Von einem “Erfolg auf der ganzen Linie” spricht die Hamburger Messe in ihrer Pressemitteilung und von 18’000 Oldtimer- und Youngtimer-Fans, die der Hamburg Motor Classics zwischen dem 13. und 15. Oktober 2017 einen Besuch abgestattet hätten.
Das tönt euphorisch und darf sich auch als gutes Ergebnis zeigen lassen. Denn manches im Vorfeld wies auf eine schwierige Ausgangslage hin. So gab es Personalwechsel im Kernteam, unzufriedene Aussteller und kurzfristige Kosteneinsparungen, denen wohl auch einige Attraktionen und Komfortmerkmale (z.B. die Teppiche in den Gängen) zum Opfer fielen. Auch bei der Standzuteilung und beim Aufstellen soll nicht immer alles wie erwartet gelaufen sein, bemängelten Standbesitzer, die sich auch teilweise über recht hohen Preise für Zusatzleistungen beklagten.
Zufriedene Besucher
Doch dem Publikum blieben diese Startschwierigkeiten offenbar weitgehend verborgen, denn von ihnen wollten - gemäss repräsentativer Umfrage der Messe - 86 Prozent den Besuch auch ihren Bekannten empfehlen und mehr als 70 Prozent der Besucher bewerteten die Messe als gut bis sehr gut. Ob diese Einschätzung auch aus Sicht Aussteller zutrifft, werden die Buchungen bei der nächsten Austragung, die für den 19. bis 21. Oktober 2017 angesagt ist, zeigen. Zumal der erste Tag, der Freitag, der aus Sicht Handel oftmals der beste ist, relativ besucherschwach ausfiel.
Dabei war die Messe mit zwei komplett bespielten Hallen und einer zusätzlichen Fahrzeugmarkt-Halle doch recht übersichtlich. Aber man sollte eben eine regionale Messe, die sich vor allem an Leuten aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen richtet, nicht mit der Techno Classica oder der Rétromobile vergleichen.
Attraktive Fahrzeuge aus der Gegend
Hamburg gehört nicht gerade zu den Zentren der deutschen Autoindustrie, immerhin aber gab es einige Hersteller, die teilweise vor vielen Jahrzehnten in der Hanse-Stadt Fahrzeuge fertigten, so etwa Tempo von Vidal & Sohn, die Lieferwagen mit drei und vier Rädern bauten.
Von diesen Tempo-Fahrzeugen konnten gleich mehrere in einer Sonderausstellung, aber auch auf dem Stand des Prototyp Museums bewundert werden.
Etwas versteckt konnte man ein weiteres Produkt aus Hamburger Fertigung finden, den Herbst Piccolo Kleinwagen, der von ILO-250-cm3-Motor im Heck angetrieben wurde.
ILO-Motoren, die nur 25 km nördlich von Hamburg in Pinneberg gebaut wurden, gab es sogar für Fahrräder, ein solches war ebenfalls zu sehen.
Originell war auch der ebenfalls ausgesellte Wendax, eine Art Hybridfahrzeug, das vorne einem Auto, hinten einem Motorrad glich.
Händler-Stände mit Premium-Angeboten
Trotz des regionalen Charakters der Messe hatten einige grosse Oldtimer-Händler ihre Teilnahme zugesagt. So zeigte Thiesen eine Auswahl aus ihrem reichhaltigen Angebot, darunter einen Lamborghini Miura, aber auch einen Dino 246 GT und einen Lancia Delta Integrale.
Springbok stellte als Attraktion drei weisse Mittelmotorsportwagen auf den Stand, zwei von Ferrari, einen von Lotus.
Bei Kautschuk Klassik gab es elegante Mercedes-Benz, aber auch andere Fabrikate zu bewundern.
Axel Schuette, der sich wohl relativ spät für eine Teilnahme entschieden hatte, zeigte vier ältere Klassiker, darunter ein Packard und ein Darracq
Andere Händler präsentierten verschiedene Rolls-Royce-, Porsche- und immer wieder Mercedes-Benz-Modelle.
Zusätzlich gab es einen Privat-Markt, in dem viele Amerikaner auf Käufer warten, in der es aber auch einen Opel Kadett A Caravan, einen Autobianchi A112 Abarth oder einen Alfa Romeo Montreal zu kaufen gab.
Insgesamt wurden so wohl rund 200 bis 300 Fahrzeuge angeboten, eine Auswahl, die jedes Interesse abdeckt, konnte man da natürlich nicht erwarten. Die angeschriebenen Preise drückten zumeist viel Selbstvertrauen der Verkäufer aus.
