Es waren schwierige Zeiten. Der lange Wirtschaftsaufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg wurde durch die (erste) Ölkrise 1973-1974 empfindlich gestoppt. Der Automobilverkehr daraufhin eingeschränkt, selektive Fahrverbote verhängt. Mehr noch, die rasch ansteigenden Benzinpreise machten das Autofahren teurer und die Inflation nagte an der Kaufkraft der Einkommen. Der Kauf von dauerhaften Konsumgütern wie Autos wurde auf später verschoben. Die Automobilindustrie litt deshalb besonders. In den Konzernen wurde das Geld rasch knapp.
Gleichzeitig war die FIA unterwegs, die Markenweltmeisterschaft neu auszurichten. Die spektakuläre 5-Liter-Formel mit den Porsche 917 und Ferrari 512, die die Grundlage in den Jahren 1968-1971 war, erwies sich als wenig attraktiv für die grossen Automobilhersteller. Man entschied sich deshalb ab 1972 für einen Weg zurück zu den Prototypen auf Basis einer 3-Liter-Formel und hoffte so, die Hersteller von Motoren für die Formel 1 zu gewinnen und eine breitere Basis schaffen zu können. Das gelang auch, stiegen doch neben Ferrari auch Matra und Alfa Romeo mit eigenen und zum Beispiel Ligier, Mirage (Gulf), Lola mit Cosworth DFV-Motoren ein. Die Gruppe 5 umfasste nun neu die Prototypen. Die Kategorie Sportwagen wurden einfach gestrichen.
Die Gruppen 5 und 6
Ursprünglich war geplant, diese Gruppe nur bis Ende 1974 zu verwenden, denn die FIA wollte eigentlich die Konzerne interessieren und aus der Markenweltmeisterschaft eine Weltmeisterschaft der Marken machen. Man plante für 1975 eine Gruppe 5, Spezial-Produktionswagen, die in Bezug auf die Grundauslegung und der Form der Serie resp. der Homologation gemäss den Gruppen 1-4 entsprach, aber in Bezug auf die möglichen Modifikationen grosse Freiheiten gab (Daraus entstanden die sogenannten Silhouette-Cars). Die Gruppe 5 der Vorperiode sollte wieder zur Gruppe 6, neu Sportprototypen genannt, werden.
Die Rechnung ging allerdings nicht auf. Die klammen Kassen der Automobilhersteller zwangen zu drastischen Massnahmen, von denen auch die Rennaktivitäten nicht verschont blieben. Die FIA schrieb die Markenweltmeisterschaft deshalb 1975 noch einmal für die Gruppe 5 gemäss der alten Lesart (Prototypen) aus. 1981 nutzte man die Gruppe 6 als Test für die Gruppe C ab 1982:
Für die Jahre 1976-1977 wurden zwei Weltmeisterschaften ausgeschrieben: die Markenweltmeisterschaft für Fahrzeuge der Gruppe 5, wobei die Rennen länger als 6 Stunden oder über 1‘000 Kilometer gehen mussten, und die Sportwagenweltmeisterschaft für Fahrzeuge der Gruppe 6, wobei die Rennen nicht länger als 4 Stunden dauern durften. Ab 1978 wurde nur noch die Markenweltmeisterschaft für Fahrzeuge der Gruppe 5 ausgetragen.
Sonderzug Le Mans
Das ganze wurde allerdings noch komplizierter, indem der Organisator des 24-Stunden-Rennens von Le Mans, der Automobile Club de l’Ouest (ACO), einen eigenen Kurs fuhr. 1975 führte der ACO eine Verbrauchsbeschränkung ein und zwischen 1976-1979 waren sowohl Autos der Gruppe 5, als auch der Gruppe 6 sowie der IMSA-GTP (neben allen anderen Klassen) startberechtigt. In dieser Zeit zählte das 24-Stunden-Rennen nicht als Weltmeisterschaftslauf:
Ein Gesamtsieg in Le Mans war aber wesentlich mehr wert, als ein Sieg in der Marken- oder Sportwagenweltmeisterschaft. Das hatte vor allem Renault verstanden, die 1974 offiziell bekanntgaben, mit den Renault-Alpine A442/443, versehen mit 2-Liter-Motoren mit Turbo und damit als (Sport-)Prototypen an den Start gehend, dieses Rennen gewinnen zu wollen. [Dass in Le Mans die Sportprototypen auch nach 1975 startberechtigt blieben, ist deshalb kein Zufall]. Renault unterstrich seine Ambitionen zudem mit einem Sieg beim ersten Einsatz 1975 mit der A442 beim 1000-Kilometer-Rennen in Mugello.
