Als wäre die Absage im vergangenen Jahr nicht schon genug gewesen, wurde der Concorso d’Eleganza im Garten der Villa d’Este dieses Jahr pandemiebedingt von Mai auf Oktober verschoben. Doch mit fünf Monaten Verspätung fand die traditionsreiche Schönheitskonkurrenz schliesslich vom 1. bis zum 3. Oktober 2021 nach über zwei Jahren Pause endlich wieder statt.
Die Öffentlichkeit war allerdings noch nicht zugelassen, sodass es am Seeufer etwas ruhiger zuging als sonst. Trotzdem buhlten dieses Jahr wieder 47 Autos um die begehrten Trophäen und Auszeichnungen, begleitet von fünf modernen Konzeptstudien, die ausserhalb der Wertung präsentiert wurden. Neben der äusseren Schönheit und der technischen Perfektion waren es vor allem die Geschichten der Autos, die besonders faszinierten.
Deutschland gegen England
Der Engländer Ian Maxwell-Scott legte die gut 1000 Kilometer lange Anreise nach Cernobbio in seinem Aston Martin DB5 Convertible auf eigener Achse zurück. Das sierrablaue Cabriolet befindet sich bei ihm erst in zweiter Hand. Erstbesitzer war ein englischer Chirurg, zu dessen Patienten auch Königin Elisabeth gehörte. Deshalb durfte sein Dienstwagen gerne ein wenig schneller sein. Ob er jedoch die 286 PS auch für Hausbesuche nutzte und die 240 km/h auf dem Weg dorthin ausfuhr, ist nicht überliefert.
Der DB5 trat in der Klasse "Showroom Showdown – Britain and Germany Battle for Luxury Supremacy" an, in der englische und deutsche Klassiker der Nachkriegszeit gruppiert waren. Frei nach Gary Lineker gewannen am Ende aber (wie immer) die Deutschen; der Klassensieg ging an den weissen Mercedes-Benz 300 SL mit Aluminium-Karosserie. Der Zweithand-Aston erhielt aber immerhin eine "ehrenhafte Erwähnung".
Verhinderte Rennwagen und große Kleine
Der österreichische Gräf & Stift SR4 SP aus dem Jahre 1924 wurde eigens für das Bergrennen am Semmeringpass in Östereich gebaut. Doch dann ging leider den Organisatoren das Geld für 1925 aus. Das Auto verschwand auf dem Dachboden der Firma und wurde erst 1980 beim Abriss des Firmengebäudes wiederentdeckt. Der Bootsheck-Roadster wurde daraufhin an einen Sammler verkauft, der den Wagen eigentlich restaurieren wollte. Doch nachdem er zerlegt war, verfiel der Gräf & Stift wieder für mehr als 20 Jahre in Dornröschenschlaf.
Erst nachdem er wieder den Besitzer gewechselt hatte, wurde ihm wieder Leben eingehaucht. Knapp zwei Wochen vor dem Concorso, für den er (noch unter Vorbehalt) bereits gemeldet war, wurde die Restaurierung abgeschlossen, und der nie eingesetzte Rennwagen verliess zum ersten Mal sein Heimatland für ein Wochenende im Nachbarland Italien. Zum Sieg in der Klasse "Developing the Theme – Space, Pace and Grace" reichte es trotzdem nicht. Der ging an den 1938er Delage D8-120 S mit atemberaubend schöner Roadster-Karosserie von De-Villars.
Grosse Aufmerksamkeit (aber keinen Pokal) erhielt der Fiat 508 CS Balilla Aerodinamica im Stil eines geschrumpften Bugatti Atalante, der sich inmitten all der schweren grossen Vorkriegswagen von Bentley, Rolls-Royce oder Delage ebenfalls in der Kategorie "Developing the Theme – Space, Pace and Grace" versuchte. In einer Holzkiste, die fast so gross wie das Auto war, war dessen Lebens- und Restaurierungsgeschichte von 1935 bis heute mit Fotos und Originalteilen dokumentiert.
