Bereits ein Jahr war es her, dass in Berlin die erste Oldtimer-Messe stattfand. Da der Erstling mit rund 20’000 Besuchern ein Erfolg war, setzten sich die Organisatoren für die zweite Ausgabe noch höhere Ziele. Am 6. bis 9. Oktober 2016 war es dann soweit, die Motorworld Classics öffnete mit deutlich vergrösserter Fläche erneut ihre Pforten.
Tradition überall spürbar
Berlin ist nicht unbedingt eine Autostadt wie Wolfsburg oder Stuttgart, aber auch Deutschlands Hauptstadt hat eine reichhaltige automobile Historie. So fand beispielsweise die IAA bis 1950 immer wieder in Berlin statt und zwar notabene exakt in denselben Hallen, in denen nun auch die Motorworld Classics gastierte.
Auch wurden in Berlin Automobile hergestellt, im Rahmen einer Sonderschau wurden einige der Modelle gezeigt, darunter z.B. das Amphicar, der Adler Autobahnwagen, der Hanomag 1,3 Liter Autobahn oder der Slaby-Beringer mit DKW-Motor, die als Gesamtes oder in Teilen (z.B. Karosserie) in Berlin entstanden.
Grösser und stärker frequentiert
Mit mehr Platz und zusätzlichen Halle, darunter die grandiose und helle Eingangshalle 20, wurde Raum für zusätzliche Aussteller und insgesamt über 1000 Fahrzeuge geschaffen. War am Donnerstag und Freitag noch vergleichsweise wenig los, so strömten die Besuchermassen vor allem am Wochenende durch die schön ausstaffierten Hallen. Gegen 25’000 Eintritte wurden nach ersten Schätzungen gezählt.
Mit Charme und Herzlichkeit
Was die Berliner Veranstaltung von anderen Oldtimermessen unterscheidet, ist die frische und charmante Art, mit der man an das Thema herangeht. Zu nennen ist hier insbesondere die musikalische Untermalung, die u.a. von den drei Herrn von der Tankstelle und den Lady’s mit viel Enthusiasmus und Freude dargeboten wurde.
Als Besucher kam man in Berlin viel eher in Urlaubsstimmung als an anderen vergleichbaren Messen, was sicherlich auch mit dem teilweise guten Wetter und den vielen herzlichen Leuten, auf die man überall traf, zusammenhing.
Viele Sterne
Zwei Marken waren natürlich besonders präsent, schliesslich war man in Deutschland. Da war einmal Mercedes-Benz, das mit einem auffälligen Werksstand vertreten war, der sich zwar kleiner zeigte als in Stuttgart oder Essen, den beiden Exponaten, einem blauen 300 SL und einem goldenen 280 SL, dafür aber viel Raum bot. Ergänzt wurde die Werkspräsenz durch die “Alltime Stars”, die bereits am Samstag drei verkaufte Autos meldeten.
Mercedes-Automobile fanden sich aber auch durch alle Hallen immer wieder, wobei vor allem die Cabriolet-Modelle der verschiedenen Baureihen immer wieder auffielen. Dem Mercedes Veteranen Club war es zu verdanken, dass auch seltene Limousinen zu sehen waren. Und die Ponton-Freunde zeigten natürlich ihre rundlichen Fünfziger- und Sechzigerjahre-Schätzchen.
Dass auch die Flügeltürer nicht fehlten, versteht sich fast von selber.
Die Pferdchen aus Stuttgart
Kaum weniger stark vertreten waren auch die Sportwagen aus Zuffenhausen, vor allem die heckmotor-angetriebenen 911-Modelle fanden sich an vielen Stellen und in ihrer ganzen Farbenpracht.
Auch der 356 war gut vertreten, während die Transaxle-Modelle zahlenmässig deutlich weniger auffielen. Einen Werksstand hatte Porsche nicht, aber die Händler vertraten die Marke gut.
BMW mit Konzernmarken
Offiziell anwesend war dafür BMW und dies gleich mit drei Konzernmarken, nämlich Mini, Rolls-Royce und natürlich BMW.
Drei Exponate standen im Mittelpunkt der Münchner Präsenz, der von David Bowie in Chrom gefasste Jubiläumsmini von 1999, ein Rolls-Royce Phantom I 10EX mit strömungsgünstiger Torpedo-Karosserie von 1926 und ein BMW 2002 tii, der zwar wie ein oranges Modell aus 1972 aussah, tatsächlich aber erst 2005 aus Einzelteilen und einer Rohkarosse zusammengebaut wurde.
Ergänzt wurde die Präsenz (natürlich) durch ein BMW-Motorrad, vor allem aber durch eine eindrückliche Leuchtenauswahl, die den einzelnen Objekten angepasst war.
