Der Reiz der zunehmenden Geschwindigkeit und eines mobilen Lebens beeinflusste ab den 1930er Jahren zunehmend unsere Lebensweise und Gesellschaft. Heute ist der Begriff Stromlinienform deswegen weit mehr als ein griffiges Schlagwort – Stromlinienform ist ein kulturhistorisches Phänomen, das Menschen, Maschinen und den Zeitgeist seit den Anfängen des 20. Jahrhunderts bis heute prägt.
Der Zeppelin-Bau und die Windkanalforschung
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Friedrichshafen durch die Luftschiffbau Zeppelin GmbH zu einem Zentrum der Aerodynamik durch Ingenieure wie Paul Jaray und Max Schirmer. Hier stand in den 1920er Jahren einer der leistungsfähigsten Windkanäle. Techniker und Ingenieure arbeiteten aber nicht nur an Luftschiffen, sondern entwickelten dort auch Automobile, optimierte Renn- und Rekord- wagen, Omnibusse, Motorräder und Eisenbahnfahrzeuge. An diese Tradition knüpft die Ausstellung Strom-Linien-Form im Zeppelin Museum an.
Schnell wie der Wind – windschnittig und dynamisch
Automobile wurden in den letzten Jahrzehnten immer schneller und sparsamer im Benzinverbrauch, ihr Design veränderte sich kontinuierlich. Schnelligkeit gilt als Sinnbild für Modernität und Fortschritt schlechthin. Diese wichtigen Errungenschaften im Fahrzeugbau gehen u. a. zurück auf die Entwick- lung der Stromlinienform. Es war die Erfindung des Windkanals Ende des 19. Jahrhunderts, der diese Art der Optimierung erst ermöglichte. In Friedrichshafen wurden zur aerodynamischen Windkanalfor- schung wichtige Beiträge geleistet. Auslöser war der Bau der Zeppelinluftschiffe. Diese waren in den 30er Jahren das Symbol für Stromlinienform.
Die neue Ausstellung Strom-Linien-Form im Zeppelin Museum Friedrichshafen zeigt die technische Vielfalt, die historischen Brüche und Kontinuitäten ebenso wie die gesellschaftliche Bedeutung. Von der Luftschifftechnik spannt sich der Bogen bis zur aerodynamischen Gestaltung von Automobilien, Eisenbahnfahrzeugen, Motorrädern und Flugzeugen. Im Sport werden nicht nur Bobschlitten oder Rennräder im Windkanal aerodynamisch immer weiter verfeinert, sondern auch der menschliche Körper und seine Bewegungsabläufe. Die optimierte Stromlinienform von Verkehrsmitteln stellt heute niemand mehr in Frage. Das gleiche gilt auch seit langem für fließend gestaltete Produktionsprozesse, Organisationsstrukturen, Transportlogistik oder Kommunikation. Die Beschäftigung mit dem Phänomen wirft aber auch die sehr aktuelle Frage auf, ob die „stromlinienförmige Optimierung“ bis zur letzten Konsequenz einer zur völligen Reibungslosigkeit harmonisierten Gesellschaft ohne Ecken und Kanten reichen soll. Die Ausstellung, ein umfangreiches Begleitprogramm und eine reich bebilderte Publikation werfen unterschiedliche technische, historische und gesellschaftliche Blickwinkel auf das faszinierende Thema Stromlinienform.
Highlights der Ausstellung
Die Ausstellung führt uns mit rund 100 Exponaten durch vergangene Zeiten. Angefangen vom Rennwagen aus der Generation der berühmten Silberpfeile über Kult-Automobile, Limousinen und Weltrekordmotorräder, Eisenbahnmodelle bis hin zu zahlreichen Ausstellungsstücken aus dem internationalen Alltagsdesign. Leihgaben kommen unter anderem aus den Sammlungen der großen Marken BMW, Mercedes Benz, Audi und Opel, ebenso wie aus Museen wie z.B. dem Horch-Museum in Zwickau, dem Verkehrsmuseum Dresden, aus Hochschulen, For- schungsinstituten oder aus dem Privatbesitz zahlreicher Sammler und Liebhaber.
Unter den Exponaten sind seltene Ausstellungsstücke wie z. B. der Horch 930 S von 1939, eine seltene Stromlinien-Reiselimousine, die dank ihrer aerodynamischen Form mit einer Motorleistung von 92 PS eine Geschwindigkeit von 170 km/h bei einem Treibstoffverbrauch von 18 Litern erreichte. Eine weitere Attraktion ist auch der BMW 750, ein Originalmotorrad aus dem Jahr 1931. Mit diesem Motorrad war Ernst Henne im Windkanal der Luftschiffbau Zeppelin GmbH in Friedrichshafen, um vor einem seiner Weltrekordversuche die Aerodynamik der Maschine und die seines Körpers zu optimieren. Erstmals hatte ein deutsches Fabrikat den Geschwindigkeitsweltrekord für Motorräder erobert. Mit Weiterentwicklungen dieses Motorrads dominierte Henne die Jagd nach Geschwindig- keitsrekorden für die nächsten neun Jahre. Der Rekord mit diesem Motorrad lag bei 256,046 km/h. Der BMW 328 Touring Coupé gilt auch heute noch als Traumsportwagen. Max zu Schaumburg-Lippe und Fritz Hans Wenscher gewannen damit den Klassensieg in der 2-Liter-Gruppe beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1939 und der Tatra 87 war in den 1930er Jahren eines der ersten in Serie gebauten stromlinienförmigen Automobile der Oberklasse. Neuere Ausstellungsstücke sind der Opel GT Dieselrekordwagen und der Mercedes C 111/3 aus den 1970er Jahren.
Stromlinienform und Zeitgeist
Sogar „normale“ Haushaltsgegenstände wie Toaster, Radios, Bügeleisen, Feuerzeuge und die stromlinienförmig designte Mausefalle können höchst elegant wirken. Die Ausstellung Strom-Linien-Form und das umfangreiche Begleitprogramm widmen sich von November bis zum April nächsten Jahres umfassend sowohl der technischen wie auch der historischen und gesellschaftlichen Dimension des Themas, bis hin zur Rolle der Stromlinienform im Nationalsozialismus. Der Schwerpunkt der großen Überblicksausstellung, die gleichermaßen Technikinteressierte und Automobil-Fans und Familien, aber auch das breite Publikum der Designliebhaber anspricht, liegt auf der Zeit von den 1930er bis in die 1950er Jahre.
Weiter Informationen finden sie auf der Webseite des Zeppelin Museum Friedrichshafen.
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