einiges zu tun, um den Wagen im ursprünglichen Glanz wiederzuerwecken.
Graber-Bentley nicht verkauft
Nur drei Coupés baute Hermann Graber auf Basis des Bentley Mark VI 4 1/2 Litre, zwei davon haben überlebt, jenes mit Chassisnummer B146MD aus dem Jahr 1951 kam in Gstaad unter den Hammer. Mit CHF/EUR 200’000 bis 300’000 reflektierte der Schätzwert den guten Zustand, aber auch die inhärente Eleganz des Coupés und vielleicht auch das Faktum, dass die Arbeit von Graber auch international immer stärker gewürdigt wird, notabene dieses Jahr mit zwei Klassen im Pebble Beach Concours.
Dem schwarz-weissen Coupé half dies aber nicht, mehr als CHF/EUR 160’000 wollte kein Bieter aufrufen, der Wagen ging zurück.
Beide Beutler mit neuen Besitzern
Besser erging es den beiden Autos von Beutler. Die Gebrüder Beutler gehören neben Herrmann Graber sicherlich zu den bekanntesten Schweizer Karosseriebauern. In den Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren sorgten sie immer wieder für Aufsehen am Genfer Autosalon und sie kleideten viele Fahrgestelle namhafter Autohersteller wie Bugatti, BMW, Jaguar, Porsche oder Volkswagen ein.
Einige der schönsten und elegantesten Kreationen entstanden auf der Basis von Fahrgestellen der Marken Porsche und Volkswagen. Der angebotene Volkswagen Beutler 1.2 von 1959 sorgte denn auch für einen erbitterten Bieterkampf, der erst beim Gebot von CHF/EUR 138’000 (bei einem Schätzwert von CHF/EUR 80’000 bis 120’000) zum Zuschlag führte. Somit bezahlte der Käufer eindrückliche CHF 158’700 für den spezialkarossierten und aufwändig restaurierten VW.
Auch für sein Bristol-Chassis konnte man in Thun bei Bern einen Aufbau bestellen, der Käufer von 406E5002 tat genau dies. Bei Beutler erhielt 5002 dann eine Coupé-Karosserie. Eines dieser Bristol 406 Coupés wurde in London an der Motor Show gezeigt, zwei weitere sollen entstanden sein, aber offenbar konnte nicht abschliessend gesagt werden, um welches Auto es sich beim Bonhams-Wagen handelte. Wegen fehlenden Dokumenten und langer Standzeit war der Wagen auf CHF/EUR 80’000 bis 140’000 geschätzt, doch die Bieter gaben sich noch früher zufrieden, denn über CHF/EUR 64’000 wollte keiner gehen. CHF/EUR 73’600 reichten somit zum Kauf des raren Coupés.
Zur Gruppe der besonderen Schweizer Spezialkarosserien gehörte auch noch der Alfa Romeo 1900C Super Sprint Barchetta von 1956, der nach einem Design von Giovanni Michelotti bei Ghia-Aigle entstand. Der neue Besitzer investierte CHF/EUR 316’250 für das türlose und bootsähnliche Cabriolet.
Junge Autos teilweise sehr gefragt
Im relativ jugendlichen Angebot von Bonhams gab es einige Fahrzeuge, die für besonders heisse Bieterkämpfe sorgten. Mehr als das Zweifache bot der Käufer des Porsche 993 Turbo von 1996, der einst bei Porsche Exklusiv nach den sicherlich eher speziellen Vorgaben des Erstkäufers individualisiert wurde.
Das lila-farben lackierte Coupé mit Holzelementen im Interieur wurde für CHF/EUR 243’800 verkauft, geschätzt waren CHF/EUR 70’000 bis 110’000.
Ebenfalls deutlich über den Erwartungen wurde ein noch jüngerer Porsche 997 Turbo von 2011 vermittelt, hier betrug der Kaufpreis CHF/EUR 172’500.
Wesentlich teuer als geschätzt wurde auch der Ferrari 512 TR von 1994. Der wenig gelaufene und fast neuwertig wirkende Sportwagen fand für CHF/EUR 230’000 (geschätzt CHF/EUR 100’000 bis 120’000) in eine neue Garage.
Das Superschnäppchen?
Ein Rolls-Royce Silver Wraith von 1951 ist ein stattliches Auto, das einst den Gegenwert von einem Haus oder mehr kostete. Gut 70 Jahre später reichte der Gegenwert einer Öltankfüllung im besagten Haus, sprich CHF/EUR 18’400 für den Kauf.
Viel Auto, aber auch noch einiges an Arbeit, für das Geld.
Ebenfalls deutlich unter den Erwartungen wurde ein weiterer Rolls-Royce verkauft. Für das Camargue Coupé von 1976 mussten CHF/EUR 40’250 bezahlt werden.
Und auch die Heinkel Kabine von 1957, die so attraktiv im Hotel-Eingangsbereich parkiert war, konnte die Bieter nicht wirklich beflügeln. CHF/EUR 14’950 reichten für den restaurierten Kleinstwagen, wenig, wenn man sieht, dass für die BMW Isetta oftmals CHF/EUR 25’000 und mehr bezahlt werden.
Viele Superklassiker
An Superklassikern fehlte es in Gstaad natürlich nicht. Nicht weniger als fünf Aston Martin, wovon zwei mit Sechszylinder- und drei mit V8-Motoren ausgerüstet waren, kamen unter den Hammer.
