Es hat sich bereits 2014 abgezeichnet! Die Automobilindustrie schaut vor allem vorwärts. Da gibt es nicht mehr viel Platz für Geschichte und Legendenbildung. Brennstoffzellen und Elektroautos haben halt auch herzlichst wenig mit den Autos der Fünfziger- oder Sechzigerjahren zu tun, wenigstens auf den ersten Blick.
Nichtsdestotrotz konnte der Freund klassischer Autos auch am Genfer Automobilsalon des Jahres 2015 einige historische Fahrzeuge erblicken.
Die Göttin als Namensgeber
Citroën verkauft bekanntlich neuerdings ganze Produktelinien unter dem Namen “DS”.
Da ist der 60. Geburtstag der Göttin (la déesse = die Göttin) natürlich ein willkommener Aufhänger, auch etwas zurückzuschauen. Dies tut man mit einer blauen DS Limousine, die der geneigte Besucher allerdings im hinteren Teil des Citroën-Stands suchen muss.
Der Flügeltürer im Mittelpunkt
Bei Mercedes-Benz hingegen thront der 300 SL Flügeltürer in grauer Lackierung in der Mitte des Stands und stiehlt trotz der unscheinbaren Farbe manchem Neufahrzeug die Schau.
Mercedes-Benz ist überhaupt sehr gut vertreten, wenn es um Klassiker geht. Das Modell G ist ja im Prinzip schon zu Lebzeiten ein Oldtimer und wird von der Tuner-Gemeinde richtiggehend verhätschelt.
Bei Brabus gibt es zudem restaurierte Mercedes-Oldtimer zu sehen, einen Pagode, ein viersitziges Cabriolet der Sechzigerjahre und natürlich einen 300 SL Roadster.
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Porsche, VW, Audi, und weitere
Spider wirbt für Spider
Alfa Romeo zeigt auch in Genf den 4C Spider und lässt zu diesem Zwecke den 1900 Sport Spider aus der Hand Bertones von 1954 auffahren.
Auch hier erregt das elegante Einzelstück wohl sicher so viel Aufsehen wie der moderne Nachfolger, der es aber durchaus auch in sich hat.
Die übrigen italienischen Hersteller (Ferrari, Maserati, Fiat) verzichten auf einen Blick zurück, eine Ausnahme machen gelegentliche Filmeinblendungen im Hintergrund.
Borgward ist zurück
Einen geradezu eindrücklich grossen Stand besetzt eine Marke, die eigentlich in den Sechzigerjahren von uns gegangen ist: Borgward.
Gezeigt werden kann noch nicht viel, so muss ein aufgearbeitetes Markenzeichen und eine Borgward Isabella als Coupé reichen. Hinter der Wiedererweckung steckt unter anderem Christian Borgward, ein Nachfahre von Carl F. W. Borgward.
Die Zielsetzung des neuen Borgward ist es, Premium-Technologie zugreifbar zu machen, wie es bereits Carl F. W. tat, als er die Einpritzung in den Goliath einbaute, den Vierventilmotor in den RS 1500 oder mit dem P100 einen Konkurrenten zu den Oberklassen-Limousinen jener Zeit baute. Ob es gelingen wird, werden wir sehen. Konkrete Pläne gibt es bisher nur in Ansätzen, angedacht ist etwa ein moderner SUV, der wohl in China gefertigt werden wird und an der IAA 2015 vorgestellt werden soll. Pro Jahr sollen bis zu zwei neue Modelle erscheinen.
Und noch ein Name feiert Wiederauferstehung: Maybach. Zwar nicht als Marke, aber immerhin als Typenbezeichnung bei Mercedes-Benz.
Verpasste Chance bei TAG-Heuer
Etwas enttäuscht ist der historisch interessierte Messebesucher von der gross angekündigten Sonderschau von TAG-Heuer. Nachdem 2014 die Le-Mans-Retrospektive für viel positives Echo gesorgt hat, findet sich bei TAG-Heuer gerade einmal ein altes Auto in Form des von Senna gefahrenen McLaren-Honda MP4-4 von 1988.
Da hätte es doch möglich sein müssen, statt eines Lotus Elise ein Carrera-Panamericana-Auto oder einen Formel-1 aus der Siffert-Ära zu zeigen ...
Fast schon fertig
Und damit ist der an altem Blech interessierte Messebesucher schon fast fertig mit seinem Rundgang, wären da nicht noch zwei ältere Porsche-Modelle bei RUF und ein originaler McLaren F1 mit Langheck.
Und natürlich gibt es die Autos von den Herstellern zu sehen, welche zwar als Neuwagen entstehen, in ihrem Geiste aber eigentlich schon Oldtimer-Klassiker sind, also etwa Land-Rover oder Morgan.
Einige Aussteller haben wirklich eine Chance verpasst, ihre Tradition zu ihrem Vorteil auszuspielen, etwa Ford, wo ein historischer GT40 sicher gut zum neuen GT gepasst hätte oder Mazda, wo man neben dem aktuellen MX-5 sicher Platz für einen frühen Vertreter der Baureihe gefunden hätte. Auch Aston Martin hätte zur Lagonda-Limousine sicher ein Modell der Sechzigerjahre stellen können, aber es scheint, dass man die Tradition lieber an den Oldtimermessen zeigt, was ja auch nicht schlecht ist.
Als Thema für eine Sonderschau möchte Zwischengas anregen, einmal eine Auswahl von Salon-Premieren vergangener Jahre zusammenzustellen, vom Mercedes-Benz 230 SL über den Lamborghini Miura bis zum Peugeot 604, warum nicht?
Und die Neuzeit?
Natürlich fokussiert ein Automobilsalon primär auf die Zukunft, entsprechend ziehen auch vor allem die Salonneuheiten und die Konzeptfahrzeuge das Interesse auf sich. Und von diesen hat es im Jahr 2015 eine ganze Reihe.
Sie sind zwar nicht das primäre Thema dieser Publikation, aber für interessierte Betrachter haben wir in der Bildgalerie eine Reihe der Weltpremieren und zukunftsweisenden Studien mit aufgenommen, mit wenigen Ausnahmen konsequent sortiert nach (ursprünglichem) Erscheinungsjahr und Marken. Viel Vergnügen.
Imposante Ausstellungstechnik
Was unabhängig fast von den Exponanten auffällt, ist die in die Perfektion entwickelte Ausstellungstechnik. Die riesigen Bildwände zeigen Bewegtes und Stehendes in beeindruckender Schärfe, da laufen im Hintergrund Filme ab, die fast schon alleine den Besuch des Salons wert sind. Und ja, es gibt auch immer noch Schnittmodelle zu sehen. Und ja, auch die eleganten Damen sind noch nicht verschwunden, auch wenn mancher Beobachter meint, dass gerade in diesem Punkt in der Vergangenheit möglicherweise mehr investiert wurde.
Imposant ist die Lichtleistung und das Sternenmehr in den Hallen. Mussten Fotografen früher 10 und 15 Sekunden belichten, um ein Fahrzeug auf den Film zu bannen, produzieren Tausende von Spotlampen praktisch Tageslicht. Perfekte Ausleuchtung der schönen Autos ist heute Gebot der Stunde.
Wer sich für Ausstellungstechnik interessiert, sei auf den aktualisierten Bericht dazu verwiesen.