Mitte der Fünfzigerjahre bestand das Serienwagen-Bauprogramm von Jaguar aus dem sportlichen XK 140 und der grossen Limousine Mark VII. Als die Firma aus Coventry im Vorfeld der London Motor Show den Jaguar 2,4 Litre präsentierte, war das Interesse gross, denn die viertürige Limousine bedeutete den Wiedereinstieg von Jaguar in die Klasse der mittelgrossen, sportlichen Wagen. Zu diesem Zeitpunkt hatten Vorserienfahrzeuge während 2,5 Jahren bereits eine halbe Million Testkilometer abgespult, ein Schnellschuss war dies definitiv nicht.
Ein Sprung nach vorne
Passend zum Namen des Herstellers wurde mit dem 2,4 Litre zum Sprung in die Moderne angesetzt. Erstmals war die Karosserie selbsttragend ausgelegt. Während man vorne auf eine neuartige Einzelradaufhängung an doppelten Dreieckslenkern mit Schraubenfedern und Teleskopdämpfern setzte, wurde hinten eine Starrachse mit Längslenkern und Blattfedern eingesetzt. Durch Einsatz vieler Gummielementen sollten Fahrbahngeräusche möglichst vom Innenraum ferngehalten werden. Als Besonderheit war die hintere Spur 11,4 cm schmaler als die vordere. Die Räder wurden hinten von Abdeckungen (genannt «Spats») vom Luftstrom abgeschirmt.
Beim Motor konnte man auf eine modifizierte Version des bekannten XK-Reihensechszylinders zurückgreifen. Der Hubraum wurde auf 2483 cm3 reduziert, daher die Bezeichnung 2,4 Litre. Als Leistung wurden anfänglich 114 PS bei 5750 Umdrehungen angegeben.
Die Kraft wurde durch das bekannte Viergang-Moss-Getriebe an die Hinterachse weitergeleitet, auf Wunsch war ein Overdrive zur Senkung der Drehzahlen verfügbar.
Elegante Formgestaltung
In der Linienführung glich der neue Jaguar dem MK VII, aber der Radstand war um 30,5 cm gekürzt worden, die Länge gar um 40 cm. Gleichzeitig wurde der Wagen mit einer Höhe von 146 cm deutlich flacher, was der viertürigen Limousine ein insgesamt sportliches Aussehen verlieh. Mit 459 cm Länge und 169,5 cm Breite war der Jaguar deutlich kompakter als ein moderner Skoda Octavia.
Mit einem Radstand von 272,7 cm und einem relativ weit vorne montiertem Motor konnten aber für die fünf Insassen komfortable Platzverhältnisse sichergestellt werden.
Kritisiert wurden damals übrigens die nicht optimale Rundumsicht, die sich aus relativ dicken Pfosten der Windschutzscheibe und relativ schlankem Glaseinsatz ergab.
Dafür ging das Leergewicht von 1335 kg in Ordnung, woraus sich 11,7 kg pro PS als Leistungsgewicht errechnen liess.
Kultivierter Hochleistungs-Fünfsitzer
Die Automobil Revue unterzog den 2,4-Liter bereits im Jahr 1956 einem Langstreckentest über insgesamt 5600 km. 18’200 Franken kostete die Limousine zu jener Zeit, für den wünschbaren Overdrive mussten noch 700 Franken aufgezahlt werden. Bei Mercedes-Benz gab es für ähnliches Geld einen 220 S, bei Borgward den Hansa 2400 Pullman und bei BMW einen 501 mit Sechszylinder.
Mit einer Spurtzeit von 0 bis 100 km/h in 15,1 Sekunden und einer Spitze von 166 km/h gehörte der Jaguar zu den Schnellsten seiner Zunft. Im umfassenden Testbericht fanden sich nur wenig Minuspunkte, wenn man einmal von der «ungewöhnlichen Lage» des Schalthebels und einer nicht komplett überzeugenden Ableitung der warmen Luft im Motorraum absah. Dementsprechend positiv war denn auch das Fazit:
«Mit dem neuen Jaguar hat sich die Marke einen grossen potentiellen Markt erschlossen. Der 2.4 Litre spricht den sportlichen Fahrer an, bietet aber auch dem nicht in erster Linie nach hohen Geschwindigkeiten verlangenden, erfahrenen Automobilisten viele Reize und verbindet mit diesen Eigenschaften ganz offensichtlich eine recht robuste Bauweise und ist im Verhältnis zur Leistung keineswegs delikat. Unsere erbarmungslose Prüfung ergab keinerlei wirklich schwache Stellen, was für eine Neukonstruktion beachtlich ist. Die erwähnten offenen Wünsche werden sich im Laufe der zweifellos, viele Jahre dauernden Karriere des Wagens mit der Zeit mehr oder weniger erfüllen lassen; kein neues Modell hat je schon im Zeitpunkt seines Erscheinens seinen Höhepunkt erreicht. Als besonders positives Merkmal ist zu werten, dass sich der Fahrer dem Wagen mehr und mehr attachiert und ihn nicht nur seiner reinen Leistungen und Eigenschaften, sondern auch seiner Persönlichkeit und Vielseitigkeit wegen immer mehr schätzt. Der Jaguar 2.4 Litre ist zweifellos eines der besten heutigen Pferde im englischen Stall und ein hervorragender Vertreter der klassischen Richtung im internationalen Automobilbau.»