Für die Gruppe 5 von 1971-1975 hatte Porsche kein neues Auto entwickelt. Die Kunden, insbesondere Joest Racing, griffen deshalb auf den 908/03 aus 1970/71 zurück, dessen Konzeption auf dem Bergspyder 909 von 1968 beruhte. Gegenüber der Konkurrenz, die nun alle auf Derivate der aktuellen Formel 1-Motoren zurückgriffen, war man deshalb leistungsmässig zurück.
Das Werk selbst setzte auf die neue Gruppe 5 ab 1976, resp. eigentlich ab 1975. Dafür entwickelte man auf Basis des Porsche 911 Turbo (930) als dem Flaggschiff des Hauses die Modelle 934 (Porsche Turbo RSR für die Gruppe 4) und 935 (für die Gruppe 5).
1973 entstand deshalb der Porsche 911 Carrera RSR Turbo 2.1 mit dem Motor 911/76, der als Labor diente. Aufgrund der Ausschreibungen war er nur als Prototyp (Gruppe 5) einsetzbar. Das Team und insbesondere die Fahrerpaarung Herbert Müller und Gijs van Lennep fuhren damit einige bemerkenswerte Platzierungen heraus. Für einen Sieg hätte es allerdings einer Seuche bei den rassenreinen Prototypen bedurft. Die Entwicklungs- und Renngeschichte der vier gebauten Autos wird in Barth/Dobronz, Porsche 934/935, 2012 ausführlich beschrieben.
1975 bot Porsche den Motor 911/76 auch den Kunden an, worauf insgesamt fünf 908/03 bei Porsche zu 908/03 Turbo umgerüstet wurden.
Herausforderungen Le Mans
Spätestens nach dem Rennen in Le Mans 1975, das Jacky Ickx und Derek Bell auf einem Gulf GR8-Cosworth DFV gewannen und der beste 908/03 (mit Langheck/ohne Turbo) von Joest Racing auf Platz vier ins Ziel kam, war Porsche klar, dass die Sportwagenweltmeisterschaft und - viel wichtiger - Le Mans nur mit einem echten Gruppe 6-Auto zu gewinnen waren. Schon wenige Tage nach dem Rennen, d.h. Ende Juni 1975, trafen sich die Verantwortlichen und beschlossen, ein solches Auto unter grösstmöglicher Schonung der Ressourcen zu bauen. Es war die Geburtsstunde des Porsche 936. Massgebend für diesen Entscheid war, dass der ACO die Sportprototypen auch nach 1975 zulassen würde und die Markenweltmeisterschaft auf Basis der Gruppe 5 noch keinesfalls in trockenen Tüchern war, da sich die grossen Autohersteller zierten. Trotz Krise wollte Porsche aber nicht Gefahr laufen, von den Honigtöpfen des Sportwagenrennsports ausgeschlossen zu sein.
Unter Sichtung aller noch verfügbaren Elemente der Porsche 908/03 und 917/10 resp. 917/30 wurde ein Zeitplan entwickelt, der den Aufbau des Autos zwischen Oktober und Dezember 1975 vorsah. Der Porsche 936 war als Spyder konzipiert. Die Karosserie baute auf einem Aluminium-Gitterrohrrahmen mit einer GFK-Aussenhaut auf. Die Aufhängung stammte vom 917/10. Als Antrieb diente der luftgekühlte 911/78, eine verbesserte Version des 911/76, ausgerüstet mit einem Turbo von KKK, aber mit zwei Ladeluftkühlern, je einer pro Zylinderbank. Das Getriebe stammte vom 917K. Als Leistung wurden 382 KW (520 PS) bei 8‘000 Umin genannt.
