Dem Verfasser dieser Zeilen ist nicht bekannt, dass ein renommiertes Museum dem Thema „Tuner der Achtziger und Neunziger“ bislang eine eigene Ausstellung gewidmet hätte. Nun, die Autoworld Brüssel hat es getan. Beschränkt auf deutsche Tuningfirmen werden mehr als ein Dutzend exemplarische Automobile präsentiert. Schon die Erwähnung der Firmennamen Mattig, Koenig oder Rieger werden bei einigen Lesern vermutlich gleich Assoziationen mit bestimmten Fahrzeugen auslösen. Andere dürften die Nase rümpfen.
Ja, manche Autos von damals polarisieren, geschmackliche Grenzen wurden exzessiv überschritten und etwa ein Manta B mit Testarossa-Optik, das war schon extrem. Einige werden sich wohl noch an die Angebote im Katalog von D&W erinnern, etwa an die bunten Lederlenkräder, farbigen Tachozifferblätter, Spoiler etc. Vermutlich auch an die zeitgeistige, weitgehend textilfreie Präsentationsform der Produkte. An diesem Druckwerk kam man damals als Autointeressierter kaum vorbei. Doch all das ist nun schon Jahrzehnte her und bereits Teil der Automobilhistorie.
Scheinbar grenzenlos
Stürzen wir uns also noch einmal in diese wilde Zeit, in der es scheinbar unbegrenzte Tuningmöglichkeiten gab und tauchen ein in diese kleine, bemerkenswerte Sonderausstellung. Direkt am Eingang werden wir vom „Regenbogen-Porsche“ der Firma bb-Design von 1976 begrüßt. Dieser in der technischen Konfigurierung werksseitig nicht lieferbare Turbo Targa mit den identitätsstiftenden Farben der Firma Polaroid war einst bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Für den deutschen Sprachraum gilt dies sicher ebenso für den breiten und extrem bunten Opel Manta B von 1987 im Ornat von Mattig, der Protagonist der „Manta Manta“-Filme. Solch ein Wagen fehlt in Brüssel selbstverständlich nicht.
In einer anderen Liga spielt der Lotec TT 1000 aus dem Jahre 1991; ein Ferrari Testarossa, dessen Motorleistung mittels zweier Turbolader auf 1000 Pferdestärken gebracht wurde.
Noch einmal zurück zu Porsche. Der gezeigte weiße 935 der Firma dp von 1986 basiert auf einem Porsche Turbo. Er besitzt zwar die Konturen eines „Elfer“-Porsches, bei näherer Betrachtung ist innen und außen allerdings nicht mehr viel aus der Serie zu finden. Ja, Flachbau war damals so gefragt wie heute die optische Rückdatierung der Singers, Urban Outlaws oder Sportec Porsches dieser Welt.
Nur Show oder auch etwas Substanz
Sofort als Jaguar zu erkennen ist der von Arden entwickelte AJ 3 von 1989. Hier ging es dem Tuner jedoch nicht um ein wildes Erscheinungsbild. Vielmehr wurde auf der Basis des Jaguar XJ-S ein shooting brake mit einem V12-Motor geschaffen. Auch wenn man sich dabei etwas am Lynx Eventer orientiert haben mag – das sportlich-elegante Auto ist aus jedem Blickwinkel gelungen und hätte damals auch gut in das Portfolio des Herstellers gepasst. Arden lieferte zudem auch technische Upgrades wie beispielsweise ein ABS für den XJ Serie 3 oder ein Fünfganggetriebe von Getrag für die Zwölfzylinder-Modelle.
Elegant, das kann man von zwei Exponaten der Firma Schulz Tuning eher nicht behaupten. Die Autoworld präsentiert einerseits das Geländecoupé „Big Foot“ – eine Mixtur von Mercedes-Benz C124 und G-Modell, welches einst für einen Scheich gebaut wurde.
Auf fast sieben Meter Länge bringt es andererseits eine ebenfalls von Schulz verlängerte Pullman-Limousine des Typs Mercedes-Benz W 126.
Äußerlich gleich überhaupt nicht mehr als Mercedes-Benz-126-Coupé erkennbar ist hingegen der Arrow 1 der Firma SGS (Styling Garage). Mit seinen Flügeltüren, der „Flatnose“ vorn und seinen Seiten mit Anklängen an den Ferrari Testarossa – zweifelsohne eines der Tuning-Design-Leitobjekte der 1980er-Jahre – zielte diese Kreation von Chris Hahn wohl auf die Kundschaft aus der arabischen Welt und ist meilenweit vom Serienzustand entfernt.
Für optisch wenig zurückhaltende Modifikationen sind auch die Firmen Strosek und Koenig Specials bekannt. Von Strosek zeigt die Autoworld den Porsche 928 GTS Ultra Wing von 1993 mit Scherentüren. Koenig ist hier nicht mit einem Ferrari, sondern mit einem von zwei stark modifizierten BMW K 635 CSI (Baureihe E24) vertreten.
Wie erwartet, ist er verbreitert und „verspoilert“. Vom Treser Quattro Roadster sind immerhin 40 Stück entstanden. Eines davon, aus dem Jahr 1983, wird in Brüssel gezeigt. Es ist sozusagen das Auto, welches Audi selbst nicht baute: ein offener Sportwagen mit Allradantrieb und elektrisch betätigtem Hardtop.
Die bereits eingangs erwähnte bayrische Firma Rieger ist mit zwei Autos vertreten. Die Formel „Tiefer, breiter, Rieger“ scheint der Breit- und Umbau zu einem Volkswagen Scirocco Cabrio zu verkörpern.
Optisch deutlich zurückhaltender tritt daneben der neun Jahre später von Rieger bearbeitete BMW M3 von 1992 auf.
Besucher, die am Ende ihres Rundgangs noch kurz die Museumsbrasserie „Bagnole“ besuchen, erwartet dort noch eine automobile Delikatesse: Ein weißer Golf 16 S Oettinger von 1982. Der von Oettinger bearbeitete Golf GTI wurde über die VAG Frankreich offiziell angeboten und entstand in einer für Tuner-Verhältnisse geradezu grossen Serie von 1250 Exemplaren. Seine Leistung betrug dank Vierventiltechnik 136 PS. Und weil „Ventil“ französisch nun mal „soupape“ heißt, wurde er logischerweise als „16 S“ vermarktet.
Sicherlich hätte es noch weitere spannende Autos und Tuningfirmen gegeben. Doch der besondere Verdienst der Ausstellungsmacher besteht darin, das Thema überhaupt einmal aufgegriffen zu haben. Bei Besuchern, die diese wilde Zeit noch selbst erlebt haben, setzte dies möglicherweise ein Kopfkino in Gang. Jüngere mögen sich wundern, welche Unmöglichkeiten damals jenseits der Serienfabrikation getreu dem Motto: „Geht nicht, gibt's nicht“ so alle möglich waren.
Und: Auch Firmen wie AMG, Brabus oder Alpina haben einmal klein angefangen. Weshalb sie heute anerkannte Größen sind und andere nicht, wäre ein Thema für sich. Der Berichterstatter jedenfalls wird vielleicht doch noch einmal in seinen alten D&W-Katalogen blättern.
Weitere Informationen zur Ausstellung „German Tuners from the 80s and the 90s“, die noch bis zum 14.12.2025 in der Autoworld Brüssel zu sehen ist, finden Sie auf der Webseite des Museums.
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