Fiat, Ferrari und Fraschini
In der Klasse der italienischen Nachkriegsautos "Granturismo all’Italiana – Finding the Perfect GT Formula" ging der Sieg an einen Fiat 8V, der allerings nicht das schon oft prämierte Supersonic-Kleid von Ghia trug, sondern eine elegante Coupé-Karosserie von Vignale. Er setzte sich unter anderem gegen einen Isotta Fraschini 8C Monterosa mit Cabrio-Aufbau von Boneschi durch. Der 1947 auf dem Pariser Salon vorgestellte Wagen mit Hemi-V8 im Heck sollte den Neubeginn nach dem Krieg einleiten, kam jedoch über das Prototypen-Stadium nicht hinaus.
Der rote Ferrari F40 war nur nur auf den ersten Blick ein F40 wie jeder andere der 1315 gebauten Autos. Bei genauem Hinsehen entpuppte er sich als einer von acht Prototypen. Vermutlich war er sogar eines der zwei Fahrzeuge, die Ferrari am 21. Juli 1987 zur Pressvorstellung nutzte. Dieser Prototyp unterscheidet sich in diversen Details von der späteren Serie, zum Beispiel in der Chassis-Konstruktion, den fest montierten Scheinwerfern und einem anderen Heckgrill. Ferrari verkaufte ihn 1992 an einen privaten Besitzer.
Doch auch für diesen so besonderen F40 reichte es "nur" für eine Ehrennennung. Der erste Platz der Kategorie "The Birth of the Supercar – Latin Style Landmarks" ging an den Lamborghini Countach Walter Wolf Special, der 1975 auf Anregung des österreich-stämmigen Ölmillionärs entstand und der mit seinem grossen Heckflügel und den Kotflügelverbreiterungen den Look des 1978er LP 400 S vorwegnahm. Mit dem Fünfliter-Motor der Studie LP500 und 448 PS war er zudem stärker als alle bisherigen Serien-Countach.
Von der Turbine zur Tour de France
Klanggewaltigstes Auto war wohl der Howmet TX der Klasse mit dem passenden Namen "Big Band '40s to Awesome '80s – Five Decades of Endurance Racing". Der wie ein Chaparral anmutende GT wird nämlich von einer Hubschrauberturbine angetrieben. Er übertönte alles mit seinem infernalisch kreischenden Sound und begeisterte das Publikum mit seinem Duft nach verbranntem Kerosin. 1968 trat der Howmet erstmals beim 24-Stunden-Rennen in Daytona an, schaffte in der Qualifikation die siebtschnellste Zeit und arbeitete sich im Rennen dank den Tankstopps der Konkurrenz bis auf den dritten Platz vor, ehe er in Runde 34 von der Strecke flog.
Hier und heute ging er ebenfalls leer aus. Die Ehrennennung ging an den Methusalem der Kategorie: den OSCA MT4 Siluro von 1949. Der Klassensieg ging an den Ferrari 250 GT Tour de France von 1956.
Das silberne Coupé sicherte sich auch den Gesamtsieg des Concorso d’Eleganza: die begehrte "Coppa d’Oro" und damit den Titel "Best of Show". Damit gewann bereits zum siebten Mal in Folge ein Fahrzeug aus italienischer Produktion die wichtigste Auszeichnung. Der im Jahr 1956 gebaute Langstreckenrennwagen aus dem Besitz des US-Amerikaners Brian Ross verdankt seinen Namenszusatz der Tour de France Automobile, jenem Etappenrennen auf französischen Straßen, das im Jahr 1956 von einem Ferrari 250 GT gewonnen worden war. Der prämierte Wagen wurde als zweites Exemplar der daraufhin von Ferrari aufgelegten Serie gebaut und startete noch am Tage seiner Erstzulassung bei einem anderen berühmten Langstreckenrennen: der Mille Miglia. In den folgenden Jahren erzielte er noch mehrere Siege bei Bergrennen.
Ein 50 Jahre alter Neubau
Die Sonderschau der Design-Studien bot zum Abschluss noch eine Überraschung. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so schien – alle fünf gezeigten Konzeptfahrzeuge stammen aus dem 21. Jahrhundert, sogar aus den letzten drei Jahren. Denn der Lamborghini Countach LP500, der zwischen Bugatti Centodieci, Giugiaro Vision 2030, Hispano Suiza Carmen und Pininfarina Battista stand, ist ein originalgetreuer Nachbau der 1971er Studie, mit Baujahr 2021. Das Original fiel 1972 einem Crashtest zum Opfer.
