Es gab einmal eine Zeit, da noch nicht jede winzig kleine Marktlücke so gewaltsam aufgerissen wurde, bis ein weiterer SUV hineinpasste. Stattdessen gönnten sich manche Hersteller neben ihren verkaufsstarken Vernunft-Modellen in Kombi- und Limousinenform sogar ein elegantes Coupé, um die Modellpalette nach oben abzurunden. Von diesen Extravaganzen erhoffte sich natürlich niemand rekordbrechende Verkaufszahlen; und dennoch hatte man sie gerne im Programm – für den guten Ruf und den Kunden mit erlesenem Geschmack, etwas mehr Geld und etwas weniger Platzbedarf.
Französische Coupés aus Italien
Peugeot gehörte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den eifrigsten Limousinen-Halbierern, wenn auch meist mit einer Generation Pause zwischen den Modellwechseln. Vom 1948 vorgestellten Peugeot 203 erschien erstmals 1952 eine offizielle Coupé-Variante, die sehr amerikanisch anmutete und bereits ein Jahr später wieder aus dem Programm verschwand. Beim Nachfolger 403 überliess man es dem Peugeot-Händler Émile Darl'mat, aus dem Pininfarina-Entwurf der Limousine einen schnittigen Zweitürer mit Panoramaheckscheibe zu machen.
Beim ab 1960 gebauten Peugeot 404 durfte Pininfarina seinen Entwurf selbst in ein Coupé verwandeln, das ab Ende 1962 erhältlich war und sich – abgesehen vom Bodenblech – kein Karosserieteil mit der Limousine teilte. Genauso verhielt es sich auch bei Peugeot 504 Limousine und Coupé ab 1968 beziehungsweise 1969: beide Karosserien waren Pininfarina-Entwürfe, sie aber abgesehen von Modellnamen und Technik nichts miteinander gemeinsam hatten. Nur gerieten die Zweitürer dieses Mal so elegant und (hier ist das Wort endlich einmal angebracht) zeitlos, dass sie noch vier Jahre parallel zum 1979 präsentierten 505 im Programm blieben. Ein 505 Coupé war zwar geplant; es blieb jedoch bei einem einzigen Prototyp.
Beim 1987 präsentierten 405 sparte sich Peugeot sogar die Gedankenspiele, sieht man einmal von den Raid-Rennwagen mit Mittelmotor ab. Stattdessen präsentierte der Karosseriebauer Heuliez im Herbst 1987 eine Coupé-Version der neuen Peugeot-Mittelklasse, die es aber ebenfalls nicht in die Serie schaffte.
Ein Schönling in Blech
Knapp zehn Jahre später entsann man sich bei Peugeot der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Pininfarina. Der neue 406 – 1995 als Limousine und 1996 als Kombi erschienen – soll wieder als Coupé angeboten werden und damit die seit 16 Jahren klaffende Lücke schliessen, die das 504 Coupé hinterlassen hatte. Die Pininfarina-Designer Davide Arcangeli und Lorenzo Ramaciotti wahrten die Tradition der italienischen Salonlöwen, indem sie eine äusserst elegante Karosserie entwarfen, der man die Verwandtschaft zum Viertürer zwar deutlich ansieht, die aber trotzdem in jedem Detail von der Limousine abweicht und wieder komplett eigene Blechpressen erfordert. Deswegen überliess Peugeot Entwicklung und Produktion gleich ebenfalls den Italienern.
Im Oktober 1996 stand dann das Resultat auf dem Pariser Salon. Publikum wie Presse waren begeistert, obwohl man in San Giorgio Canavese die Bedeutung des französischen Wortes "coupé" falsch verstanden hatte: der "abgeschnittene" Zweitürer war bei gleichem Radstand tatsächlich sechs Zentimeter länger als die Limousine. Neben dem Coupé stand eine Roadster-Studie namens "406 Toscana", die laut Auto, Motor und Sport ein Vorgeschmack auf ein kommendes Cabriolet sein sollte, das allerdings nie kam.
