Für viele Oldtimer-Enthusiasten ist die Rétromobile die Krönung des Messejahres. Sie strömen alljährlich in die Hauptstadt Frankreichs und erdulden geduldig Warteschlangen, unzureichend dimensionierte Verpflegungsmöglichkeiten und das typische Gedränge (über 500 Autos von 550 Aussteller auf 51'000 Quadratmetern) in den auch nach den Vergrösserungen engen Hallen der Rétromobile Paris.
Vom 3. bis 7. Februar 2016 war es wieder soweit und auch die 41. Austragung dürfte nur die wenigsten der rund 110’000 Besucher enttäuscht haben.
Von Citroën bis Renault, von Honda bis Porsche
Einen sicherlich nicht unerheblichen Anteil an der jedes Jahr hochkarätigen Messe haben die Autohersteller, die auch 2016 keine Mühen scheuten, interessante Fahrzeuge an der Porte de Versailles zu zeigen.
So gab es bei Citroën etwa eines der raren Traction Avant 11 B Cabriolets mit Jahrgang 1936 zu sehen. Und vis-à-vis strotzten Varianten des Méhari nur so von Lebensfreude.
Bei Peugeot feierte man den 50. Geburtstag des 204 und präsentierte stolz einen 402 Dal’mart Roadster von 1938 mit umfangreicher Renngeschichte.
Renault zeigte in Anbetracht des bevorstehenden Wiedereinstiegs in die Formel 1 den RE40 aus dem Jahr 1983, setzte aber auch die Fahrzeuge von Alpine ins beste Licht. Zudem wurde mit dem Etoile Filante aus dem Jahr 1956 einem erfolgreichen Turbinen-Rekordfahrzeug viel Platz eingeräumt.
Honda feierte den 25. Geburtstag des NSX und den 50. des Honda S800, während Jaguar auf einem grossen Stand unter anderem den Le-Mans-Sieger XJ9 aufstellte.
Bei Mercedes-Benz wurden die grossen und mondänen Cabriolets gefeiert, bei Porsche erfolgreiche Rennwagen wie der Dreikantschaber oder der Le-Mans-Sieger GT1, aber auch die Sieger im französischen Porsche-Restaurierungswettbwerb.
Und der frühere französische Nationalstolz, die Marke Bugatti? Ja, man war vor Ort, doch ganz im Gegensatz zur Konkurrenz verzichtete man auf die Präsentation der Historie und zeigte nur zwei aktuelle Varianten der Sportwagenschmiede in Volkswagen-Besitz. Schade!
Edle Händler-Auslagen
Eine Rétromobile ohne Bugatti-Klassiker wäre natürlich undenkbar und natürlich musste man nicht auf den Anblick der berühmten Sport- und Rennwagen verzichten. Es waren die Händler, die die Lanze für die Molsheimer Firma brachen, allen voran Lukas Hüni, der einen Bugatti Grand Prix Type 59 von 1934 mit herrlicher Patina, einst unterwegs mit Dreyfus, auf seinem Stand zeigte. Und damit nicht genug, gezeigt wurden auch ein Jaguar D-Type, ein XKSS und ein Aston Martin DB 3 S von 1955.
Fast noch ein wenig glanzvoller, nicht zuletzt wegen der deutlich helleren Beleuchtung, ging es auf dem Stand von Fisken zu, der wie immer Renn- und Sportwagen vorzuzeigen hatte. Bizzarrini 5300 GT, Ferrari 512 M, Ferrari Dino 166 F2, Alfa Romeo 33/2 Le Mans, HWM Jaguar, Porsche 356 Carrera Abarth, Lotus 91 - die Auswahl war phantastisch.
Schöne Autos hatten natürlich auch andere Händler wie Axel Schuette, Movendi oder Galerie Les Damiers zu bieten, um nur einige Beispiele zu nennen. Wer mit einem dicken Budget in Paris angekommen war, für den war fast nichts unmöglich.
Die Rückkehr eines Baillon-Talbot-Lagos
Exakt vor einem Jahr ware anlässlich der Rétrmobile 2015 die Sammlung Baillon versteigert worden. Scheunenfunde in mehr oder weniger desolatem Zustand hatten für Millionen neue Besitzer gefunden. Unter den wertvolleren Autos befand sich auch ein Talbot-Lago T26 Record mit Saoutchik-Karosserie aus dem Jahr 1949.
Inzwischen sind offensichtlich die Restaurierungsarbeiten an die Hand genommen worden, jedenfalls konnte der Wagen mit komplett neu erstelltem Holzgerippe gezeigt werden. Bis zur Fertigstellung dürften allerdings noch viele Monate, wenn nicht Jahre vergehen.