Auch wenn die Pause zwischen den letzten beiden Ausgaben des Concorso d’Eleganza besoners lang war, so hat sie doch auch eine gute Seite. Durch die diesjährige Verschiebung dauert es jetzt nur gut ein halbes Jahr bis sich der Parco der Villa d`Este im Mai 2022 wieder zum teuersten Parkplatz Italiens verwandelt.
Teilnehmer und Preise
Klasse / Nr. | Fahrzeug | Jahr | Preise |
---|---|---|---|
A02 | Hispano Suiza H6 B Dual Cowl Bligh Tourer | 1926 | |
A04 | Bentley 3 Litre Speed Red Label | 1927 | |
A06 | OM 665 Sport Superba MM Zagato | 1927 | |
A08 | Alfa Romeo 6C 1750 GTC Spider Zagato | 1931 | Ehrennennung |
A10 | Armstrong Siddeley Special Six Sports Tourer | 1933 | |
A12 | Lancia Astura Torpedo GS Viotti | 1934 | Klassensieger |
A14 | Lagonda LG45 Rapide | 1937 | |
B16 | Rolls-Royce Silver Ghost 40/50 High Speed | 1920 | |
B17 | Gräf & Stift SR4 SP | 1925 | |
B18 | Lancia Dilambda Serie 1 Carlton Drop Head Coupé | 1930 | Ehrennennung |
B20 | Fiat 508 CS "Balilla Aerodinamica" | 1935 | |
B25 | BMW 328 | 1938 | |
B26 | Delage D8-120 S Cabriolet de Villars | 1938 | Klassensieger |
B28 | Steyr 220 Gläser Sport-Kabriolett | 1939 | |
C30 | Bentley Mk VI Franay Convertible | 1947 | |
C32 | Mercedes-Benz 300 SL (Aluminium) | 1955 | Klassensieger |
C34 | Bentley S1 Continental Park Ward Drop Head Coupé | 1956 | |
C36 | BMW 507 | 1959 | |
C38 | Mercedes-Benz 300 SL Roadster | 1963 | |
C40 | Aston Martin DB5 Convertible | 1965 | Ehrennennung |
D42 | Isotta Fraschini 8C Monterosa | 1948 | |
D46 | Alfa Romeo 6C 2500 Supergioiello Ghia | 1950 | Ehrennennung |
D48 | Lancia Aurelia B53 Balbo Coupé | 1952 | |
D50 | Alfa Romeo 1900 C Sprint Supergioiello Ghia | 1953 | |
D52 | Fiat 8V Vignale | 1953 | Klassensieger |
D54 | Moretti 1200 GS | 1954 | |
D56 | Siata 208 CS Coupé Bertone | 1954 | |
E60 | OSCA MT4 Siluro | 1949 | Ehrennennung |
E62 | Ferrari 250 GT Tour de France | 1956 | Klassensieger, Best of Show |
E64 | Alpine M64 | 1964 | |
E66 | Howmet TX | 1968 | |
E70 | Ferrari 512 BB Le Mans | 1981 | |
F74 | Fiat 500 Abarth Berlinetta Pininfarina | 1957 | |
F76 | Ferrari 250 GT California Spyder SWB | 1960 | Klassensieger |
F78 | Ferrari 400 Superamerica | 1961 | |
F80 | Ferrari 275 GTB/4 | 1967 | Ehrennennung |
F81 | Ferrari 365 GTB/4 | 1973 | |
G82 | Lamborghini Miura P400 S | 1970 | |
G84 | Lamborghini Countach LP 400 S Walter Wolf Special | 1978 | Klassensieger |
G89 | Aston Martin V8 Volante Zagato | 1989 | |
G91 | Ferrari F40 | 1989 | Ehrennennung |
H94 | Isdera Commendatore 112i | 1993 | Klassensieger |
H96 | Bugatti EB 110 Super Sport | 1994 | |
H98 | McLaren F1 | 1995 | Ehrennennung |
H100 | Ferrari F50 | 1996 | |
H102 | Porsche 911 GT1 | 1996 | |
H104 | Mercedes-Benz CLK GTR | 1998 | |
P02 | Pininfarina Battista | 2019 | |
P04 | Bugatti Centodieci | 2019 | |
P06 | Giugiaro Vision 2030 | 2020 | |
P08 | Hispano Suiza Carmen "Boulogne" | 2020 | |
P10 | Lamborghini Countach LP500 | 1971 |