Normalerweise haben die Versteigerungen in der alten Fabrikhalle der Oldtimer Galerie in Toffen einen gewissen Volksfest-Charakter. Er wird viel gelacht und geschmunzelt, die Stimmung ist locker und der Auktionator unterhaltsam. Vor- und nachher werden Bratwürste schnabuliert und das eine oder andere Bier getrunken. Am 28. März 2020 aber war alles anders, denn wegen der Coronavirus-Pandemie herrscht in der Schweiz wie auch in allen umliegenden Ländern ein Veranstaltungsverbot.
Während andere Auktionshäuser ihre Versteigerungen absagten, entschieden Reinhard Schmidlin und sein Team, die bereits vorbereitete Verkaufsveranstaltung durchzuziehen, ohne Publikum notabene.
Bieten nur per Internet, Telefonanruf oder Vorgebot
Um den Interessenten einen möglichst guten Einblick in die Autos zu geben, unternahm das Toffen-Team grosse Anstrengungen. Jedes Auto wurde im Vorfeld bei einer Vorbeifahrt gefilmt, zusätzliche Fotos von Unterboden und Details wurden aufgenommen und ins Netz gestellt. Die potentiellen Käufer schätzten den Service, wie bereits die Rückmeldungen im Vorfeld zeigten.
Sogar Vorbesichtigungen und Probefahrten waren bis am Tag vor der Versteigerung möglich, allerdings nur nach vorheriger Verabredung und unter Wahrung der notwendigen Abstandsvorschriften.
Bereits im Vorfeld gingen viele schriftliche Gebote ein. Trotzdem blieb für die Versteigerung ein gewisses Risiko. Immerhin aber machte die Presse gut mit, berichtete umfangreich vor der Auktion.
Ohne Publikum
Am Auktionstag vom 28. März 2020 schlesslich ersetzte ein “Livestream” für die Daheimgebliebenen den Besuch vor Ort. In guter Qualität wurden bewegte Bilder vom Auktionator und vom Toffen-Team übermittelt. Zwei Online-Auktionsdienstleister nahmen die Internet-Gebote entgegen, zudem boten bis zu vier Toffen-Mitarbeiter mit dem Mobiltelefon am Ohr für die zuhause sitzenden Interessenten mit.
Rund 3.5 Stunden dauerte die Versteigerung und sie war – aus Zuschauersicht – kaum weniger spannend als andere Auktionen. Nur wirkte sie etwas synthetischer, weil das Publikum halt normalerweise schon einen erheblichen Teil der Stimmung ausmacht und zudem für Überraschungen garantiert.
Ein paar lustige Sprüche setzte es trotzdem, etwa als der Auktionator den Internetbietern zuhause erklärte: "Nehmen sie einen Schluck aus der Kaffeetasse, dann drücken (klicken) Sie". Worauf Auktionsspezialist Beat Leu antwortete: "Besser zuerst drücken, dann schlücken …".
Erfolgreich
Das erzielte Ergebnis darf sich sehen lassen. 87 Fahrzeuge, darunter ein Motorrad und zwei Traktoren, im Wert von knapp über CHF 3 Millionen kamen unter den Hammer. 62 % wurden verkauft, bei weiteren 27 % sind noch Nachverhandlungen nötig (“unter Vorbehalt verkauft”). Nur gerade 12 % blieben unverkauft. Ein Wagen wurde noch vor der Auktion zurückgezogen und ein anderer nachträglich eingeliefert.
Insgesamt gingen Gebote im Umfang von rund CHF 2,1 Millionen ein, die Preise der verkaufen Fahrzeuge summierten sich inkl. 12 % Kommission auf etwa CHF 1,5 Millionen. Pro Fahrzeug-Lot wurden also CHF 27’710 bezahlt. Im Schnitt pro Lot wurde 77% des mittleren Schätzwerts geboten.
All dies sind Zahlen, die vermutlich auch bei einer “normalen” Versteigerung nicht viel anders ausgefallen wären, was sicherlich dem Enthusiasmus und der guten Vorbereitung zu verdanken war.
Überflieger Triumph 1300 Saloon
Einen Triumph 1300 haben wohl die Wenigsten in den letzten Jahren je auf der Strasse gesehen. Vorgestellt im Jahr 1965 reagierte Standard Triumph mit diesem Viertürer auf den Austin/Morris 1100. Das Design schuf Giovanni Michelotti und der Triumph 1300 sieht aus wie ein kleiner Dolomite, verfügte aber über Frontantrieb.
