Ein Marcos 3 Litre sieht aus wie kein anderes Auto und er ist geradezu zierlich, obschon unter seiner Haube ein Sechszylinder-Dreilitermotor von Ford arbeitet. Aber dafür war er ursprünglich eigentlich gar nicht vorgesehen.
Beginn mit Vierzylindern und viel Holz
Als Marcos im Jahr 1964 den GT, ein superflaches Coupé an der London Racing Car Show vorstellte, da hatte die Firma bereits eine fünfjährige Geschichte, in der bereits einige Rennerfolge gefeiert worden waren und auch ein paar Dutzend Autos entstanden waren.
Der neue Sportwagen aber war aus anderen Holz geschnitzt, auch wenn das Chassis weiterhin aus verleimtem Sperrholz bestand. Dennis Adams hatte die aufsehenerregende Kunststoffkarosserie entworfen und sie wirkte fast wie von einem anderen Stern. Als Motor wurde zunächst der B18-Vierzylinder von Volvo verbaut.
Suche nach mehr Leistung
Bis ins Jahr 1968 reichten vier Zylinder für standesgemässes Vorwärtskommen, doch spätestens anlässlich der offiziellen Werks-Beteiligung beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans im Sommer 1968 musste Jem Marsh erkennen, dass mit dem Volvo-B20-Vierzylinder einfach kein Staat mehr zu machen war. Tatsächlich schaffte das Team Marsh/Quick nicht einmal die Qualifikation, zu langsam war der Marcos auf der langen Hunaudières-Geraden.
Mehr Leistung musste her und Mash musste nicht lange suchen, denn bei Ford gab es einen V6 mit drei Litern Hubraum, der in den Motorraum des kleinen Sportwagens passte.
Die Dreiliterversion an der London Motor Show 1968
Schon wenige Monate stand der neue Marcos 3 Litre als Überraschung auf dem Stand an der London Motor Show. Die Automobil Revue schrieb im Oktober 1968:
“Den Marcos 1600 GT gibt es künftig mit dem Ford-Zodiac-V6-Motor. Bereits ist ein solches Modell – es wird Marcos 3 Litre genannt und zeigt sich mit einem ‘Buckel’ auf der Motorhaube und rechteckigen Scheinwerfern unter den Plexiglasabdeckungen – mit im Originalzustand belassenem Motor ausgestellt; die Fahrleistungsziffern sind jedoch noch nicht bekannt.”
Die deutsche Zeitschrift “auto motor und sport wusste dann ein paar Wochen später schon etwas mehr:
“Der 3 Liter-Motor findet in der neuen schnellen Version des Marcos Verwendung, die dem 1600er Modell ähnlich ist, jedoch eine längere Motorhaube und rechteckige Scheinwerfer hinter Plastikabdeckungen hat. Dieser Marcos soll von 0 bis 100 km/h in weniger als 8 s beschleunigen und eine Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h erreichen.”
Das waren eindrückliche Fahrleistungen, aber billig gab es diese nicht. In der Schweiz waren beim Kauf eines Marcos 3 Litre im Oktober 1969 CHF 25’200 fällig, dafür gab es auch ein Mercedes-Benz 250 CE Coupé mit Einspritzung oder vier VW Käfer 1200.
Im August 1969 veröffentliche Dennis Jenkinson, bekannt u.a. durch den Mille-Miglia-Sieg als Beifahrer von Stirling Moss, seine Erfahrungen nach einer ausgedehnten Fahrt im Marcos 3 Litre in der Zeitschrift “Motor Sports”. Er hatte einiges auszusetzen am flachen Coupé, vor allem tadelte er die Sicht nach hinten, die teilweise verdeckten Instrumente, die unbefriedigende Schalthebelposition und das unnachgiebige Fahrwerk.
