1939 fand der letzte “Grosse Bergpreis” am Grossglockner statt, es sollte bis 2012 dauern, bis ein neuer Anlauf genommen werden konnte. Rund fünfzig Vorkriegs-Rennfahrzeuge und eine gutes Dutzend Nachkriegs-Renner erstürmten das Fuscher Törl auf 2’428 Meter, fuhren allerdings nicht auf Bestzeit, sondern nach einem Gleichmässigkeitsreglement. Inmitten eines einmaligen Bergpanoramas und bei besten Bedingungen erschallten einmal mehr die Klänge heiserer Achtzylinder und aufgeladener Rennmotoren.
Wetter zuerst wie damals
Immer spielte das Wetter am Grossglockner-Rennen eine bedeutende Rolle. 1935, bei der ersten Durchführung, sorgte in der Nacht von Samstag auf Sonntag einsetzender Regen für ideale Bedingungen, denn dank der starken Niederschläge wurde die Strecke in einen staubfreien Zustand versetzt. Der kräftige Wind sorgte dann für eine gut angetrocknete Strassendecke.
1938 erschwerten Schnee und Nebel die Arbeit der Fahrer, 1939 verhinderten dicke Nebelschwaden und Regenwolken Bestzeiten im zweiten Lauf.
Im Jahr 2012 aber zogen sich Schnee und Regen kurz vor dem ersten Orientierungslauf am Donnerstag zurück, einzig ganz oben blieb der Schnee liegen und die Strasse musste von den Spuren eines Frühwintereinbruchs geräumt werden.
Der W125 wieder am Berg
Hermann Lang hatte die letzte Durchführung des Grossen Bergpreises 1939 für sich entschieden. Mit einem Stundenmittel von 75,09 km/h hatte er seinen Mercedes-Benz W125 in zwei Läufen den Berg hinauf geprügelt und den mit Staub, Kies und Kopfsteinpflaster bedeckten Strassen getrotzt.
73 Jahre später hatte es Jochen Mass ungleich leichter und war auf Anhieb schneller als Lang. Er hatte es auch etwas komfortabler, denn die Strasse ist heute nicht nur wesentlich breiter, sondern auch optimal asphaltiert und in perfektem Zustand. Der heiser klingende Achtzylinder ging den Zuschauern an der Strecke aber trotzdem durch Mark und Bein, man konnte ihn auf mehrere Kilometer heranpreschen hören. Genauso musste es auch damals getönt haben.
Jochen Mass meinte, dass, ein wenig Training vorausgesetzt, sicher Zeiten unter sieben Minuten möglich wären. Aber natürlich ging er auf den Demonstrationsfahrten keine unnötigen Risiken ein.
Der unverwüstliche Hans Herrmann fuhr ein weiteres Demonstrationsfahrzeug, den Porsche 550 RS Spyder, der im Jahr 1954 die Carrera Panamericana gewinnen konnte. Auf dem Kopf trug Herrmann jenen Original-Helm, der ihn auch bei seinem wüsten Unfall auf der Avis im Jahr 1959 schützte, als er 60 Meter durch die Luft flog.
Auto Union fehlte
1938 hatte Hans Stuck auf dem Sechzehn-Zylinder Auto Union Typ C gesiegt, 1939 hatte Hermann Paul Müller auf der 12,6 km langen Strecke den absoluten Streckenrekord mit 8 Minuten 54,5 Sekunden eingefahren, was einem Schnitt von 84,8 km/h entsprach.
Leider aber fehlten die Auto Union 2012, Terminkonflikte hatten einen Start verunmöglicht. Schade!
Die Strecke
14,5 km lang ist die moderne Grossglockner-Bergrennstrecke, fast 1’300 Meter Höhenunterschied werden zurückgelegt. Der erste Streckenabschnitt verläuft serpentinenartig, es folgen erste engere Kurven, dann nach etwa 2,5 Kilometer die erste Kehre, eine von 14. Aber selbst die Kehren sind optimal ausgebaut, verlaufen meist flach, während die Strasse leicht geneigt ist. Zwischen den Kehren folgen weitere nur leicht gebogene Geraden, erst ganz oben löst eine Kehre die nächste ab. Insgesamt 92 Kurven und Steigungen zwischen 4 und 12% würzen die Bergfahrt.
