Toprestaurierte Autos sind wir uns ja schon gewöhnt, aber Neuwagen, die 30 und mehr Jahre alt sind, sind etwas Aussergewöhnliches.
Sensation - wie aus der Zeitmaschine
Es scheint, also ob H.G. Wells Zeitmaschine Wirklichkeit geworden wäre! Schlappe 500 Meilen stehen auf dem Zähler des Ford Thunderbird, ein Neuwagen und doch schon über 50 Jahre alt. 1957 verliess der schöne Ford, den viele mit Marylin Monroe assoziieren, das Fliessband und blieb seither weitgehend ungenutzt. Er wanderte von Museum zu Museum, Ausstellung zu Ausstellung.
Anders erging es dem schmucken roten Morgan 4/4, gebaut 1973. Die Reifen zeigen noch die typischen Spuren der Produktion, die erst beim Fahren langsam verschwinden. Der Motor ist nie gelaufen, die Sitze wurden nie benutzt. Einzig als Ersatzteilspender musste der englische Roadster dienen von Zeit zu Zeit, einige Teile fehlen. Und die Lagerung tat ihm nicht gut, ein erheblicher Renovationsbedarf hat sich angestaut.
Dieses Schicksal teilen auch die beiden Siebzigerjahre-Produkte von British Leyland, der Austin Allegro und der Austin Princess. Noch auf den ersten Reifen ruhend und nur mit Auslieferungstachostand warteten sie in den Siebzigerjahren vergeblich auf einen Käufer und wurden beiseite gestellt.
Für Sammler und Fans sind derartige Fahrzeuge besonders wertvoll, zeigen sie doch den Stand der damaligen Produktionstechnik und geben Hinweise auf Auslieferungsprozesse und -details. So sind alle Kleber und Markierungen, die durch den Hersteller oder den Importeur angebracht wurden, noch da. Das Bordwerkzeug ist noch komplett. Die Unterlagen sind vollständig und die Spaltmasse sind noch genau so, wie es der Hersteller damals als für gut befand.
Einen viele Jahrzehnte alten Neuwagen auf die Strasse bringen
Wer nun meint, man könne einen verschlafenen über dreissigjährigen Neuwagen einfach starten und damit losfahren, irrt sich gewaltig. Der Zahn der Zeit hat kräftig an den Autos genagt, wenn sie nicht pfleglich immer in Schuss gehalten wurden.
Die beiden Austin und auch der Morgan müssen vor der ersten Zündschlüsseldrehung und der darauffolgenden Jungfernfahrt teil-demontiert, mit neuen Weichteilen (Pneus, Schläuche, Bremsleitungen, etc.), Flüssigkeiten (Gebriebe-/Motorenöl, Wasser, etc.) ausgerüstet werden. Und auch oberflächlich benötigen die Wagen viel kosmetische Zuwendung, teilweise gar eine Teil- oder Ganzlackierung. Auch den Motor sollte man öffnen, um sicherzustellen, dass der Startversuch nicht zu ungewollten Schäden führt. Dass auch eine neue Batterie nötig ist, versteht sich von selbst.
Da kommen am Ende des Tages einige Stunden und auch erhebliche Materialkosten zusammen. Aber das Ergebnis ist ja dann auch ein exklusives Fahrzeug, das man, obwohl neu, auf dem Parkplatz kaum mit den übrigen Autos verwechseln wird.
Der Ford Thunderbird aus dem Ford-Museum
Der schöne schwarze Ford Thunderbird ging 1957 direkt ins Museum von Ford und stand einige Jahre dort, bis er auf verschlungenen Wegen in die Schweiz und über eine weitere Station zum heutigen Besitzer in den Kanton Thurgau kam. Weil sich alle Besitzer Mühe gegeben hatten, den Wagen in fahrbereitem Zustand zu halten und gleichzeitig nicht zu benutzen, ist er heute bereit, sofort loszufahren.

Nach wenigen Versuchen startet denn der Ford Thunderbird auch sofort und verfällt schon bald in einen gesunden und wohltönenden Leerlauf (unbedingt das Tondokument anhören).
Alles an dem Wagen ist so, wie der die Montage verliess. Jeder Kleber ist noch da, das Interieur ist wie am ersten Tag und alle Finessen an dem Wagen funktionieren. Beeindruckend zum Beispiel ist die Hebelmechanik der Sitzverstellung oder das Abklappen des aufgesetzten Reserverades zwecks Öffnung des Kofferraums.
Alles an dem Fahrzeug strahlt den Glanz vergangener Tage aus.
Die Spuren der Zeit auf dem Morgan 4/4 1600 Zweisitzer von 1973
Am 25. Juni 1973 bezahlte der Schweizer Importeur einen roten Morgan 4/4, am 15. Oktober war das Fahrzeug in der Fabrik fertiggestellt und wenig später kam der signalrote Morgan in der Schweiz an. Und bewegte sich seither keinen Kilometer mehr vorwärts.