Er fand aber auch viele gute Punkte im Marcos-Design und schloss entsprechend mit einer positiven Note:
“Ich würde es zusammenfassen, indem ich sage, dass der Marcos durchaus ein netter Wagen, aber nicht unbedingt ein gutes Auto ist, gemessen an den Standards von 1970, jetzt wo wir in ein neues Jahrzehnt aufbrechen. Obwohl ich das Fahren mit dem Marcos genoss, fühlte es sich nicht so an, als ob ich selber einen besitzen möchte, auch weil ich mit dem Jaguar E-Type bereits ein ähnliches Fahrzeug mein Eigen nenne. Allerdings rostet mir der E-Type nach 100’000 Meilen weg, während dies mit dem Kunststoff und dem Holz beim Marcos nicht passieren würde. Es wäre nett, wenn man sagen könnte, dass der Marcos der E-Type des armen Mannes sei, aber leider reicht die Wirtschaftlichkeit in Wiltshire nicht an jene von Coventry heran. Deshalb ist der Marcos teuer, obwohl man ihn in Komponentenform für £ 1770 kaufen kann. Mit einigem Zubehör und Verbesserungen wird des aber schnell kostspieliger. Aber, wenn Sie anders sind und wenn Sie einen Wagen wollen, der anders ist, dann sollten Sie den Marcos 3 Litre auf die Wunschlisten nehmen, vor allem auch, weil ich immer noch denke, dass der Marcos der bestaussehende Sportwagen aus England ist.”
Abkehr vom Holzchassis
Mit steigender Nachfrage wurde die Herstellungen des Holzchassis mit 386 Einzelteilen immer unökonomischer, vor allem aber zu zeitaufwändig und so wechselte man im Jahr 1969 zu einem Stahlrohrchassis.
Jem Marsh soll damals für Anschauungsunterricht eigens zur Sportwagenfirma Gilbern in Wales gereist sein, denn dort wurde bereits seit Jahren mit Stahlrohrrahmen hantiert. Ähnliches gab’s auch bei TVR in Blackpool und es ist gut möglich, dass Marsh sich auch deren Fahrgestelltechnik genauer angeschaut hat.
Klassische Sportwagenarchitektur
Mit dem Stahlrohrrahmen, der aus Vierkantelementen bestand, hatte der Marcos zur typischen Bauweise damaliger Kleinseriensportwagen gefunden. Knapp über 900 kg wog das 4,07 Meter lange, 1,59 Meter breite und 1,08 Meter hohe Coupé, dessen Karosserie weiterhin aus Kunststoff bestand.
Vorne wurden die Räder an Trapezdreieckslenkern mit Schraubenfedern geführt, hinten sorgte eine Starrachse mit Länglenkern und Panhardstab, kombiniert mit Schraubenfedern für einen möglichst guten Geradeauslauf. Die Lenkung funktionierte über Zahnstange, die Bremsanlage bestand aus Scheiben vorne und Trommeln hinten. Als Reifen wurde die Dimension 175 SR 13 aufgezogen.
Bei der Ford-Variante wies der "Essex" genannte Sechszylinder einen 60-Grad-Winkel zwischen den beiden Zylinderbänken auf. 2994 cm3 reichten für 146 SAE-PS bei 4750 Umdrehungen, eine zentrale Nockenwelle war für die Ventilsteuerung zuständig, ein Weber-Doppelvergaser für die Zuführung des zündfähigen Gemisches. Das Vierganggetriebe kam ebenfalls von Ford, wies vier Gänge plus einen Overdrive zum dritten und vierten Gang auf. Angetrieben wurden natürlich die Hinterräder und gemäss Werk waren 200 km/h Spitze möglich.
Kurzes Leben des Ford-V6
Nur ein gutes Jahr lang wurde der Marcos 3 Litre mit Essex-V6 gebaut, 180 Autos entstanden, 80 davon mit Stahlchassis. Von den rund 880 zwischen 1964 und 1972 gebauten Fahrzeugen war also etwa ein Fünftel mit dem Ford-V6 ausgerüstet. Insgesamt neun verschiedene Motoren wurden zwischen 1964 und 1972 im GT-Coupé verwendet. Ein weiterer Sechszylinder stammte dabei von Volvo, hatte alle Zylinder in einer Reihe und verfügte vor allem über die nötige Ausrüstung zur Abgasreinigung, die den Marcos ab 1970 auch für den amerikanischen Markt tauglich erscheinen liess.
Die Automobil Revue fuhr im Jahr 1970 bereits diese Variante mit Volvo-Reihensechszylinder, die man sogar mit einem Automatikgetriebe bestellen konnte. Diese Version, die wohl kaum allzuoft einen Käufer gefunden haben dürfte hierzulande, nahm es deutlich gemütlicher. 10 Sekunden vergingen, wenn man von 0 auf 100 km/h beschleunigte. Die handgeschaltete Variante schaffte dies in 8,8 Sekunden. Bei der Höchstgeschwindigkeit lief der Sportwagen mit Automat 183 km/h, während die Normalversion 199 km/h schaffte. Als Verbrauch notierte die AR 15,1 Liter pro 100 km im Testdurchschnitt der handgeschalteten Version.
