Trotz einer Sieges-Quote von unglaublichen 71,4 Prozent gehört der im Dezember 2021 verstorbene Eberhard Mahle eher zu den unbekannteren deutschen Rennfahrern der Vergangenheit. Dabei machte sich der Erbe des Stuttgarter Zylinderkolben-Imperiums bereits ab den Fünfzigerjahren einen Namen auf den Renn- und Rallyepisten Europas. Gerade noch rechtzeitig hat sich Tobias Aichele um den Erhalt des Andenkens gekümmert, und sich von Mahle persönlich kurz vor dessen Tod seine Motorsportkarriere in aller Ausführlichkeit erzählen lassen. Das nun beim Motorbuch-Verlag erschienene Buch "Eberhard Mahle – 150 Siege bei 210 Rennen" erzählt von den Anfängen im DKW 1954 und zeichnet den Weg bis zum Höhe- und Schlusspunkt im Porsche 1966.
Ein Rennfahrer erzählt
Bis man mit Eberhard Mahle zusammen die Rallye Solitude 1954 in Angriff nimmt, muss man erst einmal vier (!) Vorworte überwinden. Auf die Hälfte von ihnen könnte man indes getrost verzichten. Lediglich das des Autors und das von Mahles Rennfahrerkollegen Hans Hermann zeigen Interesse am und vor allem einen persönlichen Bezug zum Thema. Die anderen beiden Einleitungen lesen sich eher wie Werbetexte für zwei grosse Stuttgarter Unternehmen, deren Verfasser kaum etwas zur Person Eberhard Mahle sagen können.
Nach einer Zusammenfassung der frühen Mahle-Firmengeschichte und damit einer Hinführung zur Ausgangssituation für das nun folgende beginnt Eberhard Mahles Motorsport-Karriere auf Seite 40. Die Vorgeschichte beinhaltet auch, mit welchen Mitteln "Ebs" 1951 in Brasilien zu seinem Führerschein kam. Solche kleinen Anekdoten über die damals noch üblichen und möglichen "Bürokratie-Erleichterungen" finden sich mehrmals im Buch und bringen den Leser zum Schmunzeln.
Die kleinen Ergänzungen abseits der reinen Renn-Karriere wirken auch deshalb so authentisch, weil Mahle sie meist selbst erzählt. Anstatt das Gehörte umzuformulieren und in eigenen Worten zusammenzufassen, gibt Aichele häufig längere Auszüge aus seinen zahlreichen Gesprächen mit "Ebs" wieder, wodurch das Buch über weite Strecken in der ersten Person geschrieben ist und man als Leser gerne das Gefühl hat, selbst Teil des Zuhörerschaft gewesen zu sein.
Da der Text häufig den Wortlaut Eberhard Mahles wiedergibt und Aichele den gleichen ruhigen, sachlichen Tonfall wählt, gibt es auch sprachlich nichts an dem Buch auszusetzen. Einen kleinen Vorwurf muss sich lediglich der Lektor gefallen lassen, der die heute übliche Unsitte übernommen hat, Komposita mit Markennamen nicht mehr (oder nur uneinheitlich) zu koppeln. Der automobilhistorische Pedant möchte zudem anmerken, dass "Mercedes" und "Mercedes-Benz" zwei verschiedene Marken sind.
"Ebs" in Aktion
Fast noch stärker als auf dem Text liegt der Fokus des Buches auf den vielen historischen Fotos, die Aichele aus verschiedenen Archiven zusammengetragen hat. Die meisten zeige natürlich Eberhard Mahle am Steuer eines Autos in mehr oder weniger wilder Fahrt, aber auch "Ebs" im Gespräch mit Fahrerkollegen, bei der Siegerehrung oder während einer Streckenbegehung. Natürlich findet sich auch die wohl berühmteste Aufnahme von Mahle bei der Arbeit, wie er 1966 am Rossfeld seinen Porsche 911 wahnwitzig quer stellt. Mahle mochte das Foto nie. Für ihn war es schlicht die Dokumentation eines Fahrfehlers. Durch die konsequente Trennung von altem und neuem Bildmaterial wirken die schwarz-weissen Seiten der frühen Jahre besonders atmosphärisch.
Mahles Zeit als Mercedes-Benz-Werksfahrer wird ein eigenes Kapitel gewidmet, ebenso wie der Europa-Bergmeisterschaft 1966. Eberhard Mahles letztes Jahr als aktiver Rennfahrer wird Rennen für Rennen bis zum Meisterschaftstitel aufgearbeitet. Als Anschauungsmaterial dienen hier neben den historischen Fotos auch zeitgenössische Zeitungs-Ausschnitte, Ergebnis- und Zeitenlisten sowie Mahles handschriftliche Meisterschafts-Tabelle oder sein Strecken-Aufschrieb vom Mont Ventoux. Sogar ein Pulsdiagramm, das während des Schauninsland-Rennens aufgezeichnet wurde, hat bis heute überlebt.
Für Freunde der Statistik findet sich etwa in der Mitte des Buches eine sechsseitige Tabelle, die alle Renn- und Rallye-Teilnahmen Mahles zwischen 1954 und 1966 mit Datum, Fahrzeug und Ergebnis auflistet. Zum Abschluss der Geschichte wurde "Ebs" kurz vor seinem Tod noch einmal mit seinen ehemaligen Einsatzwagen Mercedes-Benz 300 SL Roadster und Porsche 911 vereint.
Fazit
Mit "Eberhard Mahle – 150 Siege bei 210 Rennen" erhält einer der besten der unbekannten deutschen Rennfahrer endlich die verdiente Anerkennung. Mahles Geschichten aus quasi erster Hand zu hören ist ebenso faszinierend die wie historischen Aufnahmen driftender Volvos, staubaufwirbelnder Mercedes-Benz' und verbeulter DKWs. Wer schon alles über Hans Hermann, Karl Kling und Rudolf Caracciola weiss und nach neuer Motorsport-Lektüre lechzt, wird mit Aicheles Mahle-Biografie interessanten und zufriedenstellenden neuen Lesestoff finden. Das Buch aus der Porsche-Museums-Edition ist ab sofort für 49,90 Euro erhältlich.
Bibliografische Angaben
- Titel: "Eberhard Mahle – 150 Siege bei 210 Rennen"
- Autor: Tobias Aichele
- Verlag: Motorbuch-Verlag
- Auflage: 1. Auflage Juni 2022
- Format: Festeinband, 235 x 265 mm
- Umfang: 256 Seiten, ca. 500 Fotos
- ISBN: 978-3-613-32073-4
- Preis: EUR 49.90, CHF 62.90
- Kaufen/bestellen: Online beim Motorbuch-Verlag , online bei Amazon oder im einschlägigen Buchhandel
Information
Kostenlos anmelden und mitreden!
Mit einem Gratis-Login auf Zwischengas können Sie nicht nur mitreden, sondern Sie profitieren sofort von etlichen Vorteilen:
Vorteile für eingeloggte Besucher
Da am Ende der Buch-Besprechung auch einige deutsche Rennfahrer genannt wurden fände ich es schön wenn es über Hermann Lang eine ausführliche Würdigung seiner Karriere geben würde.
Das eine Buch über Hermann Lang, leztmalig aktualisiert so ums Jahr 1953, ist in etlichen Punkten überholt und darin wurde Manches ausgelassen.
Die Söhne von Hermann Lang könnten noch was wissen oder Funde in Archiven weiterhelfen.
Aber wahrscheinlich wird das ein Wunsch bleiben.