Mit diesem Auto gewann Porsche 1976 fünf von sieben Läufen zur Sportwagenweltmeisterschaft (und sechs Mal die Wertung in der Gruppe 6) sowie überlegen das 24-Stunden-Rennen von Le Mans mit der Fahrerpaarung Jacky Ickx/Gijs van Lennep.
1977 konnte das Auto nur noch in Le Mans eingesetzt werden. Der 936/77 verfügte jetzt über zwei Turbolader von KKK. Man konnte so die Leistung auf 397 KW (540 PS) bei 8‘000 Umin erhöhen. Zudem wurde die Aerodynamik verbessert. Mit dem Trio Jürgen Barth/Hurley Haywood/Jacky Ickx gewann das Auto in Le Mans, allerdings mit viel Drama. Noch vor Einbruch der Dunkelheit musste die Benzinpumpe gewechselt werden, sodass das Auto auf den letzten Platz zurückfiel. Es brauchte das ganze Können eines Jacky Ickx um während der Nacht wieder in Schlagdistanz zu den Führenden zu kann. Die letzten beiden Runden legte Jürgen Barth langsam und unter starker Rauchentwicklung mit einem Zylinderschaden zurück. Ausserdem fielen alle drei Werkswagen von Renault-Alpine aus.
Evolution
Für 1978 wurde der Motor grundlegend überarbeitet und bekam eine Luft-/Wasserkühlung verpasst (935/73). In Verbindung mit einer grösseren Bohrung war es möglich, vier Ventile und je zwei Nockenwellen pro Zylinderbank einzusetzen. Die Zylinderköpfe wurden mit Wasserkühlung versehen und direkt mit den Zylindern verschweisst. Die Zylinderkopfdichtungen fielen weg. Die Leistung konnte so auf 426 KW (580 PS) bei 8‘500 Umin erhöht werden. Zudem wurde wieder an der Aerodynamik gearbeitet.
Dieses Mal sollte es allerdings nicht reichen. Das 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1978 wurde zur Beute von Renault-Alpine mit dem A442 gefahren von Didier Pironi/Jean-Pierre Jaussaud. Dahinter reihten sich die Porsche 936 ein: 936/78 vor 936/77.
Die Bilanz von Le Mans bleibt trotzdem hervorragend. Bei insgesamt sechs Einsätzen 1976-1978 sind die 936 vier Mal klassiert worden. Darunter zwei Siege. Renault hatte zwischen 1976-1978 insgesamt neun Einsätze zu verzeichnen und zwei Zielankünfte inkl. den Sieg von 1978. Dazu kann Porsche den Sieg in der Sportwagenweltmeisterschaft 1976 vorweisen.
Eigentlich zog sich Porsche danach aus den Sportprototypen zurück. Doch David Thieme von Essex Overseas Petroleum bot an, den Einsatz in Le Mans 1979 sowie einem Lauf zur Markenweltmeisterschaft zu bezahlen. Das war möglich, weil die Markenweltmeisterschaft Fahrzeuge der Gruppe 6 neu akzeptierte um die Felder zu füllen, aber ohne Punkteberechtigung. [Es ist die Zeit der zweiten Ölpreiskrise]. Als Auto wurden zwei 936/78 mit dem Motor 935/73 eingesetzt. Beide kamen in beiden Rennen nicht ins Ziel.
1980 wurde ein vierter Porsche 936 in der Version 936/77 mit dem alten Motor 911/78 für und von Joest Racing aufgebaut und als Porsche 908/80 nach Le Mans geschickt. Die Paarung Jacky Ickx und Reinhold Jöst erzielt damit den zweiten Rang hinter dem Rondeau M379B-Ford gefahren von Jean Rondeau und Jean-Pierre Jassaud.
