Sie trumpfte gross auf, die neue Oldtimermesse Retro Classics Bavaria vom 9. bis 11. Dezember 2016. Bereits beim ersten Mal war sie so gross wie die Retro Classics Stuttgart im siebten Jahr. Vier Hallen, 37’000 Quadratmetern und 350 Aussteller, eindrückliche Zahlen, die Karl Ulrich Herrmann bei der Presseorientierung nennen konnte.
“Wir setzen auf ein ähnliches Konzept wie in Stuttgart, versuchen die Hallen nach Themen zu organisieren. Dies geht hier natürlich wegen der geringeren Grösse noch nicht so gut wie in Stuttgart”, ergänzte Herrmann und vergass auch nicht, rund 1800 ausgestellte Fahrzeuge zu nennen.
Interessant war auch seine Aussage, dass über 80% der Aussteller nicht in Stuttgart anwesend gewesen seien. Die Gegend um Nürnberg, ein Einzugsgebiet von über 3.5 Millionen Einwohnern, verfügt offenbar über eine prosperierende Oldtimer-“Industrie”. Und diese trat denn auch überzeugend auf an der Veranstaltung im grossen Messegelände im südöstlichen Teil der Stadt Nürnberg. Ausbaupotential verfügt die Messe zur Genüge, stehen doch insgesamt über 170’000 Quadratmeter zur Verfügung.
Immer regionaler?
Gemäss Herrmann werden die Oldtimer-Messen immer regionaler, was auch die Kosten für die anreisenden Aussteller senken würde. Es gab übrigens bereits früher eine Oldtimer-Messe in Bayern, allerdings in München und dies vor vielen Jahren.
Die erwarteten 30’000 Besucher, die man vor allem aus Franken und der Umgebung von Nürnberg rekrutieren wollte, konnten nicht ganz realisiert werden, aber die bis am Sonntag Abend gezählten 26’544 Besucher sind auch so recht eindrücklich. Jedenfalls strömten bereits am Freitag gehörige Horden in die Hallen und tatsächlich konnten einige Händler bereits am ersten Tag “verkauft/sold”-Schildchen montieren, wobei es sich in der Tendenz eher um die günstigeren Angebote handelte.
Bis am Sonntag konnten aber auch viele teuere Fahrzeuge verkauft werden, so etwa ein Ferrari F40, der gemäss offiziellen Angaben für einen siebenstelligen Betrag veräussert werden konnte.
Die ganz besondere Japaner-Show
Natürlich gab es auch in Nürnberg viele Mercedes-Benz und Porsche zu sehen, doch schien das Angebot insgesamt beim Durchschreiten der Hallen eher vielfältiger zu sein, als dasjenige von Stuttgart. Eine interessante Sonderschau beispielsweise zeigte das Autohaus Macht aus Eckental-Brand einige Exemplare seiner reichhaltigen Mitsubishi- und Subaru-Sammlung.
Da gab es dann etwa einen von weltweit vielleicht nach zehn existierenden Mitsubishi Colt aus dem Jahr 1967 zu sehen, 51 PS stark und mit Lenkradschaltung ausgerüstet. Sechs Personen durften damals mitfahren, demnächst wird der Wagen komplett restauriert.
Rar dürfte auch das Galant Coupé A110 von 1976 sein, das Anja und Tilo Macht in Schottland aufgespürt haben. Und eine Seltenheit ist natürlich auch der Mitsubishi Sapporo als Cabriolet aus dem Jahr 1983 und einst der Presse-Testwagen, der auch in der Zeitschrift AMS abgebildet war.
BMW-Vielfalt
Eigentlich hätte man in Nürnberg viele BMW erwartet, schliesslich liegt München ja nur gut 160 km entfernt. Doch soviele waren es dann doch nicht. Immerhin machten sich aber einige Clubs für die Marke statt, so zeigte etwa der BMW-V8-Club die stolzen Achtzylinder, die E34 IG Fünfermodelle.
Beim Isetta-Club gab es natürlich den Kabinenroller, aber auch den BMW 700 zu sehen. Eine noch breitere Auswahl aber zeigte Christian Silberhorn , der 2017 seine Sammlung in Nürnberg-Fischbach öffentlich machen wird.
Einen Vorgeschmack - BMW 328, i8, M1, 502, Dixi - konnten die Besucher der Messe aber bereits mitnehmen.