Vor allem Händler …
Geprägt wurde die zweite Motorworld Classics sicherlich durch die starke Präsenz namhafter Händler und Spezialisten, die teilweise sehr grosse Stände hatten. So zeigten beispielsweise “Von Bargen”, “Chrome Cars”, “Garage du Pont”, “Potomac Classics”, “Rosier Classic Sterne” oder “HK Engineering” Autos, die man kaufen konnte, auch wenn nicht alles für den kleinen Geldbeutel gedacht war.
So rieb sich mancher Besucher erstaunt die Augen, als er einen Mercedes-Benz 280 SL für EUR 328’000 entdeckte und für manchen Klassiker wurde der Preis gar erst auf Anfrage genannt.
Dass hohe Preise kein Hindernis sein müssen, zeigten einige durchaus zufriedene Händler und verkaufte Fahrzeuge wie der Jubiläumskäfer von 1985, der mit 26 km auf dem Tacho für immerhin EUR 36’800 angeschrieben war.
… aber auch einige Clubs
Was wären Oldtimermessen ohne die Clubs und deren attraktiven Stände? Diese hatten es allerdings nicht leicht, denn gleichzeitig fand bekanntlich die Veterama statt und mancher Club-Vertreter musste sich zwischen der einen oder anderen Veranstaltung entscheiden.
Zahlenmässig grosszügig rückten die Mercedes-Clubs an, die sich um die wichtigsten Baureihen des Hauses, z.bB. W124, W123, W201, R/C107, R129, usw. organisieren.
Aber auch der Alfa Club zeigte drei interessante Klassiker aus der reichhaltigen Tradition und der Glas Club International konnte einen Glas 1304 TS mit Rennsportgeschichte auf den Stand stellen. Und auf dem Stand des Heinkel-Clubs gab’s natürlich nebst dem Roller die Kabine 154 zu sehen.
Ergänzt wurden die Club-Stände durch Museums-Präsenzen, dominiert durch das Haus “PS-Speicher”, das nicht nur einen Ford Taunus 15M von 1957 mit Mille-Miglia-Geschichte zeigen konnte, sondern auch die Sonderschau rund um die Autos aus Berlin veranstaltete.
Selbstverständlich traten auch viele der bekannten Dienstleister rund um den Oldtimer in Berlin an, ob es sich da nun um Sachverständige, Versicherungen oder Automobilclubs handelt.
Jedenfalls, wer sich in Berlin zum Thema Oldtimer oder Youngtimer informieren wollte, fand viele Ansprechpartner, die sich meist auch gerne Zeit nahmen für ihn. In einer deutlich weniger hektischen Atmosphäre als auf anderen Messen waren halt auch bessere und längere Gespräche möglich.
Der Sommergarten als Dessert
Wer genug hatte vom Wandern in mehr oder weniger gut beleuchteten Hallen, der konnte sich im Freien an die Sonne setzen (wenn sie schien) oder zumindest seine Füsse im Sommergarten vertreten. Und diejenigen Automobile, die er vielleicht im Innern der Hallen vermisst hatte, fand er dann draussen.
Sie durften dort, sofern sie das Alter von 30 Jahren erreicht hatten, im Innenhof kostenlos parken. Auf den vielen Stellflächen im Sommergarten fanden sich denn auch einige Raritäten ein, die man nicht jeden Tag sieht, etwa den Wartburg 312 als Kombi, die Borgward Isabella, eine ganze Reihe von Ford Transit oder den Sunbeam Alpine, nebst vielen Klassikern der bekannten deutschen Marken.
Johannes Hübner kommentierte die meisten Neuankömmlinge und vermittelte so manche Anekdote und Hintergrundsgeschichte, die durchaus wissenswert ist und die alten Autos nur noch sympathischer machte.
Noch mehr Potential
Was kann die Messe noch verbessern? Wünschenswert wäre sicherlich ein Termin, der nicht mit anderen ähnlichen Veranstaltungen überlappt.
Natürlich würde man sich auch über manchen Club freuen, der die Gelegenheit in Berlin noch nicht nutzte. Und die (zusätzlichen?) Händler könnten vielleicht ihr Angebot noch stärker auf einen breiten Geschmack ausrichten und auch ein paar Vorkriegs-Klassiker zeigen?
Der ADAC Youngtimer Tour, die am 7. Oktober an der Motorworld Classics gastierte, könnte man vielleicht noch etwas mehr Raum geben. Und die Besucherführung durch die einzelnen Hallen könnte noch etwas eindeutiger gestaltet werden, das kulinarische Angebot noch etwas ausgeweitet werden.
Dies alles ist allerdings Kritik auf hohem Niveau, am wichtigsten dürfte dem Besucher sein, dass beim künftigen Wachstum nichts vom spezifischen Charme der Messe verlorengeht.