Sie gehört zu den Saison-Höhepunkten, die Rétromobile in Paris. Traditionell anfangs Februar stattfindend gehört sie zwar nicht zu den grössten Oldtimer-Messen, es dürfte aber kaum eine andere derartige Veranstaltung geben, die mehr hochkarätige Automobile auf weniger Quadratmetern zeigt.

Grösser und immer noch eng
Zwar hatten die Organisatoren aufgerüstet und in der erstmals genutzten Halle "1" 8000 Quadratmeter mehr zur Verfügung als letztes Jahr. Die Messe schien aber trotzdem auf den nunmehr 44’000 Quadratmeter aus allen Nähten zu platzen.
Schienen die Gänge kurz nach der Türöffnung noch breit und lang zu sein, setzte bereits nach ein bis zwei Stunden das typische Rétromobile-Gedränge ein und man sah die Ausstellungsobjekte vor lauter Zuschauern kaum mehr.
Über 90’000 Besucher trugen zum Erfolg im Jahr 2014 bei. Ihnen gegenüber standen 450 Aussteller mit rund 500 Fahrzeugen.
Die Eleganten aus Turin
Für einen Höhepunkt sorgte Lukas Hüni, der in Zusammenarbeit mit der Rétromobile eine Sonderausstellung zu Ehren der Marke Lancia organisiert hatte. Und alleine schon der Besuch dieses Standes war wohl das Eintrittsgeld wert.
Denn wann kann man schon den einzigen originalen überlebenden Lancia D24 von 1954 eingehend betrachten? Der dunkelrote Sportwagen mit Chassis-Nummer 0005 gewann unter Taruffi die Targa Florio und mit Villoresi am Lenkrad den Grand Prix von Porto.
Unter den 14 gezeigten Meisterwerken des Turiner Herstellers Lancia fand sich auch ein Lancia Lambda Torpedo von 1924, eine Aurelia B20 von 1952, ein B 24 S Spider America von 1955, ein früher Flamina 2500 Sport Zagato 1959 sowie populärere Modelle wie die Aprilia.
Freunde der Keilzeit dürften sich vor allem über die zwei Lancia Stratos gefreut haben, einmal in Strassen-, einmal in Gruppe-4-Konfiguration.
Die Blauen des Jean Rédéle
An das Schaffen des Jean Rédélé wurde in einer weiteren Sonderausstellung erinnert. Über ein Dutzend Alpine-Strassen- und Rennfahrzeuge des umtriebigen französischen Konstrukteurs aus den Jahren 1963 bis 1978 wurden in zwei Displays gezeigt, darunter die Le-Mans-Fahrzeuge Alpine M63 und M64, die A210, A211, A220, A364 und A441.
Natürlich fehlten auch die A110 Berlinettes nicht, die bei den Franzosen immer noch sehr hoch im Kurs stehen, was auch die Verkaufsergebnisse bei Artcurial (davon später) bewiesen.
Die Schnellen aus England
Generöse Platzverhältnisse am Rande der Ausstellungsfläche genossen zwei englische Rekordfahrzeuge. Da war einmal der BABS Liberty V12 von 1925, der im Jahr 1926 mit John Godfrey Parry-Thomas am Steuer 275,271 km/h erreichte, nicht zuletzt dank seines riesigen Zwölfzylinder-Motors mit 500 bis 600 PS.
Und dann stand da noch der blaue Sunbeam Manitou von 1920, der über einen 18 Liter grossen Manitou-Zwölfzylinder nutzte, um im Jahr 1925 mit Malcolm Campbell am Lenkrad 242,748 km/h schnell zu fahren. Wegen der blauen Farbe darf dieser Sunbeam im Prinzip der erste “Bluebird”.
Die Youngtimer von der Rallye Paris Dakar

Ein Dutzend Teilnehmerfahrzeuge aus der 38-jährigen Geschichte der Rallye Paris Dakar zeigten, dass es nicht immer supertreuren Materials bedarf, um die Strapazen dieser Langstreckenfahrt zu überwinden. Auch vergleichsweise seriennahe Renault 4/5 oder Range Rover schafften beachtliche Ergebnisse auf der rund 10’000 km langen Fahrt von Paris nach Dakar.
In Antizipierung des nächsten Porsche-Le-Mans-Sieges

