Auf die Anfänge der über 125-jährigen Automobil-Geschichte zurückblicken konnten Teilnehmer und Zuschauer der zweiten Kronprinz Wilhelm Rasanz, die Ende Juni am Niederrhein an der deutsch-niederländischen Grenze stattfand.
An zwei Tagen machte sich jeweils eine ungewöhnliche Gruppe von Fahrzeugen vom Schloss Krickenbeck bei Nettetal auf den Weg, um eine historische Tour aus der Anfangszeit des letzten Jahrhunderts nachzufahren.
Geschichtliche Wurzeln
Die Fahrzeuge erinnerten mit ihrer Fahrt an den Besuch von Kronprinz Wilhelm im Mai 1907 in Düsseldorf. Schon damals fuhr der Sohn des deutschen Kaisers begeistert mit dem noch recht jungen Fortbewegungsmittel „Automobil“. Besitzer und Fahrer waren „Automobilisten“. Wilhelm fuhr durch Düsseldorf und das Rheinland mit einem damals brandneuen Mercedes 70-PS.
Die Autos unserer Ururgrossväter
Zwei Gruppen von Fahrzeugen mit insgesamt rund 50 Automobilen aus den Jahren 1895 bis 1925 machen sich auf die Route. Ein einmaliges rollendes Automobilmuseum zeigte die Geschichte des Automobils aus den Pioniertagen der Anfangszeit von Bertha Benz und Co.
Beeindruckend, während an der ersten Rasanz knapp zwei Dutzend Fahrzeuge mitfuhren, hat sich die Zahl bei der zweiten Auflage mehr als verdoppelt.
Die Teilnehmerfahrzeuge schnauften und zischten und tuckerten mit ihren Ein-, Zwei- oder Vierzylindern erstaunlich schnell durch die Landschaft, auch wenn die Maximalgeschwindigkeit oftmals 40 Stundenkilometer kaum überschritt.
Zu sehen waren Fahrzeuge, die man sonst nur im Museum sieht, "dort aber bewegen sie sich nicht; man kann sie nicht hören, riechen und fahren sehen", so Organisator Marcus Herfort. "Es geht darum, die Ururgroßväter unserer heutigen Automobile in Bewegung zu zeigen, zu demonstrieren, wie leistungsfähig Autos schon vor über 100 Jahren waren." Und dieses Ziel wurde erreicht.
Automobile Frühzeit
In ganz Deutschland hat es eine solche Fahrzeugdichte der Pionierjahre noch kaum je gegeben. Allein 27 Fahrzeuge kamen aus der Zeit vor 1907, weitere 20 wurden in den Jahren zwischen 1908 und 1918 gebaut, einige wenige Teilnehmer brachten im Vergleich dazu fast schon neumodische Autos mit Jahrgängen bis 1925 mit.
Die ältesten Fahrzeug hatten Baujahre mit einer "1" und einer "8" an erster Stelle, z.B. ein Peugeot Typ 26, ein Vertreter der ältesten noch existierenden Automarke der Welt. Rund 115 Jahre zählt dieser Wagen, dem man die Verwandtschaft zu seinem Vorläufer, der Kutsche, noch deutlich ansah.
Die Zusammenkunft von unverzagten Fahrern mit ihren "Messingautos" zur Kronprinz Wilhelm Rasanz machte Automobilgeschichte für Automobilfreunde, Zaungäste und Oldtimerbesitzer lebendig.
Das Starterfeld war international: Fahrzeuge kamen aus Italien, der Schweiz, Österreich, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Deutschland, Frankreich und sogar von der Kanalinsel Guernsey.
Nicht einfach nur fahren
Dass über hundert Jahre alte Technik fragil sein kann und vor allem nach wesentlich mehr Fachkenntnis verlangt als moderne Automobile ist selbstverständlich. Eine Ausnahme machte hier vielleicht noch der Detroit Electric, der dank seines Batterie-Elektroantriebs vergleichsweise genügsam war.
Bei den Ottomtor-Fahrzeugen hingegen musste geschmiert und repariert werden, Da war stete Zuneigung gefragt. Beim mitfahrenden Dampfauto waren sogar ganz andere Fähigkeiten nötig.
Zwar sind viele der alten Autos inzwischen auf elektrische Starter umgebaut, aber die Handkurbel ist trotzdem immer noch dabei und bei einigen auch die einzige Möglichkeit, den Motor zum Leben zu erwecken.
Lassen wir den Besitzer des Martini erzählen, wie man den Wagen aus dem Jahr 1906 startet und fährt:
“Vor dem Anlassen wird der Ölstand im Sumpf kontrolliert. Wenn Öl aus dem kleinen Hähnchen seitlich am Sumpf austritt, ist der Flüssigkeitsstand in Ordnung.
Zum Anlassen gibt man etwas Nachzündung mit dem Hebel am Lenkrad. Sobald der Motor läuft, geht man auf Vorzündung.
Das Schaltschema ist zwar ein H, aber umgekehrt als normal, d.h. der Rückwärtsgang liegt links vorne, der erste Gang dahinter. Der Martini hat ein Viergang.Getriebe, welches einwandfrei funktioniert und schön zu schalten ist. Zumindest solange man weiss, was man tut. Denn das Getriebe ist natürlich in allen Gangstufen unsynchronisiert, d.h. beim Heraufschalten wird zwischengekuppelt, beim Herunterschalten braucht es eine richtig dosierte Portion Zwischengas für einen einigermassen geräuschfreies Gangwechsel.
Am Armaturenbrett gibt es einen Kasten mit Glasröhrchen. Hier kann man sehen, wie das Öl tropft. Damit kann man kontrollieren, ob der Ölhaushalt in Ordnung ist. Von Zeit zu Zeit muss man auch überprüfen, ob die Antriebsketten genügend geschmiert sind. Je nachdem fettet (oder sprayt) man nach.
