Die letzte grosse Ausstellung des Jahres widmet die Autoworld in Zusammenarbeit mit Interclassics Brüssel (Messe von 18. bis 20. November 2022) der Marke mit dem "cavallino rampante". Es ist an dieser Stelle müssig, über die Geschichte und die motorsportlichen Erfolge von Ferrari zu berichten, und so soll hier ausschliesslich von der sehenswerten Exposition anlässlich des 75-jährigen Firmenjubiläums die Rede sein.
Doch so ganz stimmt das nicht, denn am Tag des Besuchs des Verfassers fand zeitgleich auch der Tag "Ferrari Cars & Coffee" statt. Das hatte zur Folge, dass sich vor dem Triumphbogen am sonntags ohnehin schon gut besuchten Jubelpark in der belgischen Hauptstadt ein reges Treiben entfaltete. Viele Interessierte nutzen nämlich die Gelegenheit, sich die rund 50 vor der Autoworld zusätzlich geparkten Ferrari einmal näher anzuschauen oder sich wenigstens auf den heutzutage wohl unverzichtbaren Selfies zu verewigen. Derart eingestimmt, stand dem Betreten der immer wieder beeindruckenden südlichen Ausstellungshalle, der Heimat der Autoworld, aber nichts mehr im Wege.
Viel prominenter Vorbesitz
Die eigentliche Jubiläumsausstellung umfasst 16 Exponate in drei Segmenten, die noch durch zwei Ferrari ergänzt wird, die in "Spielzeugschachteln" im Masstab 1:1 verpackt sind. Dergleichen gab es zwar bei der früheren Alfa-Romeo-Ausstellung bereits, aber es ist doch immer wieder amüsant anzusehen. Beginnen wir den Rundgang mit dem jüngsten Exponat: einem von 499 Exemplaren gebauten Ferrari Monza SP 2 aus dem Jahre 2020. Er begründete die neue "Icona"-Serie, die an Ferrari-Klassiker früherer Jahre erinnern soll. Gezeigt wird hier die zweisitzige SP-2-Ausführung, neben der es damals auch noch den Einsitzer SP 1 gab. An seiner Seite parkt ein F40. Anlässlich des 40-jährigen Firmenjubiläums lanciert, war er das letzte Model, welches unter der Regie von Enzo Ferrari entstand und zweifellos schon von Anfang an eine Ikone.
Daneben sieht man einen orangefarbenen Dino 206 GT mit Erstzulassung auf den Musiker Eric Clapton. Doppelt so viele Zylinder weist daneben ein goldmetallic lackierter Ferrari 500 Superfast auf. Er ist ebenfalls aus prominentem britischen Vorbesitz und gehörte einst dem Schauspieler Peter Sellers. Von diesem auf den US-Markt abzielenden Modell wurden nur 36 Exemplare gefertigt.
Links davon steht ein dunkelblauer Ferrari 330 GT 2+2 von 1964 mit einer für Pininfarina typischen Karosserie. Er ähnelt trotz seiner Doppelscheinwerfer äusserlich dem Modell 250 GTE. Am äusserst linken Rand der Gruppe befindet sich der älteste Ferrari der Ausstellung: Der fünfte von nur fünfundzwanzig gebauten 195 Inter Ghia Coupé. Das Auto wurde erstmals auf dem Turiner Salon 1950 gezeigt und kurz darauf in die USA verkauft. Nach seiner Restaurierung in Italien ist es nunmehr ein ständiger Concours-Teilnehmer.
Besondere Karosserien
Nebenan werden vier weitere Fahrzeuge der Marke aus Maranello präsentiert: Da ist zunächst ein silberner 365 GTS/4, im Volksmund "Daytona Spider" genannt, Nummer 52 von 121 jemals gebauten. An dessen Seite erwartet den Besucher ein echter Kontrast: der 365 GTB/4 NART Spider von 1974. Die Karosserie dieses Einzelstücks mit eher ungewöhnlichem Design stammt von Michelotti. Der Wagen wurde für die Frau des amerikanischen Ferrari-Importeurs Luigi Chinetti auf der Basis eines 365 GTB/4 von 1971 gefertigt, aber erst drei Jahre später ausgeliefert. Michelotti baute insgesamt drei NART Spider mit unterschiedlichen Karosserien.
Dem schliesst sich ein dunkelbrauner 275 GTB von 1965 an. Der Zweisitzer hat unter seiner langen Motorhaube erwartungsgemäss einen Zwölfzylinder und besitzt eine seltene Karosserie aus Aluminium. Diese Ausstellungsgruppe beschliesst ein "familienorientiertes" Coupé, nämlich der 365 GTC 2+2, der einst von der Zeitschrift Road & Track den Spitznamen "Queen Mother of Ferraris" erhielt, was heute wegen seiner stattlichen Länge von rund fünf Metern gemeinhin zum Namen des Ozeandampfers "Queen Mary" verballhornt wird.
Prominent im Mittelgang platziert – und von den bereits erwähnten als "Spielzeug" verpackten Ferraris flankiert – steht ein belgischer Ferrari F 355 mit Rennerfahrung in Spa-Franchorchamps.
Die 250-GT-Phalanx
Schliessen wir den Rundgang durch die Ausstellung mit einem Blick auf die letzte Ausstellungsgruppe, einer Art 250-GT-Phalanx. An deren Anfang steht ein 250 GT Drogo von 1965. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich eine Sonderanfertigung, die der Rennfahrer und Karosseriebauer Piero Drogo auf der Basis eines 250 GT von 1960 für einen Kunden realisierte und mit einer Nase im Stile des 250 GTO versah.
Dem schliesst sich ein noch in der goldfarbigen Originallackierung erhaltenes Wettbewerbsfahrzeug an: der 250 GT "Tour de France" von 1958. Das Auto wurde neben dem namensgebenden französischen Langstreckenrennen unter anderem 1960 in der Schweiz beim "Coupe des Alpes" eingesetzt. Der nächste Ferrari ist wieder ein Spider, nämlich ein 1960er 250 GT California mit langem Radstand, der 1964 von Pininfarina erhielt.
Das dunkelblaue Coupé an seiner Seite stammt ebenfalls von Pininfarina. Es zählt zur Serie II und ist aus dem Jahr 1960. Schliesslich wird noch ein 250 GT von Boano aus dem Jahre 1956 präsentiert. Dieses Coupé wurde nicht bei Pininfarina gebaut, weil dieser nicht genügend Kapazitäten für die Produktion hatte. Boano fertigte insgesamt 67 Stück, die einige stilistische Abweichungen vom Pininfarina-Entwurf aufweisen.
Auch wenn die Ausstellung beispielsweise keine Rennwagen von Ferrari zeigt, ist ihr Besuch sehr zu empfehlen, da man recht unterschiedliche Autos aus verschiedenen Dekaden zu sehen bekommt. Und wann sind schon so viele Ikonen auf einmal zu sehen? Die Ausstellung "75 anni di Ferrari" läuft noch bis 4. Dezember 2022.
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