Auf dem Porsche-Stand wurden Le-Mans-Sieger gezeigt, darunter der legendäre 917 Kurzheck, der 1971 siegreich war. Da wurde dann auf den sozialen Netzwerkplattformen schon bald diskutiert, warum man denn den diesjährigen Wagen für Le Mans als potentiellen Sieger nicht gleich mitausstellte.
120 Jahre Motorsport bei Mercedes
Ebenfalls voll auf den Motorsport setzte Mercedes Benz mit ihrem Auftritt. 120 Jahre Rennsport wurden zelebriert und zu sehen waren ein Mercedes Grand Prix Wagen aus dem Jahr 1914, der Stromlinien-Rennwagen Mercedes Benz W 196 R von 1954, der Sauber-Mercedes C9 von 1986 sowie ein neuerer Formel1-Silberpfeil und ein DTM-Auto.
Renault - sportlich und raumorientiert
Zwei Schwerpunkte machten den wie üblich komfortabel grossen Renault-Stand aus. 30 Jahre Renault Espace wurden mit einem Überblick über die ganze Modellreihe gefeiert.
Gezeigt wurde aber auch einer der Prototypen von Matra aus dem Jahr 1980 und das Projet 900 aus dem Jahr 1959, einer Frontlenker-Limousine mit einem V8-Motor im Heck. Dieser Prototyp war seiner Zeit voraus, kann aber als Vorläufer des späteren Espace gesehen werden.

Etwas sportlicher ging es rund um das Jubiläum “50 Jahre Renault R8 Gordini” zu. Eine ganze Reihe der quirligen Heckmotor-Limousinen wurden gezeigt, Jean Ragnotti liess sich dabei mit seinem ehemaligen Dienstwagen ablichten.
Aerodynamik bei Citroën
Wie sich Citroën eine ökonomische Limousine im Jahr 1956 vorstellte, zeigte der Prototyp C10, den André Lefèbre damals gebaut hatte. Der im Tropfendesign gehaltene Viersitzer für vier Personen verfügte über den auch heute noch konkurrenzfähigen cw-Wert 0.258 und war nur 382 kg schwer. Als Motor war ein 425 cm3 grosser Zweizylinder, bauähnlich mit dem Antriebssatz des 2CV, vorgesehen, der den 3,8 Meter langen Wagen trotz nur 12 PS über 100 km/h schnell gemacht hätte.
Wie immer rundeten weitere Klassiker und die attraktiven Clubstände die Citroën-Präsenz ab.
Cabriolets und Coupés bei Peugeot
Auch Peugeot zeigte Raritäten, darunter eines von rund 20 bei Worblaufen gebauten Peugeot 203 Cabriolets aus dem Jahr 1951, eines der seltenen 402 Darl’mat Cabriolets aus dem Jahr 1938 und das ganz besondere 403 Coupé eines Herrn Bernard aus dem Jahr 1956, das nicht nur durch eine attraktive Farbgebung auffiel sondern auch durch die Form, die durchaus Elemente der späteren Pininfarina-Entwürfe für Peugeot vorwegnahm.
Der windschlüpfige Skoda 935
Bei Skoda gab es neben dem immer wieder gerne gezeigten Felicia Cabriolets auch weniger bekannte Raritäten zu sehen, so den Skoda 935 aus dem Jahr 1935 (ungefähr). Dieser zeigt alle Charakteristiken, die man sonst bei den Tatra-Heckmotor-Fahrzeugen jener Zeit findet. Allerdings gibt e auch gewichtige Unterschiede, die den Skoda moderner erscheinen lassen: Wasser- statt Luftkühlung, Mittel- statt Heckmotor.
Der sich in Restaurierung befindliche Wagen erlaubte einen Einblick in die Technik, wie man ihn nicht alle Tage hat.
Die Unbekannten aus aller Welt
Einen unbekannten Sportwagen aus Kanada zeigte ein französischer Restaurierungsbetrieb. Beim Manic GT aus dem Jahr 1971 handelt es sich um ein Kunststofffahrzeug mit technischen Elementen des Renault R8/R10, der zwischen 1970 und 1971 rund 160 Mal für den lokalen Markt gebaut wurde.
Ähnlich unbekannt dürfte den meisten Besuchern auch der Woodill Wildfire gewesen sein, ein Kunststoffsportwagen aus amerkanischer Fertigung den es vor rund 60 Jahren als Bausatz oder Fertigprodukt zu kaufen gab.
Wenig bekannte Fahrzeuge gab es auch in der Sonderausstellung der Maharadscha-Fahrzeuge zu sehen, die neben anderen Raritäten einen Alfa Romeo RLSS, einen Isotta Fraschini 8A, einen Humber und mehrere Rolls-Royce zeigte.
Vier Auktionen
Rund um das verlängerte Rétrmobile-Wochenende gruppierten sich vier Versteigerungen. RM Auctions bot am Mittwoch Abend 53 hochkarätige Klassiker an, Bonhams organisierte am Donnerstag eine Ganztagsversteigerung mit Automobilia, Motorrädern und 147 Autos.

