Wie in ganz Europa machte die Hitze auch vor den Toren vom Schloss Dyck nicht Halt. Seit April sah der Schlosspark keinen Regen mehr. Mit Temperaturen von über 35 Grad Celsius war es für alle Beteiligten, Mensch und Maschine, an den Classic Days vom 3. bis 5. August 2018 absolut grenzwertig.
Eine Sprecherin vom Rolls-Royce Club Deutschland: "…wir sind nur so dahingeflossen. Im Miscanthusfeld war die Sonne gnadenlos, denn dort gibt es keine schattenspendenden Bäume. Ein faltbarer Unterstand eines Club-Kollegen war die letzte Rettung, denn unser Clubzelt konnten wir nicht nutzen, da auf Grund der enormen Trockenheit abends immer wieder alles abgebaut werden musste, um die Botanik bewässern zu können. Rasenflächen verwandelten sich in Steppen, Staub machte sich breit und Strohballen, ausserhalb der befahrenen Strecke, wurden infolge viel zu grosser Brandgefahr vom Gelände verbannt. Die Autos auf den Feldern wurden in Gruppen mit grossen Abständen geparkt um aus einem kleinen Feuer einen möglichen Grossbrand zu verhindern.”
Langstrecken-Rekordwagen
Erstmalig war einer der wichtigsten Wagen aus dem Brooklands-Museum auf dem europäischen Kontinent in Aktion zu sehen und auch zu hören: Der 24 Liter Napier-Railton Langstrecken-Rekordwagen aus dem Jahr 1933. Gebaut vom Fahrer John Cobb und im Design entwickelt von Reid Railton entstand das Auto damals in einer der Werkstätten auf dem Gelände der damaligen Strecke. Seine Premiere hatte es dort im August 1933 – also vor genau 85 Jahren. Zu diesem Jubiläum fuhr der Wagen erstmals auf dem Kontinent. Der Napier-Railton war für etliche Rekorde gut, darunter den 24-Stunden Rekord in Bonneville USA mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 150,6 Meilen pro Stunde oder 240 km/h.
In Brooklands stellte er 1935 mit 231 km/h den ewigen Rundenrekord auf. Ein unglaubliches Stück Motorsportgeschichte von einem geschichtsträchtigen Ort – was konnte besser in die 13. Classic Days passen?
Der Special mit 24 Auspuffrohren
Zwei ganz besondere Schätze brachte Chris Williams aus England mit: Beides sind modifizierte Bentleys, sogenannte Specials. Wie speziell so ein Special ist, beweist „Mavis“.
Der Packard-Bentley mit Frauennamen „Mavis“ – ein Einzelstück mit einem Amerikanischen Packard-Patrouillen-Bootsmotor aus dem zweiten Weltkrieg. Mit 42 Liter Hubraum leistet die V12 Maschine des Wagens 1.495 PS bei 2.700 Nm. 2010 wurde der Wagen in England erstmals der Weltöffentlichkeit vorgestellt. Auf einem 1930er Bentley 8-Liter Chassis gebaut, verfügt der Wagen über 24 Auspuff-Rohre.
Bentley mit Bootsmotor
Der Mann mit dem Bowler-Hat brachte aber noch sein zweites „Baby“ mit: Ein Napier Bentley ist ein Oldtimer-Rennwagen, der als Einzelstück 1968 von David Llewellyn gebaut wurde. Der Wagen entstand auf einem Sunbeam-Fahrgestell. Nach einem schweren Unfall wurde er auf dem Chassis eines 8-Liter-Bentley von 1929 wiederaufgebaut. Er hat einen 24-Liter-Napier-Sea-Lion-Motor. Dieser 12-Zylinder-Bootsmotor in W-Form ist von einem Napier-Lion-Flugmotor abgeleitet. Der Motor entwickelt etwa 550 bhp (410 kW).
Der W12-Motor besitzt drei Reihen mit vier sehr dicken, kurzen Auspuffrohren, wovon eine Reihe direkt auf der linken Seite aus dem Fahrzeug ragt. Die Motorgeräusche werden gerne mit denen eines Doppeldeckers aus dem Ersten Weltkrieg verglichen. Seit 1999 gehört der Wagen Chris Williams und die Classic Days freuen sich sehr auf das lautstarke Bentley Duo aus seiner Garage.
Bullit auf Schloss Dyck
Ein weiteres Thema war "Hollywood". Wie im Film "Bullit" lieferten sich grüne Ford Mustang Fastback von Steve McQueen mit dem Dodge Charger R/T eine "Verfolgungsjagd".
Mit von Partie war der 67er Shelby GT 500 "Elenor", der mit Nicolas Cage im Film "Nur noch 60 Sekunden" zu sehen war. Auf ihren Fersen zwei US-Polizeifahrzeuge mit Blaulicht und Sirene.
Lieber Jägermeister auf dem Auto als im Magen?
Walter Röhrl fuhr einen Brun-Porsche 962 in den berühmten Jägermeister-Farben.
Eckehard Schimpf brachte einige der berühmten orange-farbenen Autos in den Schlosspark. Walter Röhrl liess sich sogar in einem Elektrowagen chauffieren. Sein Lachen zeigt seine Begeisterung zum Elektrischen, was er ja vor kurzem in einem Interview bekannt gab: "Der Ton ist ja wie am Golfplatz, soviel zur Formel-E. Das ist abartig, ein Rennauto zu bauen um in der Stadt Rennen zu fahren. Die sollen auf die Rennstrecke mit Sound, dann weiss ich, dass ich bei einem Rennen bin und nicht bei einer Blindenveranstaltung!"