Würde es wirklich um Bestzeiten gehen, liesse die Strecke Stundenmittel von weit über 120 km/h zu. Für Geschwindigkeitsprüfungen müsste aber auch die Streckensicherung äusserst umfangreich sein, was zusätzliche Leitplanken, Abschrankungen und ein Heer von Streckenposten erfordern würden.
Die Organisation des Grand Prix 2012 in Form einer Gleichmässigkeitsprüfung auf gesperrter Bergstrecke war daher ein vernünftiger Kompromiss.
Dominanz der Vorkriegs-Klassiker
Der Charakteristik der Veranstaltung folgenden, lag das Schwergewicht des Wagenparks bei den Vorkriegsautomobilen. Rare Klassiker von Bugatti, Maserati, Alfa Romeo, Morgan, MG und Mercedes-Benz waren wie über 70 Jahre früher am Start. Einzig Fahrzeuge der Marken Alta, Frazer Nash, Fiat, Amilcar, Austro Daimler, Adler oder Lancia fehlten, um den historischen Starterlisten gerecht zu werden. Auch die BMW-Dominanz der Jahre 1938 und 1939 war in der aktuellen Durchführung nicht mehr zu spüren.
Die fehlenden Marken ersetzten Fahrzeuge anderer Hersteller, darunter Bentley, Invicta, Riley, Alvis, HRG oder Atalanta, die in den Dreissigerjahren noch nicht zum zentraleuropäischen Allgemeingut gehörten.
Dass gleich mehrere Bugatti, darunter einer von nur fünf gebauten Sechzehnzylinder-Rennwagen des Typs 45, es nach Ferleiten schafften, ist erwähnenswert. Leider lief gerade der mit grosser Spannung erwartete mit zwei gekoppelten Achtzylinder ausgerüstete Rennwagen nicht richtig, so dass an Bergfahrten nicht zu denken war.
Der Alfa Romeo 1750
Christian Kautz startete 1935 in der Sportwagenklasse. Er nahm bei der ersten Austragung die 19,5 km lange Strecke mit einem Alfa Romeo 1750 Sport in Angriff. 90 Mal musste er schalten auf dem Weg zum Ziel, 16 Minuten und 47 Sekunden betrug seine Schlusszeit, die zum Sieg in seiner Kategorie reichte.
Auch 2012 war wieder ein ähnlicher Alfa Romeo 6C 1750 am Start, ein wunderschönes schwarzes Exemplar mit Touring-Karosserie. Und legte die verkürzte Strecke bedeutend schneller zurück.
Die Höhenluft setzt den Fahrzeugen zu
Ein Bergrennen mit Ziel auf 2’428 Metern setzt ganz besondere Anforderungen. Bis zu 50% verlieren Vergaser-Motoren an Leistung, selbst mit Kompressor zwangsbeatmete Aggregate büssen an Pferdestärken ein. Entsprechend kam mancher Wagen an seine Leistungsgrenzen und stellte gar seine Dienste ein. Bereits nach dem ersten Berglauf war das Teilnehmerfeld schon spürbar geschrumpft, beim letzten Lauf fuhren nur noch rund drei Viertel der Fahrzeuge ins Ziel. Das alte Material forderte seinen Tribut. Doch wie meinte Pitt Jung, als er gerade wieder einmal den Schraubenschlüssel für eine Reparatur ansetzte? “Noch selten habe ich in einem derartig atemberaubenden Bergpanorama geschraubt!”
Der Disziplin der Teilnehmer ist es zu verdanken, dass Unfälle ausblieben, wenn man einmal von Parkremplern im Fahrerlager absieht.
