1970 präsentierten Colin Chapman und Maurice Philippe eine weitere Revolution. Als erster F1-Konstrukteur brachte er einen Monoposto als Keil und nicht wie alle anderen als Röhre oder Zigarre an den Start.
Ein Auto, das bis heute nichts von seiner Schönheit, Eleganz und Attraktivität verloren hat. Immer wieder hört man, dass die schwarz-goldene Lackierung von John Player Special eine der schönsten war, doch diesem Auto stehen die rot-goldenen Gold-Leaf-Farben noch viel besser.
Das revolutionäre Auto kämpfte allerdings zunächst mit grossen Startschwierigkeiten, so dass selbst Jochen Rindt sagte: "In die Scheisskiste steig i nimmer ein", und auf den 49C zurück wechselte.
Als die ganzen Kinderkrankheiten behoben waren, wurde der 72 zum Siegerwagen und das für fünf lange Jahre. 1970 debütierte das Auto und verabschiedete sich 1975 noch mit drei Siegen. Zwei Weltmeisterschaften und 20 Grand-Prix Siege gehen auf sein Konto.
In den fünf Jahren sassen mit Jochen Rindt, John Miles, Emerson Fittipaldi, Reine Wisell, Graham Hill, Ronnie Peterson, Jackie Ickx, Dave Walker, Jim Crawford, Brian Henton und John Watson insgesamt elf Fahrer im Keil.
Eines von neuneinhalb Fahrgestellen
Lotus baute insgesamt neuneinhalb Chassis vom Typ 72. Überlebt hat nur ein einziges in den Gold-Leaf-Farben. Das Wrack von Rindt`s Unfallauto aus Monza wurde nach diversen Besitzerwechseln komplett neu aufgebaut und kann nicht mehr wirklich als original bezeichnet werden. Der letzte "Echte" aus dem Jahre 1970 ist das Fotomodell und kommt aus der Sammlung von Uhrenfabrikant Richard Mille.
Als Prototyp mit der Chassisnummer 01 wurde mit ihm die Aufhängungskinematik, welche die Fahrzeugbewegungen beim Bremsen und Beschleunigen verringern sollte, getestet. Wie oben bereits erwähnt, ganz zum Leidwesen des Deutsch-Österreichers Jochen Rindt. John Miles musste dann als Teamkollege dem Keil die Manieren beibringen.
Aus dem 72 01 wurde der 72B dann der 72C und wurde nun ohne die Anti-Dive- und Anti-Squat-Einrichtungen zu einem überlegenen Siegerauto. Nach dem GP England wurde der umgetaufte 72C/4 an das private Rob Walker-Team verkauft, bei dem er mit Graham Hill am Steuer in der typisch dunkelblauen Farbe bis Ende Jahr noch seinen Dienst tat. Dann kaufte es Walkers Lieblingsfahrer Jo Siffert. Der Wagen blieb nach seinem Tod im Oktober 1971 noch bis 1972 im Besitz der Familie Siffert, dann wurde der Monoposto an die Fittipaldi-Brüder nach Brasilien verkauft, wo es zu Ausstellungszwecken zu Ehren von Emersons Weltmeister-Titel auf Schwarz-Gold umlackiert wurde.
Spätere Besitzer waren John Foulsten und Joe Willensakt, bevor der Formel-1-Wagen mit vielen Kampfspuren aus historischen Rennen 2014 zum heutigen Besitzer wechselte. Nicht nur falsche Felgen zierten das sehr patinierte Auto. So kam es zu einer Totalrestaurierung durch die Spezialisten Hall&Hall in Bourne (GB).