Fantastischer Plastik aus Grossbritannien
Sie gehören in Deutschland zu den Exoten, die Sportwagen der britischen Firma TVR. Der TVR Club Deutschland scheute keine Mühen, um gleich drei der raren Modelle nach Nürnberg zu bringen, logistisch keine leichte Aufgabe in der Winterszeit.
So standen denn ein TVR Vixen und ein TVR Grantura aus den Sechzigerjahren sowie ein TVR 3000M Cup von 1976 auf dem Stand.
Und als Besucher konnte man gleich noch etwas dazulernen. Denn dieser weisse 3000 M war ein nur zehnmal gebautes Sondermodell, das mit dem Ziel der Gewichtserleichterung ohne Stossfänger und mit einfachen kleinen Rückleuchten ausgerüstet worden war. Nur noch das gezeigte Modell soll existieren.
Auch viele Italiener
Auch Fiat und Alfa Romeo waren sowohl im Bereich der Clubstände als auch bei den Händlerangeboten gut vertreten.
Für winterliche Stimmung sorgte beispielsweise der rote Fiat 124 Spider mit den Skiern auf dem Kofferraum.
Ein Stück Nürnberger Industriegeschichte
Das Merks Motor Museum und das Motorrad Museum Nürnberg zeigten eine Auswahl der Fahrzeuge, die in Nürnberg entstanden sind.
Angefangen bei einem Viktoria Motorrad von 1904 wurden unter anderem auch diverse andere Zwei- und Dreiräder gezeigt, etwa einen Herkules Roller 200 von 1955 mit Seitenwagen.
Traktoren, Nutzfahrzeuge und Busse
Wie man es bereits von der Retro Classics in Stuttgart kennt, sorgte eine Sonderschau mit historischen Omnibussen, LKWs und Traktoren sowie Landmaschinen für zusätzliche Farbtupfer und nostalgische Gefühle.
Breites Angebot an Klassikern zum Kaufen
Unter den Hunderten von Fahrzeugen, die potentiellen Käufern angeboten wurden, gab es manche interessante Rarität, die man nicht überall sieht. So konnte etwa ein VW Scirocco L von 1977, der mit den rechteckigen Scheinwerfern, mit nur 77’000 km auf dem Tacho gekauft werden. Ein Stück weiter fand man zwei seltene Lancia-Limousinen, ein 2000 von 1970 und eine Appia von 1960. Auch einen Alfa Romeo 33, den Nachfolger des Alfasud, gab es zu erwerben. Oder ein weisses BMW 700 Coupé Sport von 1961, das für EUR 24’900 angepriesen wurde.
Natürlich standen längst nicht alle Autos zum Verkauf, so handelte es sich etwa beim Opel GT/E von 1979, der mit dem Neuwagen-Kaufvertrag von damals gezeigt wurde, um ein Exemplar in Sammlerbesitz.
Aussuchen konnte man hingegen aus einem breiten VW-Käfer-Angebot, von Bretzel-Faltdach-Variante bis zum Harlekin in Vielfachlackierung.
Die Preise lagen insgesamt teilweise im sehr ambitionierten Rahmen, teilweise aber auch in vernünftigen Regionen, vor allem, wenn es sich um weniger exotische Fahrzeuge handelte.
Natürlich auch Teile und Zubehör
Selbstverständlich gab es in Nürnberg auch einige Teilehändler, Modellautoverkäufer und Literaturanbieter, wie bei jeder anderen Oldtimer-Messe auch. Etwas ungewöhnlicher kam einem da schon der Jacuzzi-Anbieter oder der Verkäufer von Tresoren vor.
Gelungene Premiere
Insgesamt überzeugte bereits die erste Austragung der Bavaria-Variante der Retro Classics. Ein interessantes und vielseitiges Fahrzeugangebot, schön gestaltete Stände, eine insgesamt luftige und gute Stimmung in den Hallen und spannende Sonderausstellungen, die allerdings grossteils privater Initiative zu verdanken waren, rechtfertigten die rund EUR 20 Eintrittspreis sicherlich.
Dass die Messe noch mehr Potential hat, haben die Organisatoren bereits mitgeteilt, auch dass die Messe keine Eintagsfliege sei. Die nächsten fünf Austragungen sind bereits geplant, am Datum im Dezember soll festgehalten werden.
Ob allerdings diese Regionalisierung nicht trotzdem zu einer gewissen Kannibalisierung zwischen den einzelnen Messeanbietern führen wird, werden wir sicherlich spätestens dann sehen, wenn mit Hamburg und Köln weitere Städte ihre eigenen Oldtimermessen veranstalten.
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