Unabhängig vom Getriebe zeige der Marcos allerdings einen ganz besonderen Vorzug:
“Wie besonders die unverheirateten Mitglieder unserer Testequipe feststellen konnten, übt der Marcos eine sehr starke Anziehung auf das früher als schwach bezeichnete Geschlecht aus; die Karosserielinie bietet somit nicht nur Vorteile aerodynamischer sondern auch gesellschaftsbezogener Art.”
Etwas weniger begeistert zeigte sich die Automobil Revue bei der Beurteilung der Fahreigenschaften:
“Eine Vorliebe für erstklassische Strassenbeläge kann dem Marcos nicht abgestritten werden. Dort verlangt er auf den Geraden wenig Lenkkorrekturen und bleibt in Kurven weitgehend neutral; bei der übrigens recht hohen Adhäsionsgrenze drängt er je nach den Unebenheiten der Strasse mal vorn und mal hinten aus der Kurve. Auf der Manege von Lignières erwies sich der Marcos auch in Grenzsituationen als völlig problemlos.
Auf weniger einwandfreiem Strassenbelag ändert aber das Fahrverhalten schlagartig. Wegen mangelnder Festigkeit des Fahrgestells schlängelt sich der Wagen sowohl um seine Hoch- wie auch um seine Längsachse rund um die Kurven und kann nur mit einiger Konzentration und ständigem Korrigieren auf Kurs gehalten werden. Schlechte Strassen bedingen daher eine Temporeduzierung. Dank guter Dämpfung tritt aber kein Hüpfen der Räder auf.”
Das Schlussverdikt zur Volvo-Version lautete:
“Der Marcos 3 Litre wendet sich an den ausgesprochenen Indiviualisten, der bereit ist, dieser eigenwilligen und attraktiven Erscheinung allerhand an Platz, Komfort, Nerven und nicht zuletzt Geld zu opfern.”
Jem Marsh hoffte auf das grosse US-Geschäft, doch dieses liess sich nicht realisieren, weil sich unerwartete Hindernisse in den Weg stellten.
Es gab den Sechszylinder-GT übrigens auch noch mit dem Motor aus dem Triumph TR6, als Restbestände des nicht erfolgreichen Mantis-Projekts verwertet werden mussten.
Marcos aber ging 1972 in Konkurs und wurde erst rund ein Jahrzehnt später vom selben Jem Marsh wiedererweckt. Und auch einen neuen Sportwagen mit bekanntem Äusseren konnte Marsh in den Achtzigerjahren wieder anbieten, den Mantula, im Prinzip ein Marcos GT mit Rover-V8-Motor. Aber dies ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.
Flachmann
Es gibt nur wenige Autos, die flacher sind als der 1,08 Meter hohe Marcos, entsprechend liegend ist denn auch die Sitzposition angeordnet. Weil sowohl der Designer Dennis Adams als auch Jem Marsh grossgewachsen waren, legten sie den Sportwagen so aus, dass auch Menschen mit Gardemassen Platz fanden. Während der Sitz fest montiert ist, können die Pedale mittels Drehknopf verschoben werden. Auch das Lenkrad ist verschiebbar, damit man eine gute Sitzposition finden kann. Das fühlte sich damals rennsportmässig aus und tut es auch noch heute.
Die räumliche Enge führt allerdings nicht zu einer guten Rundumsicht, speziell nach hinten sieht man wenig, die verzerrende Heckscheibe tut ein Übriges dazu. Dass man nach vorne typischerweise direkt in die Auspuffrohre von SUV schaut und selbst ein Mini wie ein Lastwagen wirkt, erhöht das Vertrauen im Kolonnenverkehr auch nicht gerade.
Aber dafür war der Marcos auch nicht gebaut worden. Kleinere und grössere Landstrassen sind sein Revier, dort kann er seine stupende Handlichkeit und die guten Fahreigenschaften ausspielen, während der Ford-Motor sein Drehmoment in Vortrieb umsetzt.
Wer nach einem spektakulären Sportwagen mit guten Fahrleistungen und überschaubarer Komplexität sucht, der sollte sich den Marcos 3 Litre sicherlich näher anschauen.
Wir danken dem Besitzer Bernhard Rüst für die Bereitschaft bei der Teilnahme der Foto-Session.
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Ok, der Westfield wurde fast 20 Jahre nach dem Marcos gebaut - aber sein Grundkonzept wurde schon in den 1950er Jahren von Colin Chapman entwickelt !
Der Marcos hat dafür vermutlich mehr Platz im Kofferraum :-)
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