Bald schon mit grossem Bruder
Bereits Ende des Winters 1957 und kurz nach dem verheerenden Brand im Jaguar-Werk, dem bekanntlich auch einige Jaguar XKSS zum Opfer gefallen waren, wurde dem 2,4-Liter eine 3,4-Liter-Version zur Seite gestellt. Man hatte dabei vor allem die Exportmärkte im Auge, insbesondere die Amerikaner verlangten nach mehr Leistung und die erhielten sie auch. 213 PS leistete der 3442 cm3 grosse Sechszylinder mit Spezialzylinderkopf und man konnte ihn mit Viergang-Handschaltung oder auch mit einer Dreigangautomatik bestellen.
Für das neue Modell war der Kühler vergrössert worden, die hinteren Radabdeckungen wichen offeneren Radausschnitten. Einen Spezialzylinderkopf gab es nun auch für den 2,4-Liter, der dann 152 PS leistete.
Mit dem starken 3,4-Liter-Sechszylinder lief die Limousine nun 198 km/h schnell und sprintete in 10,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Der Verbrauch lag bei normaler Fahrweise bei nur rund 12, 5 Litern pro 100 km und bewegte sich damit auf ähnlichem Niveau wie beim 2,4-Liter. Allerdings kostete die schnellere Version rund 15 Prozent mehr. Auf Wunsch waren nun auch Scheibenbremsen erhältlich, womit die neue Version noch besser bremste als der bereits für gute Anhaltefähigkeiten gelobte Vorgänger.
Zweitauflage 1959
Auf dem Pariser Autosalon wurde im Oktober 1959 der Jaguar Mark II präsentiert, eine aufgefrischte Version der bekannten 2,4- und 3,4-Litre-Modelle. Äusserlich erkannte man diese Zweitauflage sofort an den deutlich grösseren Glasflächen und den dünneren Fensterpfosten. Auch das Interieur war überarbeitet worden und zwecks Verringerung der in Testberichten angeprangerten Seitenneigung in Kurven hatten die Jaguar-Ingenieure die Vorderradaufhängung modifiziert.
Die Spurbreite hinten wuchs um acht Zentimeter, Scheibenbremsen waren nun Serienausrüstung.
Mit dem 3,8-Liter kam zudem eine weitere Motorenvariante dazu, die Preise wurden für die rund 100 kg schwerer gewordene Limousine nach oben angepasst. Auf Wunsch gab es eine Servolenkung.
Im Jahr 1964 kostete der Mark II als 2,4-Liter 19’300 Franken, der 3,8-Liter aber 22’600 Franken.
1967 wurde gegen Ende der Bauzeit die Modelle 240 und 340 eingeführt, die dank etwas geringerem Ausstattungsumfang mit dem günstigerer Rover 2000 TC konkurrieren sollten. Ab Herbst 1968 erfolgte die Ablösung durch den XJ6. Bis dahin waren 83’976 Mark II und 7246 240/340 produziert worden, zu denen noch 37’397 Mark I dazu kamen.
Der Anteil der 2,4-Liter-Version, die man heute kaum mehr sieht, lag bei knapp 39 Prozent.
Mehr ist nicht immer mehr
Wie können sich eigentlich magere 120 PS mit einem Fahrzeuggewicht von 1470 kg in Szene setzen? Besser als man denken würde. Bis Tempo 80 km/h fühlt man sich dem modernen Strassenverkehr auch in einem über 55-jährigen Jaguar Mk 2 2,4-Liter gut gewachsen. Wenn man sich einmal an die Eigenheiten des Moss-Getriebes (Übernahme "Crash-Box") mit dem unsynchronisierten ersten Gang gewöhnt hat, kommt man mit der 4,8-Meter-Limousine gut zurecht.
Das Interieur wirkt überaus elegant und verströmt dank viel Leder und Holz englische Clubatmosphäre. Die Platzverhältnisse sind gut, die Rundumsicht im modernen Vergleich hervorragend. Der Hightech-Sechszylinder hat keine Mühe, schon bei niedrigen Drehzahlen genug Leistung und Drehmoment freizusetzen, der Komfort überzeugt.
Fast so sanft wie eine Katze rollt der Wagen über Unebenheiten hinweg, während die Scheibenbremsen jederzeit vertrauensbildend verzögern. Nachfolgende Fahrer werden sogar bewusst auf deren Existenz hingewiesen.
Hohe Drehzahlen sind dank Overdrive selbst bei Autobahnfahrten nicht nötig, somit bleiben auch die Verbrauchswerte im zivilen Rahmen.
Natürlich ist ein Mk 2 2,4 Litre heute kein richtig schnelles Auto mehr, aber wer will mit einem derartigen Klassiker schon rasen oder ein Bergrennen bestreiten. Für gemütliches Touren jedenfalls reichen die 120 PS problemlos und man kann die Reize der eleganten Katze auch viel besser auskosten.
Wir danken der Emil Frey Classics in Safenwil für die Gelegenheit zur Fotosession mit dem bestens erhaltenen Jaguar Mk 2 2,4 Litre von 1964.
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