Wie man Restaurierungsarbeiten eindrücklich demonstrieren kann, zeigte das Beispiel eines halbseitig neu aufgebauten Lancia Flavia Coupés.
Generell waren, nicht zuletzt auch bei den Versteigerungsfirmen, Autos im Scheunenfund-Zustand keine Mangelware, was für die Messebesucher kein Nachteil sein muss, denn gerade diese Autos haben immer ihren ganz besonderen Reiz.
Die Handschrift des Philippe Charbonneaux
Ihn einen Autodesigner zu nennen, wäre eine Untertreibung, denn Philippe Charbonneaux war nicht nur ein Zeichner, sondern ein Vordenker. Er beschäftigte sich gerne mit dem Automobil, entwarf aber auch Autobahnen, Gebäude und Mobilitätskonzepte.
Als Designchef bei Renault war er unter anderem bei den Modellen R8 und R16 beteiligt und so stand denn auch eine R16-Variante mit Stufenheck in der ihm gewidmeten Sonderschau. Zu sehen war auch ein Delahaye 235 mit Pontonkarosserie, die Charbonneaux im Jahr 1950 entwarf, sowie ein Superbus “Pathé-Marconi“.
Interessant war sicherlich auch der Wimille von 1948, der vor allem aerodynamisch sehr fortschrittlich war.
Die etwas anderen Automobile
Schon von Anfang an positionierte man die Räder an Automobilen an den vier Ecken, doch bereits Gabriel Voisin, ein Pionier und Autokonstrukteur, erdachte sich eine Alterantive, die die Räder in einem Rhomboid oder Parallelogramm anordnete. Fünf derartige Fahrzeuge, die über 50 Jahre entstanden sind, konnten die überraschten Besucher an der Rétromobile anschauen, darunter auch zwei Varianten, die Philippe Charbonneaux entwickelte.
Ästhetisch am überzeugendsten gelang wohl der PFX von Pininfarina aus dem Jahr 1960, aber am innovativsten wirkte L’Automodule von 1968, das nicht ganz zufällig auch in einem Science Fiction Film eingesetzt wurde.
Monster der Rekordlust
In Zusammenarbeit mit dem Bealieu Museum konnte die Rétromobile drei Rekordfahrzeuge der automobilen Frühzeit in einer weiteren Sonderschau zeigen. Ein Napier von 1903 mit Gordon Bennet Cup Vergangenheit, ein Darracq V8 von 1905, der fast 200 km/h erreichte und der Fiat S76 von 1911, der mit nur vier Zylindern einen Hubraum von fast 30 Litern bemühte, um 300 PS bei 1900 Umdrehungen zu produzieren und damit über 210 km/h schnell zu sein, konnten von den Besuchern nicht nur betrachtet, sondern zumindest teilweise auch fahrend beobachtet und vor allem auch gehört werden.
Wer die Flammen beim von einem Briten neu aufgebauten Fiat S76 gesehen hat, wird dieses Monster, das zwei Tonnen wiegt und seine Kraft über Ketten auf die Hinterräder führt, nicht zu schnell vergessen.
110 Jahre ACO
Ein besonderes Jubiläum durfte der Automobile Club de l’Ouest feiern, der Organisator der 24 Stunden von Le Mans. Bereits 1906 erfolgte um den Grand Prix de l’ACF in Frankreich die Gründung, seither ist der ACO aus dem französischen Renngeschehen nicht mehr wegzudenken.
So präsentierte man in grosszügigem Rahmen 110 Jahre Geschichte, zeigte Rennwagen aus verschiedenen Jahrzehnten, aber auch besondere Automobile wie den Ferrari Dino Berlinetta Speciale von 1965 zusammen mit instruktiven Tafeln.
Teuf-Teuf
Bei uns nennt man sie “Schnauferl” oder auch Messingautos, in Frankreich spricht man von Teuf-Teuf, gemeint sind die Automobile der Frühzeit.
Auch ihnen wurde eine Sonderschau eingeräumt, aber zur Freude der Besucher sah man die uralten Autos auch fahrend draussen vor der Halle und einige Leute erhielten sogar die Gelegenheit zur Mitfahrt.
Die Autos von Madame
“Une femme, une collection” hiess eine Sonderausstellung mit Renn-, Sport- und Strassenfahrzeugen, die Julia de Baldanza im Laufe der Jahre zusammengetragen hatte. Sie bezeichnet sich selber eher als Fan denn als Rennfahrerin, aber sie kann mit den alten Autos durchaus umgehen, wie ihre Ergebnisse bezeugen.