Die Schönheit des 406 Coupés war beileibe nicht nur subjektiv, sondern wurde von mehreren Jurys offiziell bestätigt. So wurde der Italo-Franzose zum "Coupé più bello del mondo" – zum schönsten Coupé der Welt – des Jahres 1997 gewählt. Laut Pininfarinas eigener Broschüre von 2001 sei dies auf der Mailänder Triennale passiert – allerdings fand die renommierte Design-Ausstellung in diesem Jahr überhaupt nicht statt. Beim Festival Automobile International im Rahmen der 24 Stunden von Chamonix 1997 wurde das 406 Coupé gar zum schönsten Auto der Welt gewählt – ein Preis, den jüngst der Mercedes-Benz GLA gewann. Auf dem Turiner Autosalon im März 1997 gewann der Peugeot zudem den "Car Design Award".
Luxor oder Lugano?
Angetrieben wurde der zweitürige 406 entweder vom Zweiliter-Vierzylinder mit 132 aus dem Peugeot 605 oder von einem neuentwickelten Dreiliter-Sechszylinder mit 190 PS, der mit dem Coupé eingeführt wurde und ab Oktober 1996 auch für die viertürigen 406 erhältlich war. Beide Motoren waren wahlweise mit einem manuellen Fünfganggetriebe oder einer Vierstufenautomatik zu haben. Selbst mit dem schwächeren Vierzylinder erreichte das Coupé knapp über 200 km/h. Mit dem Sechszylinder waren bis zu 240 km/h drin.
Äusserlich unterschieden sich die beiden Motorvarianten nur durch die Sechsspeichenräder von BBS: beim Zweiliter waren sie 15 Zoll, beim Dreiliter 16 Zoll gross. Wem sie nicht gefielen, musste sich im Zubehör umschauen. Peugeot bot ab Werk nur dieses eine Leichtmetallrad an, das erst 2001 durch eines mit sieben Speichen ersetzt wurde. Mehr Auswahl gab es bei den Lackfarben, zu denen zu Beginn auch zeittypisch schrille Pastelltöne wie "Jaune Luxor" (hellgelb) oder "Vert Lugano" (hellgrün) gehörten, die aber nur sehr selten gewählt wurden (keine 1000 Autos pro Farbe) und heute bei Sammlern entsprechend begehrt sind.
Ein Bauernmotor im Abendkleid
Ab Mai wurde der Peugeot 406 in einer überarbeiteten Version mit geschwungeneren Scheinwerfern und Wabengrill verkauft. Das Coupé blieb vom Facelift jedoch unberührt. Lediglich an den farblosen Seitenblinkern statt der orangen Pendants sind die Coupés der sogenannten "Phase 1 Restylé" äusserlich zu erkennen. Unter der Motorhaube tat sich ein wenig mehr: Der alte Vierzylinder der seit 1981 gebauten XU-Reihe wurde zugunsten des 136 PS starken EW-Vierzylinders aus dem Peugeot 206 S16 in den Ruhestand geschickt.
Der Sechszylinder wurde von Porsche überarbeitet und erhielt dabei eine verstellbare Einlassnockenwelle und ein elektronisches Gaspedal, wodurch die Leistung auf 207 PS nach DIN stieg. Peugeot sprach offiziell von 210 PS aus drei Litern Hubraum, auch wenn die 2946 cm³ mathematisch-strenggenommen auf 2,9 Liter abgerundet werden müssten.
Ab Januar 2001 bot Peugeot einen Dieselmotor an. Mit seinem maximalen Drehmoment von 310 Nm bei 2000 Umdrehungen pro Minute übertraf der 2,2-Liter-Vierzylinder sogar den V6 (285 Nm bei 3750/min). Die Leistung lag mit 133 PS bei 4000 Touren jedoch noch knapp unter der des Otto-Vierzylinders. Auch wenn der ungehobelte Selbstzünder nicht so recht zum vornehmen Erscheinungsbild des 406 Coupés passen will, sorgte er doch für einen deutlichen Anstieg der Verkaufszahlen im Vergleich zum Vorjahr. Vor allem auf dem Heimatmarkt lief das nagelnde HDi-Coupé wie geschnitten Brot.
Im März erhielt das Coupé dann abermals einen neuen Motor: der Zweiliter-Benziner mit manuellem Getriebe wurde durch den 160 PS starken 2,2-Liter-Vierzylinder aus dem Peugeot 607 ersetzt und war ebenfalls nur handgeschaltet zu haben. Für eine Klientel ohne grossen Vorwärtsdrang blieb jedoch die Automatik-Version mit dem Zweiliter im Programm.