Gedanken zur F1-Weltmeisterschaft 1970
Im Auto-Jahr Nr. 18 von 1970 kann man lesen:
“Aber der Ausbau der Rennstrecken ist nur ein Aspekt der Sicherheit. Es ist dieses Jahr auch vielfach der Vorwurf wegen der Bruchanfälligkeit der Lotus-Wagen, besonders des Lotus 72, erhoben worden. Diese anlässlich des spanischen Grand Prix erstmals vorgestellte Neukonstruktion von Colin Chapman repräsentiert auf technischem Gebiet eine ebenso wichtige Etappe wie seinerzeit der Lotus 25 und 49. Einmal mehr hat Chapman mit dem Mut und der geistigen Unabhängigkeit, die ihn kennzeichnen, die Initiative ergriffen, um die Möglichkeiten des Reglements bis ins letzte auszunützen. Während die übrigen Konstrukteure Schritt um Schritt vorwärtsgehen, indem sie von Jahr zu Jahr ihre bestehenden Modelle verbessern, wagt es Chapman als einziger, einen grossen Sprung nach vorn zu tun, Vergangenes vom Tisch zu wischen und etwas völlig Neues zu schaffen. Dabei nimmt er Risiken auf sich und erweckt Kritik. Ist er zu weit gegangen? Sicher! Und es erscheint zumindest plausibel, dass der Unfall von Rindt mechanischem Versagen zuzuschreiben ist. Aber diese Möglichkeit ist auch bei den Unfällen von McLaren und Courage nicht auszuschliessen. Ausserdem sind Unfälle wegen Aufhängungsschadens entgegen allem Anschein nicht eine Exklusivität von Lotus. Dazu ist nämlich zu bemerken, dass ein seriöser, objektiver Techniker sich nicht einfach nach Augenschein darüber äussern kann, ob zum Beispiel die Dimensionen dieses oder jenes Elements des Lotus 72 mit der Sicherheit zu vereinbaren sind. Jedenfalls bleibt Lotus der Ruf der Bruchanfälligkeit erhalten. Auch andere Konstrukteure hatten zu irgendeinem Zeitpunkt engste Zwischenfälle mit der Aufhängung. Daraus drängt sich die Folgerung auf, dass unbedingt Massnahmen getroffen werden müssen, um die Solidität der Formel-1 Wagen zu erhöhen. Eine beträchtliche Anhebung des Mindestgewichts wäre in dieser Beziehung sicher wirkungsvoll und sollte bald beschlossen werden. Der Lotus 72 lag zweifellos am nächsten von allen damaligen Autos an der untersten Gewichtsgrenze von 530kg.“
Der Keil aus heutiger Sicht
Martin Brundle durfte den frisch restaurierten roten Keil in seinem alten Originalzustand in Brands Hatch zum 50. Geburtstag ausfahren. Selten war er nervöser vor einer Fahrt wie bei diesem Auto: "Die vorderen Bremsen liegen noch immer innen und jeder kennt die Vorgeschichte. Auch wenn das Auto top-vorbereitet ist und du keine Bestzeiten fahren musst, betest du, dass die Bremswellen halten. Du bist noch immer schnell genug, dass du einen schweren Unfall bauen kannst."
Die Idee kam aus Indianapolis
Inspiriert zur Keilform wurde Chapman vom eigenen Typ 56 der 1968 in Indianapolis am Start stand. Angetrieben über alle vier Räder hätte dieses Auto, angetrieben von einer Pratt & Whitney ST6 Gasturbine, mit Jo Leonard am Steuer, fast als Sieger die Ziellinie überquert, wäre nicht sieben Runden vor Schluss die Antriebswelle der Treibstoffpumpe gebrochen.
Der Typ 72 ist in geschlossener Schalenbauweise hergestellt und zwar in einer doppelten Schale, bei der die Aussenhaut aus einer Aluminium-Magnesium-Legierung besteht, die innere Schale dagegen aus einer Aluminium-Legierung L72. Dabei wanderten die Kühler von der Fahrzeugnase nach hinten in die beiden seitlichen Seitenkästen. Dafür wanderten die Tanks von der Cockpitseite hinter den Fahrerrücken und eine Airbox versorgte zum ersten Mal den Motor gezielt mit Frischluft. Alles Änderungen die bis heute geblieben ist. Dazu wurden alle Fahrwerkselemente der Vorderachse nach innen verlegt und über Zugstreben aktiviert, was Chapman aus Platzgründen dazu zwang Drehstabfedern zu verwenden.
