Die Passione Caracciola ist eigentlich keine Rallye, sie ist eher eine Reise auf den Spuren der Vergangenheit. Erforscht und besucht werden dabei Stationen aus dem Leben von Rennfahrer Rudolf Caracciola, dem Namensgeber der Veranstaltung. Vom 21. bis 25. Juni 2017 standen demnach für die dritte Ausgabe der Rallye Mailand/Monza, St. Moritz, Arosa und Lugano an.
Geschichte erlebbar
In Mailand wurden am ersten Tag geschichtsträchtige Orte der norditalienischen Metropole besucht, stilgerecht im Klassiker und begleitet durch die Polizei. Ob Piazza del Duomo, Teatro alla Scala oder Via Montenapoleone, alle diese Plätze haben einen besonderen Klang und sind weltberühmt.
Am Abend wurden die Autos dann nach Monza verschoben, wo tags darauf die ersten Sonderprüfungen auf die Teilnehmer harrten.
Mercedes-Benz und Alfa Romeo in Monza
Bereits 1922 fanden in Monza die ersten Autorennen statt. Gefahren wurde damals in einem “Autodromo”, also auf einer Rundstrecke mit zwei riesigen Steilwandkurven, die sich gegenüber lagen.
Rudi Caraccola konnte 1934 den Gran Premio in Monza zusammen mit Luigi Fagioli gewinnen. Er fuhr damals nach einigen Jahren Alfa-Romeo den Mercedes-Benz W25. Nach dem Rennen sprachen die Rennfahrer bei Auto Union vor, ob sie die neuen Mittelmotorrennwagen auch einmal ausprobieren durften, eine Bitte, der stattgegeben wurde. Undenkbar heute.
An die Zeiten Alfa Romeo gegen Mercedes-Benz wurde allerdings in Monza auf andere Weise erinnert, nämlich mit dem Zusammentreffen der DTM/ITC-Autos von 1994 bis 1996. Die Stars waren die Mercedes-Benz C-Klasse, gefahren von keinem geringeren als Bernd Schneider, und der Alfa Romeo 155 V6 TI DTM, den der damalige Meister Nicola Larini pilotierte. Das DTM/ITC-Regulativ der Neunzigerjahre war extrem freiheitlich, was Alfa Romeo dazu brachte, einen vierradangetriebenen Rennwagen zu bauen, während Mercedes auf angetriebene Hinterräder vertraute. Die Motoren leisteten rund 420 PS, die Autos wogen rund 1000 kg, wobei hier im Hinblick auf Chancengleichheit vom Rennserienorganisator eingegriffen wurde. Kosten spielten keine Rolle, es wurde alles entwickelt, was schneller machte. So kam es auch, dass während der Saison ständig neue Technologien dazukamen.
Bernd Schneider, der bei der Weiterentwicklung eng dabei war, musste nur allzuoft das Versuchskaninchen spielen, während Klaus Ludwig auf bewährte Teile setzen konnte und prompt vor Schneider abschloss. Unter der dem Serienauto nachgebauten Karosserie (mit vier Türen!) hatten weder der Alfa noch der Mercedes viel mit anderen Modellen der Hersteller zu tun. Ein Karbonfaser-Monocoque hielt das Auto zusammen, ein Renn-ABS verzögerte die Fuhre und geschaltet wurde teilweise sequentiell und computergesteuert.
Akustisch gewöhnungsbedürftig ruhig zogen die DTM-Autos ihre (wenigen) Runden in Monza, Paolo Spalluto, der sich das alles ausgedacht hatte, freute sich wie ein Kind. Kein Wunder, schliesslich ist er mit Hunderten von DTM-Modellautos ein grosser Fan der Serie und kennt auch Schneider und Larini seit Jahren.
Mit dem Klassiker auf der Rundstrecke
Natürlich durften auch die Teilnehmer auf den heutigen Grand-Prix-Kurs, sei es als Beifahrer eines Profis (z.B. im Renn-Ferrari mit Arturo Merzario) oder - gemächlicher - an Bord des eigenen Klassikers. Schliesslich galt es auch noch mehrere Sonderprüfungen im Parco di Monza zu bestehen, bevor die Fahrt dann via Malojapass nach St. Moritz führte.