Am Freitag konnten Autokäufer dann bei Artcurial um über 130 Fahrzeuge feilschen und am Samstag schliesslich kamen beim selben Auktionshaus auch noch über 50 Alfa Romeo in der "Solo Alfa" Versteigerung unter den Hammer.
Rund 300 Autos wechselten also alleine über diesen Weg den Besitzer.
Die fleissigen Händler
Die grossen Händler hatten einmal mehr keine Mühe gescheut, attraktive Fahrzeuge nach Paris zu bringen. Während Hall & Hall es dieses Mal nicht an die Retromobile schaffte, zeigte Fiskens einen seltenen, wenn nicht gar den einzigen Turcat-Méry Model MJ Boulogne Roadster aus dem Jahr 1913, angetrieben durch einen 6,1-Liter Motor mit vier Zylindern und inzwischen hundert Jahre alt.
Ebenfalls zu sehen waren bei Fiskens ein Talbot-Lago T26 GS von 1950, der 1951 bei den 24 Stunden von Le Mans am Start war, mit Rosier und Fangio am Lenkrad.

Bei Lukas Hüni gab es zwar kaum etwas zu kaufen, aber umso mehr zu sehen. Jeweils drei Aston Martin Rennwagen und drei Ferrari-Strassensportwagen, darunter ein äusserst seltener Ferrari 250 LM Stradale aus dem Jahr 1964, faszinierten die vielen Besucher.
Nicht weniger interessant war der Bugatti T35C von 1928 mit Chassis-Nummer 4871, bei dem es sich vermutlich um das originalste Exemplar des berühmten Grand-Prix-Wagen handelt.
Generell vermeldeten die Händler einen guten Geschäftsgang und manches Fahrzeug war bereits nach dem VIP-Tag verkauft und so mancher, der bei den Auktionen nicht fündig wurde, kam schliesslich bei Movendi, Kienle, HK Engineering, JD Classics oder anderen Händlern zum gewünschten Traumwagen.
Und was man nicht kaufen konnte, lud wenigstens zum Träumen ein, wie z.B. der Ferrari 330 P4, der zusammen mit dem originalen Transporter des Typs Fiat Bartoletti gezeigt wurde, mit dem er 1967 nach Le Mans gelangte.
Vielfältige französische Club-Szene
Wie jedes Jahr sorgten auch die französischen Clubs wiederum für viele attraktive Anziehungspunkte.
Der Autobianchi-Club etwa feierte 50 Jahre Primula, dem Vorreiter der Kompaktheckklappen-Limousinen. Beim BMW-Club gab es einen BMW 1600 GT (mit Frua-Karosserie) zu sehen, beim Alfa-Romeo-Club eine superseltene Giulia TZ2 zu bewundern.
Wo sonst könnte man einen herrlichen Simca Vedette, einen Hotchkiss Monceau, einen Panhard Dyna Junior oder einen ganz besonderen Amilcar Rennwagen sehen, wenn nicht an einem dieser attraktiv aufgemachten Clubstände?
Die Hungrigen
Zwar hielten sich die Fusswege nachwievor in Grenzen, trotzdem verlangt der Körper von Zeit zu Zeit nach flüssiger oder fester Nahrung. Doch hier war Geduld gefragt, denn schnell wuchsen die Warteschlangen auf 15 und 20 Meter. Aber auch dies gehört zur Rétromobile, genauso wie die riesigen Schlangen beim Eingang und das Gedränge in der Halle.
Trotzdem verliess wohl kaum ein Besucher die diesjährige Messe enttäuscht und die negativen Aspekte sind bis nächstes Jahr sowieso wieder vergessen, wenn die Rétromobile im Jahr 2015 wieder die Tore öffnen wird.
Dann melden Sie sich an (Login).