Um die ungefederte Masse zu verringern wanderten die Bremsen aus den Rädern nach innen in das Chassis. Über zwei Kamine wurden die Bremsen in Fahrt gekühlt, und im Stand kamen Gebläse, wie sie auch noch heute, wenn auch in etwas anderer Form zum Einsatz kommen. Die angestaute Hitze hätte ohne die Gebläse zum Schmelzen des Lagerfetts geführt.
Das Gefährlichste an dieser Verlegung waren die hohlen Bremswellen, welche die Scheiben mit den Rädern verband. Rindt und Miles hatten wenig, bis überhaupt kein Vertrauen in diese neue Konstruktion, da Miles bereits Bekanntschaft mit einem Bruch gemacht hatte und Rindt sie noch machen sollte. Bei einem Bruch wurde dem Fahrer das Lenkrad aus der Hand gerissen und das Auto bog abrupt nach links oder rechts ab – so geschehen im Qualifying am 5. September 1970 im Autodromo di Monza beim Anbremsen der Parabolica.
Jochen Rindt bezahlte mit dem Leben, wurde aber noch posthum Weltmeister. Chapman blieb den innenliegenden Bremsen treu und gewann mit Fittipaldi eine weitere Weltmeisterschaft mit dem Typ 72.
Der Schönste?
Ein noch heute wunderschönes Auto, wenn man es so vor sich stehen hat. Sogar im Stillstand wirkt der Wagen schnell und sieht nach echtem Speed aus. Neben dem Ferrari 312B von Vizeweltmeister Jackie Ickx oder dem Brabham BT33 wirkte der Lotus 72 wie von einem anderen Stern. Dank besserer Aerodynamik lag die Spitzengeschwindigkeit des Keils 14 km/h höher als beim Vorgänger Lotus 49 in Form einer Zigarre.
Besitzer Richard Mille dazu: "Das Design und die kompromisslose Ausführung vieler neuer Ideen machen den Lotus 72 zu einem der schönsten Formel-1-Autos aller Zeiten."
Technische Daten des Lotus 72
Motor: Cosworth-V8, 450PS bei 10’600 U/min
Getriebe: Hewland DG300 5-Gang
Länge: 4191 mm
Breite: 1879 mm
Höhe: 889 mm
Radstand: 2540 mm
Merkmal: Erstes keilförmiges und rechteckiges Chassis
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daß es dort jemals zu einem Bruch der Bremswellen gekommen ist.
Vermutlich treten bei einer Scheibenbremse beim Bremsen zwar größere Kräfte auf als das bei Trommelbremsen seinerzeit der Fall war aber dem kann man ja durch entsprechende Berechnungen bezüglich der Abmessungen so einer Bremswelle entgegen wirken.
Leichtbau kommt in der Regel schneller an seine Grenzen, das ist eine Binsenweisheit.
Nur wenige Millimeter größere Wandstärken des Bremswellenrohrs hätten nicht nenneswert mehr Gewicht ergeben dafür aber deutlich mehr Sicherheit.
Nur, das ist auch in diesem Fall eine was-wäre-wenn-Geschichte.
Von Jochen Rindts Tod habe ich in München erfahren, es sollte eigentlich ein vergnügliches Wochenende werden.
Sein Tod hat mich als damaliger Rennsportfan schwer mitgenommen. und sicher ging es vielen so.....
Natürlich spielen Aufstandsfläche und vor allem die rasante Entwicklung neuer und viel besser haftender Reifenmischungen eine wesentliche Rolle.
Ganz nebenbei:
Die Reifenhaftung der im Jahr 1951 von Mercedes in Argentinien verwendeten Continental-Rennreifen aus Ende 1939 war sicher deutlich schlechter als jene der Konkurrenz weshalb diese allein in dem Punkt einen deutlichen Vorteil in den beiden Rennen hatten.