Mit dem Martini fährt man so um die 40 km/h schnell. Er kann zwar auch 55 km/h, aber dann beginnen die Räder zu flattern und die Vibrationen im Auto werden so stark, dass man die Geschwindigkeit gerne wieder reduziert. Über 40 km/h ist auch deshalb nicht angenehm, weil es weder Windschutzscheibe noch Dach gibt. Damals wurde auf diese beiden Elemente häufig verzichtet, wohl auch aus Kostengründen.
Dank vier Litern Hubraum aus vier Zylindern hat der Martini genügend Drehmoment, um auch Steigungen relativ mühelos zu bewältigen. Da ging es manchem der weniger stark motorisierten Messingautos schlechter, sie schafften die Steigungen mit Passagieren an Bord oftmals nicht. Als Konsequenz mussten Fahrer und Mitfahrer aussteigen und neben dem mit Standgas den Hang hochfahrenden Fahrzeug herlaufen.
Der Martini erweist sich als sehr zuverlässig, springt auch nach einer Nacht im Regen problemlos sofort an. Er ist auch leicht zu fahren, wenn man berücksichtigt, dass die Kurvengeschwindigkeit wegen der schmalen Reifen und des hohen Schwerpunktes nicht zu hoch sein darf.
Die Fussbremse wirkt direkt auf die Achse zwischen Getriebe und Kettenantrieb in der Mitte des Fahrzeugs. Bei mehrfachem Bremsen oder falls stark gebremst werden muss, nimmt man die Handbremse zur Hilfe. Diese wirkt direkt und ausschliesslich auf die Hinterräder.”
Nicht ganz ohne Probleme
Einige Teilnehmer mussten leider frühzeitig kapitulieren, etwa weil ein Getriebeschaden oder andere Probleme auftraten. Meist stand aber ein Ersatz bereit, so dass die Fahrt am nächsten Tag, wenn auch mit jüngerem Material, fortgesetzt werden konnte.
Für manches der Fahrzeuge waren die zweimal 100 km, die am 28. und 29. Juni 2014 gefahren wurden, vermutlich länger als die im ganzen letzten Jahr zurückgelegte Distanz.
Bei jedem Wetter
Die Teilnehmer der zweiten Kronprinz Wilhelm Rasanz mussten sich vom Wetter einiges gefallen lassen. Da war vor allem bei den offenen Fahrzeugen gute Kleidung und untrübliche Laune gefragt. Doch man schlug sich tapfer und tröstete sich damit, dass es ja vor 100 Jahren auch nicht besser war.
Was besonders gefiel, waren die oftmals zeitlich angepassten Kleider und die Tatsache, dass Jung und Alt zusammen mitfahren konnten. Dabei wurden teilweise sogar Generationen übersprungen.
Gemeldete Teilnehmerfahrzeuge
Nr. | Fahrzeug | Baujahr |
---|---|---|
1 | Peugeot Typ 26 | 1899 |
2 | De Dion Bouton Typ E Voiturette | 1899 |
3 | De Dion Bouton Typ E Voiturette | 1900 |
4 | De Dion Bouton Typ E Voiturette | 1901 |
5 | Locomobile Typ 2 | 1900 |
6 | Clement Runabout 2 Seater | 1902 |
7 | Opel Darracq | 1902 |
8 | Panhard Levassor | 1902 |
9 | Guerry et Bourguignon | 1902 |
10 | Leon Buat Monocylindrique | 1903 |
11 | Richard Brasier Typ H Tonneau | 1903 |
12 | Autocar | 1904 |
13 | Maxwell 12 hp Tourabout | 1905 |
14 | Buick Modell F Tourer | 1905 |
15 | Star 70 HP Racer | 1905 |
16 | Renault XB Torpedeo | 1905 |
19 | Martini Double Phaeton | 1906 |
20 | Mercedes Kettenwagen | 1906 |
21 | Spyker Phaeton Tourer | 1907 |
22 | Duhanot CG | 1907 |
23 | Clement Bayard | 1907 |
24 | Opel 10/18 | 1907 |
25 | Charron 12 hp | 1907 |
26 | Brennabor Typ A | 1908 |
27 | Delage AC | 1910 |
28 | Delage | 1910 |
29 | Buick Tourer | 1910 |
30 | Overland Type 42 Tourer | 1910 |
31 | Delage | 1910 |
32 | Brasier | 1911 |
33 | Ford T Speedster | 1911 |
34 | Ford T Speedster | 1912 |
35 | Panhard-Levassor Torpedo | 1913 |
36 | De Dion Bouton | 1914 |
37 | Opel Torpedo | 1914 |
38 | Swift Cycle Car Voiturette | 1914 |
39 | Premier 6-48 Indianapolis Racer | 1914 |
40 | Maxwell 25 Tourer | 1915 |
41 | Locomobile M48 Speed Car | 1916 |
42 | Minerva NN Aster | 1918 |
43 | Opel 8/25 | 1920 |
44 | Packard Tourer | 1923 |
45 | Minerva AC Open Tourer | 1925 |
46 | Bentley Open Tourer | 1926 |
47 | Rolls Royce Phantom I | 1927 |
48 | Ford Model A | 1930 |
49 | Mercedes 10-40-65 | 1924 |
50 | Clement | 1902 |
51 | Renault BZ Phaeton | 1909 |
52 | Le Zebre Typ A | 1911 |
53 | Mercer Runabaout | 1914 |
54 | Renault Typ D | 1901 |
55 | Ford Quadricycle (Recreation 2010) | 1896 |
Detroit Electric | 1915 |
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