Zu dieser Geschichte gibt es mehrere Versionen, alle erscheinen glaubhaft, eine Kombination, wie hier dargestellt, entspricht vermutlich der Wahrheit.
Carroll Shelby, Gary Laughlin und Jim Hall
Drei Männer prägen die Entstehung der Scaglietti-Corvette: Carroll Shelby, Gary Laughlin und Jim Hall. Carroll Shelby war schon lange auf der Suche nach der Basis für erfolgreiche Rennsporteinsätze, die Corvette lag da am Weg, nur war sie etwas schwer für den Job. Eine leichtgewichtige Aluminium-Karosserie und währschaftes Tuning erschienen der richtige Weg zu sein. Gary Laughlin war ein erfolgreicher Unternehmer, Öl-Millionär und Rennfahrer. Als an seinem fast neuen Ferrari Testarossa Sportwagen die Kurbelwellenlagen Probleme machten und Ferrari nicht nur lange für die Lieferung der Ersatzteile brauchte sondern auch noch viel Geld dafür verlangte, platzte ihm der Kragen. Ferrari-Look mit amerikanischer Grossserientechnik erschien ihm als vernünftige Alternative, auch er wollte Rennsport betreiben mit den “Hybrid”. Wie Laughlin war auch Jim Hall ein Chevrolet-Händler und immer an neuen Produkten interessiert. So waren es denn diese drei, die je ein Modell der Scaglietti-Corvette bestellten.
Die stärkste Corvette als Basis
Technisch sollte die Basis das aktuelle Corvette-Chassis und der stärkstmögliche Motor sein, im Jahre 1959 mussten da sogar Leistungskomponenten spezifiziert werden, die erst 1960 von Chevrolet käuflich zu erwerben waren. Jim Hall optierte für eine Automatik-Version, Carroll Shelby und Gary Laughlin bestellten eine handgeschaltete 315-PS-Version mit Ramjet Einspritzung. Carroll Shelby nutzte seine guten Beziehungen zum Chevrolet-Management, um der Bestellung der drei Chassis genügend Gewicht zu geben und noch 1959 wurden diese nach Modena zu Scaglietti geliefert.
Design und Karosserie durch Scaglietti
Gary Laughlin arbeitete eng mit der Karosseriefirma Scaglietti, die unter anderem durch den Bau von Ferrari-Aufbauten bekannt war, zusammen. Es dauerte fast zwei Jahre, bis die ersten drei Fahrzeuge fertig wurden. Die Karosserien wurden von Hand in Alluminium gebaut, das Design wurde an den damaligen Ferrari 250 GT Berlinetta Tour de France angelehnt. Dabei stellte sich allerdings das Problem der unterschiedlichen Proportionen, das Scaglietti aber mit artistischer Genialität lösen konnte.
Am 16. Februar 1961 berichtete dann auch die Automobil Revue über das Endprodukt, das gegenüber der Serien-Corvette um immerhin 180 kg leichter war und als schmuckes Coupé überzeugte. An die Corvette erinnerten neben der Technik nur noch der Kühlergrill, der im übrigen nicht bei allen drei Fahrzeugen zum Einsatz kam. Die drei Fahrzeuge unterschieden sich in mehreren Punkten, so war die Gestaltung der Stossstangen nicht einheitlich, die Armaturenbretter wiesen verschiedene Anordnungen der Anzeigen auf, zwei der drei Fahrzeuge hatten zusätzliche Kühlöffnungen auf der Motorhaube und auf der Wagenflanke und schlussendlich wurden zwei der drei Fahrzeuge mit Automatik ausgerüstet.
Ungeliebt und nicht erfolgreich
Carroll Shelby mit einer Automatik-Corvette? Undenkbar. Tatsächlich nahm Shelby “seine” Corvette nie entgegen, denn inzwischen hatte er mit Ford einen neuen Partner, der seinen motorsportlichen Ambitionen mehr Interesse entgegenbrachte, als GM, die offiziell mit Rennsport nichts am Hut haben wollten. Die Shelby-Corvette ging dann an Lloyd Smith, der für seine Frau wohl eine Automatik vorzog.