Und auf ein Neues
Anfang 1981 gab es bei Porsche einen Wechsel an der Spitze, als Peter W. Schutz Ernst Fuhrmann als Vorstandsvorsitzenden ablöste. Er gab noch im ersten Monat seines Amtes den Anlass für den letzten Einsatz des 936 in den Sportwagenrennen. Für 1981 hatte die FIA für die Fahrzeuge der Gruppe 6 die ab 1982 gültigen Regeln für die Gruppe C festgelegt, wonach kein Hubraumlimit, sondern ein Verbrauchslimit von maximal 60 Liter/100 Kilometer galt. Das erlaubt Porsche, den 2,65 Liter Turbo 935/76, einzusetzen, dessen Vorgänger 935/72 ursprünglich für Indianapolis entwickelt wurde. Seine Leistung betrug 456 KW (620 PS) bei 8‘000 Umin. Porsche setzte zwei 936/81 ein und siegt mit der Fahrerpaarung Jacky Ickx und Derek Bell.
In der Folge entstanden bei Kremer ein Porsche 936/82 für den Einsatz in der Deutschen Rennsport-Meisterschaft (DRM) und bei Joest der Joest-Porsche 936C Coupé für den Einsatz in der ab 1982 geltenden Markenweltmeisterschaft. Beide Autos dominierten 1982 die DRM. Sieger wurde Bob Wollek auf dem 908/80 resp. neu Joest-Porsche 936 und dem 936C vor Rolf Stommelen auf dem 936/82 sowie dem Porsche CK5 (das von Kremer selbst aufgebaute Pendant zum Joest-Porsche 936C).
Von Kennern geschrieben
Das Buch von Jürgen Barth und Bernd Dobronz ist eine komplette Dokumentation der Entwicklungs- und Renngeschichte des Porsche 936. Auf 368 Seiten gibt es Zahlen, Daten und Fakten zu den Autos über die verschiedenen Entwicklungsstufen inklusive der 908/03, die als Prototypen ab 1972 eingesetzt wurden, die einzelnen Rennen, die Personen hinter den Autos und die Fahrer. Blättert man den Band im Schnellgang durch, so erkennt man zwei Dinge: Bilder und Tabellen. Trotzdem ist der Text spannend zu lesen. Jürgen Barth war ja auch direkt in die Sache involviert und kann die Geschichten aus eigener Hand erzählen, was dem Buch zusätzliche Authentizität verleiht.
Es ist gegliedert in einen Prolog, der die Umstände und Reglementsänderungen erklärt. Danach folgt der Überblick von 1975 bis 1981, pro Jahr gegliedert in „Entwicklung“ und „Einsatz und Evolution“. Es folgen die Kapitel „Die Eigenbauten der Tuner“, „Weitere Einsätze“, „Die Macher“, „Die Fahrer“, „Die Erfolge“, die „Fahrzeuge im Überblick“ und „Technische Daten“.
Nicht perfekt, aber beeindruckend
Das Buch ist angenehm zu lesen und die Tabellen alle grosszügig gestaltet. Die Schreibweisen sind manchmal unterschiedlich (z.B. 908/03 oder 908/3) und es hat auch einige Schreibfehler, was hin und wieder ein Suchen nötig macht.
Trotzdem, es ist ein beeindruckendes Dokument zu einem beeindruckenden Fahrzeug. Was durch alle Seiten immer wieder durchscheint, ist die Entschlossenheit der Organisation von Porsche von ganz oben bis ganz unten, sich der Konkurrenz zu stellen. Das schloss ein gewisses Mass an Überheblichkeit wie im Fall der Geschichte mit Essex 1979 nicht aus.
Das Buch ist natürlich zuerst einmal für alle Porsche- und Sportwagenfans interessant. Die ominöse Periode zwischen 1976 und 1981 wird mit dem Scheinwerfer ausgeleuchtet. Es ist aber auch eine Technikgeschichte und eine Geschichte, wie Technik gemacht wird. Für manchen ist gerade letzter Aspekt immer wieder der spannendste.
Bibliografische Angaben
- Titel: Porsche 936
- Autoren: Jürgen Barth, Bernd Dobronz
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Motorbuch Verlag
- Auflage: 1. Auflage (März 2015)
- Umfang: 235x269 mm, 368 Seiten, 307 s/w Bilder & 189 Farbbilder
- Format: Gebunden
- ISBN-10: 3613037564
- ISBN-13: 978-3613037564
- Preis: Euro 98.00
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