Club-Präsentationen mit Höhepunkten
Besondere Autos gab es aber nicht nur bei den Händlern sondern vor allem auch bei den Clubs. Gleich vier De Lorean DMC-12 fanden sich auf einem Stand, auf dem die Freunde dieser Marke auch ein Film-Auto aus “Zurück in die Zukunft” eindrücklich präsentierten.
Die ganze Audi-Ur-Quattro-Geschichte zeigte der Bayrische Ur-Quattro-Club mit sechs (!) Fahrzeugen.
Bei den Spitfire-Club Deutschland hatte gleich vier Renn-Spitfires auf dem Stand.
Verschiedene Regionalclubs zeigten Strassen- und Rennklassiker, so etwa den Audi Quattro Pikes Peak, den Walter Röhrl 1987 in Rekordzeit auf den Berg in den USA trieb, oder den Opel Ascona B, mit dem Jochi Kleint Rallye-Europameister wurde.
Die beiden Herren waren übrigens auch vor Ort und verteilten eifrig Autogramme und redeten über die guten alten Zeiten.
Seminare mit Mehrwert
Als zusätzliche Attraktion hatten sich die Hamburger Messemacher eine Seminarbühne ausgedacht, auf der Leute aus der Oldtimer-Szene über spannende Themen sprachen.
So konnte man etwa Helmut Horn zuhören, wie er über Identitäts-Fälschung mit alten Automobilen referierte oder vom bekannten “Oldtimer-Fahrlehrer” Martin Henze Kniffs und Tricks im Umgang mit dem historischen Automobil erfahren. Dazwischen gab es Musik, was sich durchaus positiv auf die Atmosphäre in den doch recht dunklen Hallen auswirkte.
Wer etwas über Oldtimer lernen wollte, konnte sich auch an die zahlreichen Dienstleister erkundigen. Der Assekuranzkontor OCC stellte beispielsweise eine neuartige Reparaturkostenversicherung für alte Autos vor, Restaurierer präsentierten Halbfertigprodukte, die einen Einblick in ihre Arbeitsweise zuliessen.
Keine Hersteller
Die grossen deutschen Autohersteller blieben der regionalen Messe in Hamburg fern. Dies ist eigentlich schade, denn Wolfsburg beispielsweise wäre ja keine 200 Auto-Kilometer von der Binnenhafen-Stadt entfernt.
Immerhin stellte die Autostadt einen Käfer zur Verfügung, welcher dann beim Porsche-Club zwischen einem Porsche Diesel-Traktor und einem 356 zu stehen kam.
Für die Männer
Als ob mit den vielen Autos, Ersatzteilangeboten und Dienstleisterpräsentationen nicht schon genug Männer-Thema serviert worden wären, gab es auch noch die “Man’s World”, in der sich “Mann” seinen Bart stutzen, sich mit Massschuhen eindecken oder ein Motorrad kaufen konnte.
Die Besucher als Aussteller
Sehr gut gelegen war der Oldtimer-Parkplatz für die Besucher. Er befand sich nämlich gleich zwischen den beiden Haupthallen der Messe. Bei meist schönem Wetter und Temperaturen bis 22 Grad gehörte das Schlendern durch die geparkten Autos zu den angenehmen Beschäftigungen auf der Hamburger Messe.
Und manche Rarität gab es sogar nur draussen zu sehen, etwa vier Datsun Z verschiedener Baureihen, einen Ford Capri Turbo-May oder auch einen Citroën 2 CV Pickup.
Das besondere Projekt
Es nennt sich “Cuno Bistram-Projekt” und es ist einem Mann uns seinen kleinen “Rennwagen” gewidmet. An der Messe in Hamburg standen sie alle wieder da, die kleinen Renner, die Cuno Birstram in den Vierzigerjahren gebaut hatte und die von 1948 bis 1972 das grosse Erlebnis für die Besucher im Tierpark Hagenbeck waren.
Dazu kam der einzige etwas grössere Rennwagen, der einst eine Strassenzulassung besass und mit bis zu 60 km/h durch die britische Zone zockelte.
Um Technik und Handwerk wieder an die Schulen zu bringen und minderprivilegierten Jugendlichen eine handwerkliche Ausbildung zu bieten, die in Zukunft gefragt sein wird, wurde mit “yourmove” ein Projekt um diese Cuno Bistram Autos aus der Taufe gehoben. Und an der Hamburger Messe wurde die Arbeit und das Projekt den Besuchern vorgestellt.