Ferdinand Porsche im Ur-Käfer
Im Jahr 1938 nahm der Autokonstrukteur Ferdinand Porsche am Grossglockner-Rennen teil und zwar mit dem Prototyp des neuen Volkswagens. Er erreichte dabei ein Stundenmittel von 34,5 km/h.
Mit Startnummer 38 nahm der Porsche-Prototyp VW 38 KDF-Wagen auch 2012 wieder die rund 14 km von Ferleiten zum Fuscher Törl in Angriff und war sogar eher noch schneller unterwegs, auch wenn dem frühen Käfer dabei beinahe der Schnauf ausging.
Sportfahrzeug-Raritäten der deutschen Nachkriegsjahre
Neben den rund 50 Vorkriegsautomobilen traten auch drei Veritas RS, ein BMW Werkmeister und ein Neumaier BMW Sportwagen mit 1,5 Liter Hubraum an, der bereits 1939 mit Herrmann Kathrein am Start war. Sie führten ein kleines Feld von Nachkriegsrennwagen an, das als Highlights einen Ferrari 500 Mondial und einen Porsche 910 enthielt.
Interessierte Zuschauer in überschaubarer Zahl
Zehntausende von Zuschauern säumten die Hänge bei der letzten Durchführung des Grossen Berpreises im Jahre 1939, so viele sollten es 2012 nicht mehr sein.
Eine Bergprüfung an einem Donnerstag/Freitag zu veranstalten ist sicher nicht das Rezept für einen grossen Publikumsaufmarsch. Dieser war wohl auch nicht beabsichtigt. Trotzdem fanden einige oldtimer-interessierte Fans nach Ferleiten und an die Strecke auf den Grossglockner und freuten sich an Oldtimern und ihren Fahrern. Mit Mobiltelefonen wurde fotografiert, was das Zeug hielt, Fahrer mit Fragen durchlöchert.
Ergebnisse der Gleichmässigkeitsprüfung
Bei den Vorkriegswagen (1910-1940) gewannen Berthold Dörrich und Veerle Ullrick auf dem Alvis 12/70 von 1939. Zweite wurden Günter Krenn mit Leopold Gierl auf MG K3 Magnette von1934. Als Dritte durften sich Peter Steng mit Beifahrerin Sabine Steng auf dem Delahaye 135 S von 1937 feiern lassen.
In der Veritas-Klasse siegten Jürgen Bremer zusammen mit Ulrich Detscher auf dem BMW Werkmeister von 1952, vor Günther Schindler auf dem Neumaier-BMW von 1938 und Joachim Ohlinger mit Astrid Hofmann auf einem Veritas RS von 1948.
In der Nachkriegsklasse (1950-1970) schliesslich trugen Marcus Schrammen und Irene Terhaag auf dem Porsche 356 Pre-A von 1955 die Siegertrophäe nach Hause, Zweite wurde Jürgen Rudolph mit Beifahrer Frank Stricker auf dem Porsche 910 von 1967, als Dritte wurden Michael Kurzeja mit Joachim Klutz auf dem Austin-Healey 3000 MK I von 1961 notiert.
Die Präzision der Gesamtsieger überzeugt! Nur 67 Hunderstel Abweichung wiesen Berthold Dörrich und Veerle Ullrick auf dem Alvis 12/70 aus und dies bei 14,5 km Streckenlänge. Hut ab!
Informationen zu den historischen Grossglockner-Rennen
- AR-Zeitung Nr. 63 / 1935 vom 06.Aug.1935 - Seite 2: 1. Internationales Grossglockner-Strassenrennen
- AR-Zeitung Nr. 70 / 1938 vom 30.Aug.1938 - Seite 3: Stuck, bester Mann am Grossglockner-Rennen
- AR-Zeitung Nr. 64 / 1939 vom 08.Aug.1939 - Seite 7: Hermann Lang gewinnt am Grossglockner die deutsche Bergmeisterschaft
Man beachte die separaten reichhaltigen Bildergalerien mit über 300 Fotos aller Teilnehmerfahrzeuge unter "Empfohlene Artikel".