Mit einem neuen Rekord von 70’000 Besuchern, mit über 50 Rennfahrer-, Techniker- und Führungspersönlichkeiten aus der reichen Sportgeschichte der Marke, mit rund 300 historischen Porsche im Einsatz bei Rennen und Demonstrationsfahrten und mit einigen Tausend Porsche auf den Parkplätzen war die sechste Auflage der Porsche Rennsport Reunion in Laguna Seca eine Veranstaltung der Superlative.
Wiedervereinigung
Derek Bell hatte ein breites Grinsen im Gesicht, als er nach seinem Einsatz im Löwenbräu-Porsche 962 den Helm absetzte. „Ich bin 31 Jahre nicht mit einem solchen Auto gefahren, aber nach einer halben Runde war alles sofort wieder vertraut“, sagte der fünfmalige Le-Mans-Sieger. Das ist genau, was die Porsche Rennsport Reunion ausmacht.
Grosse Fahrer werden wieder vereint mit jenen Autos, mit denen sie einst erfolgreich waren. Und aktuelle Werksfahrer dürfen einmal erfahren, wie sich die Autos von damals auf der Rennstrecke anfühlen. Privatfahrer dürfen ihre eigene Renn-Porsche auf der Strecke ausfahren, bei deren Autos handelt es sich nicht selten ebenfalls um Rennwagen mit einer erfolgreichen Geschichte.
Grösste Porsche-Veranstaltung der Welt
Die Porsche Rennsport Reunion gilt mittlerweile als grösste Porsche-Veranstaltung der Welt.
Im Jahr 2001 rief sie Ex-Rennfahrer Brian Redman zusammen mit seinem Sohn James sowie Bob Carlson, dem umtriebigen Pressechef des US-Porsche-Importeurs, ins Leben als kleines Treffen auf der Rennstrecke von Lime Rock, nördlich von New York. 2004 und 2007 fand die Veranstaltung in Daytona in Florida statt, 2011 und 2015 gastierte Porsche im kalifornischen Laguna Seca.
Dort trafen sich auch am Wochenende vom 29. und 30. September 2018 wieder Porsche-Besitzer und -Liebhaber aus aller Welt, um die Motorsportgeschichte der Marke zu zelebrieren, passend zum 70-jährigen Jubiläum von Porsche als Sportwagenhersteller.
Unterstützung aus dem Museum
„Es ist faszinierend, zu sehen, was aus der anfangs kleinen Veranstaltung geworden ist. Absolut beeindruckend, was hier geboten wird. Nur irgendwie schade, dass wir nicht länger Veranstalter sind, aber andererseits gibt mir das die Gelegenheit, die Tage hier auch wirklich zu geniessen“, erklärte der einstige Initiator Brian Redman. Porsche Cars North America hat die Organisation längst selbst in die Hand genommen, erhält dabei kräftige Unterstützung von der Zentrale aus Stuttgart. „Federführend sind unsere US-Kollegen, aber natürlich stellen wir gerne Fahrzeuge aus unserem Fundus zur Verfügung“, erklärt Porsche-Museumsleiter Achim Stejskal.
Für Porsche war es im Jubiläumsjahr die größte Veranstaltung nach dem weltweit simultan gefeierten ‚Sportscar Together Day’ im Juni.
Alles vor Ort
Superlative reichen nicht aus, um zu beschreiben, was in Laguna Seca alles zu sehen war. Herzstück im Fahrerlager war das sogenannte Porsche Heritage Display, eingerichtet mit Unterstützung von Partner Chopard.
Im Ausstellungszelt standen 70 bedeutende Fahrzeuge aus der Markengeschichte, vom faszinierenden ‚Berlin-Rom’-Wagen aus dem Hamburger Museum Prototyp über zahlreichen Rennversionen des 911, die Rennsportwagen 906, 908, 910, 917 und 956/962 bis hin zum erfolgreichen 919 Hybrid aus der jüngsten Geschichte.