Die Qualitäten der Fahrzeuge überzeugten schlussendlich aber nicht, keines der drei Fahrzeuge wurde im Rennsport eingesetzt und auch im Alltag bereiteten die strenggängige Kupplung und die wohl auch sonst nicht ganz überzeugenden Fahreigenschaften machten keinem der drei Erstbesitzer viel Freude.
Ob dies, oder das fehlende Interesse von GM, welche keine weiteren Chassis liefern wollten, den Auschlag für den Halt des Projektes gaben, ist heute nicht ganz klar.
Heute Sammler-Preziosen
Über die Zeit wechselten die drei Fahrzeuge mehrfach die Hand und wurden früher oder später restauriert. Wunderbarerweise haben alle drei Fahrzeuge überlebt und gelten heute als wertvolle Sammler-Preziosen.
Schon in den Neunzigerjahren wechselte eines der drei Fahrzeuge für rund eine halbe Million amerikanische Dollars den Besitzer, zwischendurch sackten die Preise etwas ab. Aktuell bietet Paul Russell in Essex (MA, USA) das Fahrzeug, das ursprünglich Gary Laughlin gehört hatte, für USD 550’000.- in restauriertem Zustand an.
Ein weiteres Fahrzeug befindet sich in Frankreich, das letzte in Kalifornien. Alle drei Fahrzeuge weisen heute ein Handschaltgetriebe auf. Die Fahrzeuge tauchten mehrfach an Concours d’Elegance-Veranstaltungen wie Pebble Beach auf und die Legende will es, dass der golfspielende Gary Laughlin einst durch eine “seiner” Scaglietti-Corvettes aus dem Schlaf in seinem Zimmer in “The Lodge” von Pebble Beach geweckt wurde.
Vom Rennwagen zum Kunstwerk
Als Rennwagen und Hilfsmittel für motorsportliche Erfolge taugte die Scaglietti-Corvette nicht, trotz hoher Leistung, viel Drehmoment und vergleichsweise geringem Gewicht. Als Kunstwerk und Zeugnis italienischer Handwerksexpertise aber haben die Fahrzeuge überlebt und werden heute bewundert.
Chassis-Nummern und Besonderheiten
Chassis | Erstbesitzer | Besonderheiten/Kommentare |
---|---|---|
JS95S102405 | Gary Laughlin | Corvette-Kühlergrill, Borrani-Räder, Einspritzung, 315 PS, keine Kühlöffnungen auf der Haube und auf der Seite, Stosstangen hinten über die ganze Breite gezogen, rot |
JS95S102367 | Jim Hall | Automatik-Getriebe, Vierfachvergaser, Borrani-Felgen, Lufteinlässe, konvertiert zu Handschaltgetriebe, heute in Frankreich? |
JS95S105458 | Carroll Shelby/Lloyd Smith | Automatik-Getriebe, Vierfachvergaser, Borrani-Felgen, Lufteinlässe, nur Stossstangenhörner hinten und vorne, rot, Road&Track-Fahrzeug 1991, konvertiert zu Handschaltgetriebe |
Technische Daten
- Motor: OHV-V8, 4’638 cm3, Leistung 315 PS bei 6’200 U/min, Drehmoment 413 NM bei 3’800 U/min, Rochester Ramjet Einspritzung, Verdichtung 11.0:1
- Dimensionen/Gewichte: Länge 448.3 cm, Breite 179,1 cm, Höhe 132,1 cm, Radstand 259,1 cm, Spur vorne/hinten 146,6/154,2 cm, Gewicht 1’216 kg, Benzintank 151,4 Liter
- Fahrgestell: Frontmotor, Hinterradantrieb, Trommelbremsen 11 inch vorne und hinten, Räder 15 x 6.5 inch, Reifen Dunlop Racing 6.5-L15
Notiz in der Automobil Revue 7/1961
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