Viele Jahre stand er Seite an Seite mit anderen Autos, über die Zeit verschwanden Anbauteile, die gerade benötigt wurden. So kamen die Stossstangen, das Lenkrad, die Vergaseranlage, Verschlüsse, Lampen und Zierteile abhanden. Wegen der nicht gerade vorsichtigen Lagerung und der damaligen Arbeitsweisen von Morgan nahm auch der Lack an einigen Stellen Schaden und ganz rostfrei ist der Wagen auch nicht mehr.
Aber alles an dem kleinen Roadster ist noch so, wie er gebaut wurde, es dürfte kaum einen anderen Morgan aus der Zeit geben, der ihn an Originalität übertrifft. Und mit seinen schmalen Rädern auf Stahlfelgen mit Radkappen, seinen niedrigen “Bucket Seats” und der rot-sandfarbenen Farbkombination strahlt er den Geist der Sechziger- und Siebzigerjahre aus.
Einen Morgan kann man zwar auch heute noch neu kaufen, aber die Modelle aus den Sechziger- und Siebzigerjahren mit Vergasern und Minimalgewicht waren halt noch viel näher an der ursprünglichen Idee als die heute gebauten Morgan mit Einspritzung, Katalysator und Kopfstützen. Mit diesem Morgan kann man jederzeit an ein Oldtimer-Treffen gehen und an historischen Veranstaltungen teilnehmen.
Der zweitürige Austin Allegro mit Minimalausstattung
Man muss ihn lieben, um ihn zu mögen. Der zweitürige Allegro von 1976 (Zollquittung vom Januar 1976) mit Minimalausstattung und Auslieferungs-Kilometerstand (57,4 km) auf dem Tacho verlangt nach einem besonderen Nerv.

Orangefarbiger Lack mit Zierstreifen (ohne Aufpreis) und ein braunes Vinyl-Interieur strahlen den Charme der britischen Siebzigerjahre aus. An diesem Auto ist nichts dran, was man nicht braucht. Auf der damaligen Preisliste war er mit 10’800 Franken aufgeführt, die Metallic-Lackierung hätte einen Aufpreis von 255 Franken bedeutet. Immerhin erhielt man für diesen Preis 57 PS, Rollgurten und sogar eine elektrische Scheibendusche, aber weder einen Drehzahlmesser noch einen Tageskilometerzähler oder eine Borduhr. Abgesehen von Flugrost auf den Chromteilen und ein paar zerschundene Stellen im Lack hat das kleine Auto die über 35 Jahre Lagerung aber gut überstanden. Die Dokumentensammlung, die zum Auto gehört, ist mehr als beeindruckend, Serviceheft, Anleitung, Auslieferungspapiere, Servicestellenverzeichnis und “Passport”, alles ist dabei.
Der komfortable Austin Princess mit quer eingebautem Reihensechszylinder
Einen quer eingebauten Reihensechszylinder mit 2,2 Liter Hubraum und 110 PS zeichnen diese Frontantriebslimousine mit Jahrgang 1977 aus. Für die einen ist der Austin Princess fast eine Design-Ikone, für andere ein hässliches Entlein, die Meinungen gehen weit auseinander.

Die Farbwahl scheint gewagt, blauer Metallic-Lack mit blauem Vinyldach und blauem Stoffinterieur. Nur das Armaturenbrett hebt sich mit holzbraun und plastikgrau davon ab. Im Vergleich zum Allegro ist der Princess mit Automatik, Velours, Drehzahlmesser und Uhr geradezu komfortabel ausgestattet, es handelt sich ja auch um die HLS-Ausführung. Einzig die schönen Räder entpuppen sich als Stahlfelgen mit nett gestalteter Plastikkappe statt es erwarteten Aluminium-Radsatz.
Auch hier ist alles so, wie es bei der Auslieferung in die Schweiz war. Alle Nummern und Prozessschritt-Dokumentationen (grüne und rote Punkte) sind noch da. Eben wie aus der Zeitmaschine!
Nicht günstig oder unverkäuflich
Während der Morgan und der Ford Thunderbird gemäss den Besitzern unverkäuflich sind, könnte sich Markus Tanner von ClassicCarConnection vorstellen, sich vom Allego oder vom Princess zu trennen, wenn ein richtiger Fan daherkäme. Aber es wären dann eben nicht nur die Ankaufskosten, sondern auch die nicht vernachlässigbaren Instandstellungskosten zu berappen.
Selbst mit den gestiegenen Neuwagenpreise der letzten dreissig Jahre tut sich hier also kein Schnäppchen auf. Immerhin kann man sich aber mit einem Allego- oder Princess-Neuwagen sicher sein, gebührende Aufmerksamkeit zu erregen, wenn man vor der Eisdiele, dem Zeitschriftenkiosk, der Disco oder natürlich beim Oldtimer-Treffen vorfährt.
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