Der angebotene blaue Triumph 1300 von 1969 hatte nur gerade 6500 km zurückgelegt und wurde zum Schätzwert von CHF 4000 bis 6000 angeboten, notabene “sans reserve”. Die Bieter erkannten die Seltenheit des kleinen Triumph. Der Meistbietende ging schliesslich bis CHF 6500 und bezahlt somit CHF 7280 für die Rarität.
Deutlich über dem Estimate wurden auch ein Bentley Arnage T von 2003 und ein Chevrolet Camaro SS 350 von 1968 verkauft.
Mit dem Singer Senior Tourer von 1928 und dem Citroën Ami 8 von 1971 erzielten zwei weitere “Exoten” Preise klar über dem Schätzwert.
Teure Autos etwas weniger gefragt
Nicht verkauft werden konnte der wertvollste Wagen der Versteigerung, ein Porsche 911 Carrera 3.2 Speedster von 1989, geschätzt auf CHF 170’000 bis 180’000.
Beim aufgerufenen Startpreis von CHF 125’000 ging kein Angebot ein, “not sold” lautete das Verdikt des Auktionators.
Ähnlich erging es dem Fiat 124 CSA Abarth Rally von 1973.
Bei einigen wertvollen Fahrzeugen kam es zu Zuschlägen unter Vorbehalt, so etwa beim Ferrari 308 GTS Quattrovalvole von 1985 oder beim Alfa Romeo Montreal von 1973.
Schnäppchen?
Zwei Mercedes-Benz 190 SL waren im Angebot, ein Modell von 1960 und eins von 1956. Beide wurden verkauft, zu Preisen von CHF 117’600 und 104’160.
Noch vor wenigen Monaten wären für den Kauf deutlich grössere Beträge nötig gewesen, was auch für den Ferrari Testarossa Monospecchio von 1985 mit Zentralverschlussfelgen galt, der für CHF 84’000 deutlich unter dem Schätzwert zugeschlagen wurde.
Doch angesichts der aktuellen Coronavirus-Lage war vielleicht mancher Einlieferer um Bargeld froh und lockerte die Limiten.
Günstig war sicherlich auch der Mercedes-Benz 280 E W123 von 1981, der für nur CHF 4816 verkauft wurde. Auch der Renault 4CV von 1960, in der Schweiz “Renault Heck”, in Deutschland “Crèmeschnittchen” genannt, gelangte mit einem Preis von CHF 7280 deutlich unter dem Schätzwert in neue Hände.
Insgesamt darf das Experiment “Online Only” als geglückt betrachtet werden, aber Reinhard Schmidlin und seine Leute hoffen sicherlich jetzt schon, dass die nächsten Versteigerungen wieder im “normalen” Rahmen durchgeführt werden können. Es macht dann einfach viel mehr Spass und ein direkter Austausch mit Interessenten und Bietern ist einfach schwer zu ersetzen.
Angebotene und verkaufte Fahrzeuge
Die folgende Tabelle listet alle angebotenen und verkauften Fahrzeuge mit Schätzpreisen, Höchstgeboten und Verkaufspreisen. Die Preis-Umrechnung erfolgte zum am Auktionstag gültigen Tageskurs. Alle Angaben ohne Gewähr.
Lot | Fahrzeug | Jahr | CHF Est von | CHF Est bis | CHF HG | CHF VP | EUR VP | % Est | S |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
01 | Rover 216 Cabriolet | 1993 | 2000 | 3000 | 1000 | 1120 | 1052 | -55.2%
|
V |
02 | BMW 540i Touring | 2000 | 4500 | 5500 | 2750 | 3080 | 2895 | -38.4%
|
V |
03 | Mercedes-Benz 280 E W123 | 1981 | 7500 | 10'000 | 4300 | 4816 | 4527 | -44.96%
|
V |
04 | Triumph 1300 Saloon | 1969 | 4000 | 6000 | 6500 | 7280 | 6843 | +45.6%
|
V |
05 | Citroën Ami 8 | 1971 | 8000 | 10'000 | 9500 | 10'640 | 10'001 | +18.22%
|
V |
06 | Maserati Biturbo E | 1984 | 8000 | 12'000 | 5500 | U | |||
07 | Toyota MR2 2.0 GT-i | 1990 | 8000 | 10'000 | 7500 | 8400 | 7896 | -6.67%
|
V |
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