Während der älteste der fünf, ein DB Mk III Saloon von 1958, mit einem Verkaufspreis von CHF/EUR 158’700 die Erwartungen übertreffen konnte, sorgten die übrigen vier für Ergebnisse unter dem Estimate.
Ähnlich erging es den drei Bentleys mit Jahrgängen zwischen 1955 und 1995.
Besser schnitten drei der sechs Lamborghinis ab. Der Islero S von 1968, der Espada von 1970 und der Jalpa P350 von 1984/1991 (Bau/Erstzulassung) erzielten Verkaufspreise über den Erwartungen, während der weitgehend unrestaurierte 400 GT 2+2 von 1967 unterhalb des Schätzwerts abgegeben wurde.
Von den neueren beiden Exemplaren konnte nur der Murciélago von 2002 überzeugen, während der Reventon Roadster von 2010 beim Höchstgebot CHF 1,65 Millionen stehen blieb.
Während der Ferrari 365 GTB/4 Daytona von 1972 keinen neuen Besitzer fand, gelang dies den übrigen sechs Wagen aus Maranello. Exakt auf Schätzwertniveau fand der F40 von 1991 einen neuen Besitzer, ein Auto ohne Kat und damit vermutlich ohne Zulassungschancen in der Schweiz. CHF/EUR 1’955’000 waren das Höchstergebnis der Versteigerung von Gstaad.
Von den sechs Porsche wurden fünf verkauft, einen 911 SC 3.0 Targa von 1976 konnte man schon für CHF/EUR 54’050 nach Hause nehmen.
Und die Mercedes? Sie wurden alle verkauft, wenn auch mit Ausnahme des SL65 AMG Black Series von 2008 eher etwas unter den Erwartungen.
Majestät umkämpft
Der Citroën DS 21 'Majesty' Saloon von 1969 aus der Fertigung von Chapron gehörte sicherlich zu den Spezialitäten.
Der Schätzwert von CHF/EUR 50’000 bis 100’000 wurde mit einem Höchstgebot von CHF/EUR 105’000 übertroffen, als Verkaufspreis inkl. Komission CHF/EUR 120’750 notiert.
Damit erging es dem Franzosen deutlich besser als einem ebenfalls raren Jensen Interceptor Convertible von 1975, der für nur CHF/EUR 34’500 vermittelt wurde.
Auch für das einzige Vorkriegsauto wurden weniger bezahlt als erwartet. Der Alvis Speed SC 20 DHC mit Charlesworth-Karosserie von 1934 kostete nur CHF/EUR 80’500.
Das billigste Auto der Versteigerung war aber ein Fiat 500 L von 1970, für den gerade einmal CHF/EUR 10’350 bezahlt werden mussten.
Mit einer Verkaufsquote von 91 Prozent und einem Umsatz von CHF/EUR 7,7 Millionen durften sich die Bonhams-Verantwortlichen Marteen ten Holder und Philip Kantor zufrieden zeigen. Im Schnitt wurden 92 Prozent des mittleren Schätzwerts geboten, ein Zeichen dafür, dass die Fahrzeuge realistisch eingeschätzt waren.
Nach gut drei Stunden schlug Marteen ten Holder beim Verkauf der Ducati 916 “Senna” von 1998 zum letzten Mal kräftig mit dem Hammer auf sein Pult, der Saal hatte sich schon beträchtlich geleert, weil wohl mancher Interessent sich bereits auf den Heimweg gemacht oder auf dem Weg zum Apero war. Eine Fortsetzung der alten Bonhams-Gstaad-Tradition ist sehr wahrscheinlich.
Angebotene und verkaufte Fahrzeuge
Die folgende Tabelle listet alle angebotenen und verkauften Fahrzeuge mit Schätzpreisen, Höchstgeboten und Verkaufspreisen. Die Preis-Umrechnung erfolgte zum am Auktionstag gültigen Tageskurs. Alle Angaben ohne Gewähr.
Lot | Fahrzeug | Jahr | CHF Est von | CHF Est bis | CHF HG | CHF VP | EUR VP | % Est | S |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
101 | Heinkel Kabine | 1957 | 20'000 | 30'000 | 13'000 | 14'950 | 14'950 | -40.2%
|
V |
102 | Fiat 500L | 1970 | 10'000 | 20'000 | 9000 | 10'350 | 10'350 | -31%
|
V |
103 | Fiat 500 Abarth 'Ferrari Dealer Edition' | 2009 | 20'000 | 30'000 | 19'000 | 21'850 | 21'850 | -12.6%
|
V |
104 | Jaguar Mark V 3½-Litre Drophead Coupe | 1950 | 60'000 | 90'000 | 50'000 | 57'500 | 57'500 | -23.33%
|
V |
105 | Mercedes-Benz 280 SL 'Pagoda' | 1969 | 100'000 | 150'000 | 75'000 | 86'250 | 86'250 | -31%
|
V |
106 | Bentley Azure Convertible | 1995 | 55'000 | 75'000 | 48'000 | 55'200 | 55'200 | -15.08%
|
V |
107 | Ferrari 328 GTB | 1988 | 55'000 | 75'000 | 72'000 | 82'800 | 82'800 | +27.38%
|
V |
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