Jani fährt die letzten Runden im 919 Hybrid Evo
Eine Vielzahl von weiteren Rennfahrzeuge war in den Boxen der Rennstrecke aufgereiht, darunter das 959-Siegerauto aus der Rallye Paris-Dakar 1986, der 911 GT1, mit dem Porsche 1998 die 24 Stunden von Le Mans gewann, sowie der 919 Hybrid Evo, die ultimative Version des LMP1-Rennwagens, mit dem der Schweizer Werksfahrer Neel Jani die allerletzten Runden absolvierte, bevor das Auto endgültig ins Museum wechselt.
„Schon irgendwie ein komisches Gefühl, wirklich das Ende einer Ära, aber gleichzeitig auch eine Ehre, dass ich hier das Auto noch einmal fahren durfte“, so der Rorschacher.
Echter Rennsport
Im Fahrerlager befanden sich die Autos, die im Rahmen der Veranstaltung in verschiedenen Rennen an den Start gingen. Die einzelnen Gruppen fuhren unter den Bezeichnungen ‚Werks Trophy’, ‚Eifel Trophy’, ‚Weissach Cup’, ‚Gmünd Cup’, ‚Stuttgart Cup’ und ‚Flacht Cup’.
Erstmals gab es sogar ein Rennen für Porsche-Traktoren, die schon für eine halbe Runde auf der gut vier Kilometer langen Rennstrecke ziemlich viel Zeit brauchten. Der US-amerikanische Porsche-Werksfahrer Patrick Long gewann das Rennen am Samstag. „Mit Abstand der langsamste Porsche, den ich jemals gefahren bin, aber oh Mann, hat das Spass gemacht“, strahlte Long.
Interessant war, dass sich beim Traktor-Rennen wirklich alle geladenen Gäste, inklusive Vorstände und des Aufsichtsratvorsitzenden Dr. Wolfgang Porsche, der als Ehrengast anwesend war, vor den Bildschirmen oder am Streckenrand versammelten. Das Spektakel wollte sich keiner entgehen lassen.
Dass Dr. Porsche auch selbst eine Runde im Porsche 356 Roadster, dem ersten unter dem Namen Porsche zugelassenen Sportwagen, auf der Strecke fuhr, war für viele Augenzeugen ebenfalls ein bewegender Moment.
Hommage an einen legendären Rennwagen
Im Rahmen der ‚Rennsport Reunion’ stellte Porsche ein neues Fahrzeug unter der legendären Typbezeichnung 935 vor. Als Hommage an den historischen 935, der weltweite Rennsporterfolge feierte, ist die aktuelle Version nur für den Einsatz bei sogenannten ‚Track Days’ gedacht.
Der 700 PS starke Sportwagen wird in einer limitierten Auflage von 77 Stück produziert, Verkaufspreis EUR 701’948 plus Steuern.
Mit Jacky Ickx, Manfred Schurti und Jochen Mass waren drei der vier Fahrer, die 1978 mit der ‚Moby Dick’ genannten extremsten Ausführung des 935 an den Start gingen, bei der Enthüllung in Laguna Seca vor Ort. Der vierte Fahrer, Rolf Stommelen, starb 1983 bei einem Unfall im Sportwagenrennen auf der Rennstrecke im kalifornischen Riverside.
Für den Liechtensteiner Ex-Werksfahrer Manfred Schurti war es der erste Besuch bei der ‚Rennsport Reunion’. „Unglaublich, was es hier alles zu sehen gibt“, schwärmte er. „Ich war sehr erfreut, als ich die Einladung für dieses Wochenende erhielt! Viele alte Weggefährten habe ich seit 30, 40 Jahren nicht mehr gesehen. Das ist wie ein grosses Klassentreffen hier. Toll auch, was Porsche mit der Neuauflage des 935 realisiert hat. Meine aktive Zeit mit dem damaligen 935 war toll, besonders ‚Moby Dick’ bin ich sehr gerne gefahren. Wir gewannen das WM-Rennen in Silverstone, und feierten einen Klassensieg in Le Mans, wo wir aber keine Chance auf den Gesamtsieg hatten, da der Spritverbrauch zu hoch war.“
Freude am Fahren
Um den Spritverbrauch muss sich bei der Rennsport Reunion niemand wirklich kümmern. Dafür herrscht die Freude am Fahren, sei es in den verschiedenen Rennklassen, bei Demonstrationsrunden oder bei gemeinsamen Ausfahrten der vielen Clubmitglieder, die sich im Rahmen der Veranstaltung in Kalifornien treffen.