Sportlicher als gedacht
Unser Fotocoupé in feurigem "Rouge Lucifer" rangiert am anderen Ende der Leistungsskala. Als 2002er Modell ist sein V6 schon 207 PS stark, muss seine Leistung allerdings noch durch den Wandler der Viergang-Automatik quälen. Erst die Coupés der "Ultima Edizone" von 2004 hatten eine Tiptronic nach Porsche-System.
In seiner Charakteristik erinnert der Sechszylinder sehr an den berühmten PRV-Motor, obwohl der Neue einen deutlich günstigeren Bankwinkel von 60 Grad hat. Im Unteren Drehzahlbereich schiebt er kraftvoll an und tönt überraschend sportlich, aber dezent. Oben heraus wirkt er jedoch trotz seiner Leistung ein wenig angestrengt, wenn er das 1,5 Tonnen schwere Coupé zügig vorantreiben muss. Wobei dieser Eindruck auch durch das Automatiketriebe entstehen könnte, das selbst im Sport-Modus nie so wirklich direkt und spontan agiert. Gelegentlich meint man zu spüren, dass der V6 gerne schneller würde, wenn er nur könnte und ihn das zähe Öl im Drehmomentwandler ihn nicht daran hindern würde. Gut möglich, dass das manuelle Getriebe besser mit dem Motor harmoniert.
Zu dieser etwas sportlicheren Note würde auch die Fahrwerksabstimmung besser passen. Denn wer beim Einsteigen ins 406 Coupé einen schaukeligen Langstrecken-Gleiter ohne athletisches Talent erwartet, erlebt eine Überraschung. Das Coupé mit dem Limousinen-Fahrwerk ist bemerkenswert straff gefedert, neigt sich in Kurven kaum zur Seite und rumpelt trocken über Fahrbahnunebenheiten hinweg. Unerwartet leichtfüssig lässt sich der Peugeot so durch Landstrassengeschlängel dirigieren und zeigt – besonders für einen Fronttriebler mit solch schwerem Motor auf der Vorderachse – erfreulich wenig Hang zum Untersteuern. Nur die (zu) leichtgängige Lenkung gibt keinerlei Rückmeldung darüber, ob man sich noch immer auf trockenem Asphalt oder schon auf einer nassen Wiese befindet.
So sitzt das 406 Coupé ein wenig zwischen den Stühlen, und man ärgert sich fast schon über das gute Handling. Lenkung und Automatikgetriebe sind klar auf einen schnellen, komfortablen Reisewagen ausgelegt, der seine Insassen so wenig wie möglich fordern möchte. Während das Fahrwerk mit jeder Bodenwelle und bei jedem Links-Rechts-Wechsel einen Sportwagen suggeriert. Fast scheint es, als wäre das 406 Coupé, das so sehr nach Autostrada del Sole oder einer dreiwöchigen Genussreise an die Riviera aussieht, hierfür weniger geeignet als ein kommoder 406 Break.
Der letzte Pininfarina-Peugeot
Und doch spricht der Franzose im Massanzug das Liebhaberherz an, wie es nur Sonderkarosserien aus Italien können. Dank seiner äusseren Schönheit verzeiht der Pilot ihm sogar, dass er dasselbe Armaturenbrett vor sich hat wie hunderte Pariser Taxifahrer, nur verziert von chromgerahmten Instrumenten und einem Pininfarina-Schriftzug – dem bis heute letzten an einem Peugeot.
Im April 2003 wird das 406 Coupé zur "Phase 2" überarbeitet und erhält einen breit lächelnden Kühlergrill, wie ihn auch der kommende Peugeot 407 haben wird.
Im Mai 2004 rollt ein 2.2 HDI in "Rouge Ecarlate" als letztes von insgesamt 107'631 Coupés bei Pininfarina vom Band. Knapp die Hälfte von ihnen (49'927 Stück) kehrte heim nach Frankreich. Etwa 30 Prozent (32'074 Stück) aller 406 Coupés hatten einen Sechszylinder. Im September 2005 präsentierte Peugeot auf der IAA in Frankfurt das 407 Coupé, entworfen vom hauseigenen Design-Team unter Gérard Welter, das 2012 ohne Nachfolger auslief. Heute hat Peugeot keine Coupés mehr im Programm, dafür mehrere SUVs. So ändern sich die Zeiten.
Wir danken der Garage Ochsner für die Gelegenheit zur Fotofahrt.
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