Bezogen auf das ursprüngliche Thema bin ich überzeugt daß man bei einem großen Unternehmen, in meinem Beispiel Mercedes, diese "neuen" Kräfteverhälntnisse bei Konstruktion und Materialauswahl berücksichtigt hätte.
Ich war vor Jahren oft im Mercedes-Archiv und habe beim Studium so vieler Akten u.a. auch festgestellt wie penibel da bei Konstruktion und Herstellung allein in der Rennabteilung gearbeitet wurde.
Aber wie ein anderer Kommentator es schon geschrieben hat kennt man die genauen Gründe nicht, so wie z.B. auch 1938 bei Bernd Rosemeyers letzter Rekordfahrt.
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Sportsman mit unglaublicher Fahrzeugbeherrschung. Seine Siegesfahrt in Monaco hat sich in meiner Erinnerung eingebrannt. "They all go the same way", sagte mein englischer Gastgeber als wir in der Zeitung vom Unfall erfuhren. Schicksalhaft war es schon damals trotzdem nicht.
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Rindt war fest entschlossen (von sich aus, ohne Druck! von Chapman), auch das 1970er Monza-Rennen ohne Heckflügel zu fahren, was u.a auch Lotus-Manager Peter Warr später bestätigte. Miles hingegen, wurde -nach eigener Aussage und gegen seinen Willen- von Chapman angewiesen, den Heckflügel abzunehmen, was er auch tat, den flügellosen Lotus aber für unfahrbar hielt und die Session rasch stoppte: [Zitat Miles] "Das war eben das Mal in meinem Leben, dass ich in einem Rennwagen richtig Angst gehabt habe.". Im Einklang damit auch Peter Warr, in seinem Versuch der Unfallanalyse: [Zitat] "Ich vermute, dass [...] die Reifen noch nicht richtig warm waren und dass das Auto ohne Heckflügel aerodynamisch und von der Bremsdruckverteilung her sehr instabil war."
Die damaligen Boliden verfügten nicht über die heute verbaute Telemetrie und Sensorik, die eine Defektanalyse, quasi auf Knopfdruck, ermöglichen. Aber aus dem Senna-Unfall (Lenkung, Aerodynamik, Fahrfehler, ein slow puncture oder alles zusammen, was den Williams aus der Bahn warf?) erkennt man, dass selbst das nicht immer zuverlässig sein kann. Bei Rindts Unfall ging und geht man immer noch überwiegend davon aus, dass eine gebrochene Bremshohlwelle ursächlich war, weil diese vorher bzw. öfter Probleme bereitete. Man vermutet es also, weil es irgendwie wahrscheinlich ist. Tatsächlich aber, weiß man es bis heute nicht zu 100%; wie auch im Falle Senna.
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Der Grund für sein Vorgehen hat mit der grossen Angst zu tun gehabt, bei einem, damals sehr oft bei Unfällen vorkommenden, Feuer nicht rechtzeitig aus dem Auto zu kommen.
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Zu den 2 Fahrerweltmeisterschaften (1970, 1972) kamen noch 3 Konstrukteursweltmeisterschaften hinzu (1970, 1972, 1973).
Beim Unfall Rindts bleiben bis heute Unklarheiten. Gemäss einigen Quellen könnte die Halbwelle auch erst durch den Unfall gebrochen sein, andere orakeln, für ein scharfes Abbiegen nach links sei die gebrochene Halbwelle die falsche gewesen. Auch
aerodynamische Gründe werden ins Feld geführt (Auftrieb), gegen die allerdings tendenziell das scharfe Abbiegen spricht.
Die Keilform wurde auch noch beim Lotus 70 (Formel 5000) und beim 57/58 eingesetzt, wobei Front- bzw. Heckkühler das Konzept
verwässerten. Erst die Lösung mit den seitlichen Kühlern war stimmig. Erstmals wurden diese 1966 von Chaparral beim 2E (dem ersten mit dem hohen Flügel) bzw. beim 2G sowie dem geschlossenen 2F (1967)verwendet.
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