Dort siegte Caracciola 1929 im Rahmen der St. Moritzer Automobilwochen in seiner Kategorie auf einem Mercedes-Benz SSK. Das war die etwas sportlichere Variante des ältesten Autos unter den Teilnehmern, einem Mercedes-Benz S von 1928. Der Fahrer dieses Autos dürfte als einer der wenigen nachvollziehen können, was Caracciola damals leistete, um einen SSK zum Sieg zu wuchten.
Viele Sterne
Bei Betrachtung des Startfelds, das traditionell 58 Fahrzeuge umfasst, weil Caracciola 58 Jahre alt wurde, fielen die vielen Sterne natürlich sofort auf. Tatsächlich stellten Mercedes-Fahrzeuge das mit Abstand grösste Kontingent, gefolgt von Porsche und Jaguar.
Alle anderen Marken waren mit höchstens mit einem oder zwei Wagen vertreten, es fanden sich aber durchaus interessante Exoten im Feld. So etwa der Ferrari 365 GTC/4 als Cabriolet, das so vom Werk offiziell gar nie gebaut wurde. Oder der Maserati 26 M von 1928, der aktuell mit einem Buick-Motor angetrieben wird und an die Rennen der Zwanzigerjahre erinnert. Oder der Excalibur SSK von 1966, der zwar aussieht wie ein Mercedes, aber eigentlich amerikanische Technik unter der Haube hat.
Oder der Dodge Polara von 1966, der mit mächtigem Achtzylinderschub die Berge hochcruiste.
Auch ein BMW 2002 Turbo, ein Citroën SM und eine Alfa Romeo Giulia mischten sich unter das Teilnehmerfeld, in dem es ansonsten von 300 SL, Pagoden und Stern-Coupés nur so wimmelte.
Arosa und seine Kurven
Caracciola verbrachte jeweils seinen Urlaub und auch Erholungsphasen in Arosa, verlor dort aber 1934 auch seine geliebte Frau Charlotte in einer Lawine. Für die Teilnehmer aber wurden die Kurven von Arosa zur harten und schweisstreibenden Arbeit, vor allem, wenn weder Servolenkung noch stark unterstützende Bremsen an Bord waren. Deutlich über 150 Kurven sind es von Chur nach Arosa, mancher war froh, als er am Freitag endlich oben war. Belohnt wurden die Besatzungen natürlich durch ein wie auch an den anderen Tagen opulentes Mahl.
Am Tag darauf ging es dann die kurvige Bergstrasse wieder hinunter, um schliesslich nach einem Ritt über den Lukmanierpass für den Ausklang in Lugano anzukommen.
In Lugano verbrachte Caracciola bekanntlich seine letzten Tage, was den Grund dafür, dass die Rallye auch in den vergangenen Jahren dort endete.
Keine Kaffeefahrt
Die Passione Caracciola will nicht nur mit dem Namen an den zähen Rennfahrer erinnern, sondern auch den Teilnehmern währschafte Prüfungen vorlegen. Dazu kommt die insgesamt nicht unerhebliche Gesamtdistanz, die im Juni 2017 bei teilweise tropischen Temperaturen zu absolvieren waren. Entsprechend glücklich durften sich die Sieger der Rallye fühlen.
Marc Uwe und Anne Cathrin Fischer gewannen im Gesamtklassement auf ihrem Porsche 356 A Cabriolet von 1959. Es folgten ein Aston Martin und ein weiterer Porsche auf den Plätzen, die Sterne hatten den Weg an die Spitze also nicht gefunden.
Die Caracciola Trophy konnten Urs und Susanne Müller auf ihrem Aston Martin DB2/4 Mk III von 1958 für sich entscheiden. Dank diesem Sieg dürfen sie im Folgejahre wieder an die Stätte ihres Erfolgs zurückkehren.
Den meisten Teilnehmern war natürlich das Mitmachen, die Gespräche mit Kollegen und die kulinarischen Genüsse wichtiger als das Siegen. Und die Sonne machte eifrig mit. Weniger geregnet hat es jedenfalls an einer Passione Caracciola noch selten …