RS-Geburtstagsfeier
Ford feierte den 50-jährigen Geburtstag ihrer RS-Modellkette.
So waren neben dem Capri RS und dem Escort RS 1600 von 1968 auch der Sierra RS Cosworth und der Escort RS Cosworth sowie weitere Modelle vor Ort.
Pikes Peak im Schlosspark
Volkswagen machte auf Pikes Peak. So wurde der Twin Golf, der schon 1987 mit zwei 1,8 Liter 4-Zylinder aus dem Golf ll GTI 16V versuchte, das Race to the Clouds, wie der Pikes Peak auch genannt wird, zu gewinnen, auf Trab gebracht. Doch Jochi Kleint wurde damals wenige Kurven vor dem Ziel mit einem Defekt am 652-PS-Monster gestoppt.
Auf Schloss Dyck konnte Kleint aber problemlos seine Runden drehen und der brachiale Sound des Bi-Motor-Wagens begeisterte die zahlreich erschienenen Zuschauer.
Den verlorenen Sieg am Pikes Peak holten sich die Wolfsburger dann aber dieses Jahr zurück, jedoch elektrisch. In sagenhaften 7:57,148 Minuten sprintete der elektrische Karbon-Flitzer, gefahren von Le Mans Sieger Romain Dumas, die 12,42 Meilen (19,99 km) den Berg hoch. Mit dem in nur acht Monaten aufgebauten Elektro-Rennwagen hat Volkswagen bereits zwei Rekorde aufgestellt. Am 24. Juni verbesserte Romain Dumas beim Pikes Peak International Hill Climb 2018 nicht nur die bisherige Bestmarke für Elektro-Rennfahrzeuge, sondern stellte in 7:57,148 Minuten auch einen neuen Allzeit-Rekord beim berühmtesten Bergrennen der Welt auf.
Nur drei Wochen später fuhr der 40-jährige Franzose im I.D. R Pikes Peak beim traditionsreichen Goodwood Festival of Speed in 43,86 Sekunden einen neuen Elektro-Rekord. Dumas war bei dem legendären Motorsport-Event in Südengland 3,48 Sekunden schneller als der bisherige Rekordhalter Jonny Cocker im Jahr 2013.
Ehemalige Feuerwehrautos im Renntempo
Die American-LaFrance-Fraktion liess mit den hubraumschweren Maschinen den Staub so richtig aufwirbeln.
Die Autos sind derartig schwer zu Lenken, dass sogar Metallhandschuhe einer Ritterrüstung nötig sind, um Armbrüche zu vermeiden.
Übrigends sah man noch kaum je in Europa derart viele dieser ehemaligen Feuerwehrautos versammelt (und auf der Strecke).
Horch in Fahrt und posierend
Audi Tradition nutzte den 150. Geburtstag von August Horch für einen ganz besonderen Auftritt bei den Classic Days. Während drei Horchs aus den Zwanziger- und Dreissigerjahren einen Sonderlauf auf der Rennstrecke absolvierten, glänzten weitere als „Jewels in the Park“ auf der Museumsinsel direkt vor Schloss Dyck um die Wette.Darunter ein 1937er Horch 853.
Als Sport Coupé mit einer Karosserie von Erdmann & Rossi aus Berlin blieb er ein Einzelstück. Es handelt sich dabei um den Wiederaufbau des Privatwagens des berühmten Rennfahrers Bernd Rosemeyer, der 1938 bei einer Rekordfahrt im Auto-Union Rennwagen tödlich verunglückte.
DTM von heute unter den Legenden von gestern
Eine Woche vor seinem Renneinsatz beim DTM-Comeback in Brands Hatch pilotierte der DTM-Champion des Jahres 2013 Mike Rockefeller am Samstag und Sonntag einen Audi RS 5 DTM über den 2,8 Kilometer langen Rundkurs durch die Parkanlage.
„Ich war das erste Mal hier und sicherlich nicht das letzte Mal“, sagte Rockenfeller. „Die Classic Days mit dem Schloss Dyck als eindrucksvoller Kulisse sind eine wirklich coole Veranstaltung. Ich habe bei meinen Donuts extra viel Gummi liegen lassen und im Anschluss reichlich Autogramme geschrieben.“
Der Retter mit dem Hut
Der "Marlboro-Mann" auch immer mit Cowboy-Hut, Arturo Merzario war mit einem Alfa Romeo Tipo 33TT12 mit von der Partie der alten Garde. Sein Stuhl trug den Namen des Mannes mit den sieben Leben: Niki Lauda. Ihm wurde nach zwei Nierenplantationen, einer Herzoperation, nun auch noch die Lunge ersetzt. Arturo Merzario verhalf als erster dem Österreicher zu einem zweiten Leben, als er den Ferrari-Fahrer am Nürburgring aus seinem brennenden Wrack zog.
Wie schrieb Roger Benoit im "BLICK" so passend: "Wer einmal, wie Lauda am 1. August 1976, fast eine Minute in einem mit 800 Grad brennenden Auto sass, der kennt seinen 2. Geburtstag nach dem 22. Februar 1949."
Später kamen mit Bruder Florian und Ehefrau Birgit (je eine Niere), auch noch eine Spenderlunge aus Deutschland, und dazu sollte auch Professor Walter Klepetko (Thoraxchirurgie) genannt werden, als Lebensretter dazu. Auf diesem Weg wünscht das "zwischengas-Team" Niki Lauda das Beste und eine schnelle Genesung.
Ja, es war heiss auf Schloss Dyck, aber es ist sicherlich nicht die Hitze, die die meisten Besucher in Erinnerung behalten werden.