Alle Anwesenden eint die Faszination für die Stuttgarter Sportwagenmarke. Japaner, Neuseeländer, Chinese, Australier, Europäer sowieso. Darunter auch viele Deutsche und Schweizer.
Für Werner Wenger aus Graubünden, seit Jahrzehnten leidenschaftlicher 911-Fahrer, stand ein Besuch der Veranstaltung schon lange auf der Wunschliste. Er überzeugte seinen Freund Bruno Schafer aus Bern kurzerhand zum Mitfliegen. „Ich bin früher in Europa auch selber Rennen gefahren, aber was man hier zu sehen bekommt, ist einfach einzigartig“, sagt Wenger. „In Europa wäre so was nicht durchzuführen. Bei uns lässt man das Auto lieber in der Garage stehen. Hier werden die schönsten Autos auf der Rennstrecke gefahren, und zwar mit Vollgas!“
Schafer pflichtet bei: „Vor allem der 917 fasziniert mich, ein geschichtsträchtiges Auto. Meine Erwartungen wurden um 200 Prozent übertroffen!“
Zehn Porsche-Le-Mans-Sieger vor Ort
Mit Jacky Ickx, Gijs van Lennep, Derek Bell, Richard Attwood, Jürgen Barth, Hurley Haywood, Vern Schuppan, Mark Webber, Timo Bernhard, Marc Lieb und Earl Bamber waren nicht weniger als elf Porsche-Le-Mans-Gesamtsieger vor Ort, dazu die amtierenden GT-Klassensieger Laurens Vanthoor, Michael Christensen und Kévin Estre, Daytona- oder Sebring-Gewinner wie Vic Elford, John Fitzpatrick, Jochen Mass, Kees Nierop und Brian Redman, aber auch der Aachener Willi Kauhsen, der mit einem 911 1968 die 24 Stunden von Spa gewann und im gleichen Jahr Teil des Siegerteams des ‚Marathon de la Route’ war, bei dem 84 Stunden lang (!) auf dem Nürburgring gefahren wurde.
„Das sind echte Legenden“, schwärmte der aktuelle, 26-jährige Porsche-Werksfahrer Sven Müller. „Mein persönliches Highlight war, dass ich vom Flughafen in San Francisco abgeholt wurde und zwei Stunden lang zusammen mit Jacky Ickx im Shuttle sass. Was der alles erzählt hat, unglaublich!“
Aber nicht nur die Fahrer, auch die Techniker standen im Rampenlicht. Norbert Singer, der an die 19 Porsche-Gesamtsiege in Le Mans von 1970 bis 1998 beteiligt war. Hans Mezger, der Vater des erfolgreiche TAG-Porsche-Formel-1-Turbomotors, mit dem in den 1980ern drei WM-Titel eingefahren wurden. Valentin Schäffer, der für Modelle wie den 917 oder den 956 die Motoren baute. „Leute kommen, stellen Fragen, wollen Autogramme. Und dazu trifft man die Fahrer von einst. Es ist wie ein Klassentreffen“, brachte es Mezger auf den Punkt.
Und genau so wie man ein Klassentreffen auch nicht jedes Jahr abhalten sollte, ist es auch richtig, dass die Rennsport Reunion nicht jährlich stattfindet. So bleibt der Reiz des Aussergewöhnlichen erhalten.
Wann und wo die nächste Auflage durchgeführt wird, steht noch nicht fest. 2023 wäre ein logischer Termin, denn dann besteht Porsche 75 Jahre. Aber wenn es doch früher wieder kommt, hat wohl auch kaum jemand etwas dagegen!