Sollte man wirklich eine italienische Diva namens Alfa Romeo Giulia Spider 1600 Veloce für eine 1800 km lange Winterrallye nennen und dann noch den Doppelweltmeister Walter Röhrl im Audi Quattro als Gegner haben? Der Versuch wurde gewagt und das Ergebnis waren jede Menge Spass und sogar noch Pokale.
Zum 25. Mal durchgeführt
Die vom deutschen Automobilclub AvD veranstaltetet Histo-Monte führt seit 25 Jahren eis- und schneeverliebte Enthusiasten auf den Spuren der Rallye Monte-Carlo von Deutschland über die Schweiz und Frankreich nach Monaco und war aktuell für Fahrzeuge der Baujahre 1950 bis 1995 ausgeschrieben.
Die Austragung 2017 gehörte als Veranstaltung nicht zu den schneereichesten Rallyes der letzten Jahre, aber mit Sicherheit zu den schönsten, was fahrerische Herausforderungen gepaart mit landschaftlicher Einmaligkeit in Deutschland, Schweiz und Südfrankreich angeht.
82 Teilnehmer starteten in der Klassikerstadt in Frankfurt am 7. Februar 2017 und 4 Tage und 1730 Kilometern später standen 77 Fahrzeuge und ihre überglücklichen Besatzungen in Wertung am Quai Albert 1er im Hafen von Monte-Carlo.
Minutiös vorbereitet
Winterrallyes erfordern bekanntlich ganz andere Vorbereitungen, auch gerade für eine Giulia Spider, wobei das Thema Originalität zu 100% erfüllt werden musste, unser selbst auferlegter Maßstab, war doch ein altes Schwarz-/Weiß-Bild einer Giulietta Spider an der Rallye Monte-Carlo 1961 der Auslöser für dieses Abenteuer.
Ein 40 Jahre ungenutztes Hardtop musste restauriert werden, und, noch wichtiger, mühsam in mehreren Tagen gemeinsam mit der Justierung an Front- und Seitenscheiben angepasst werden. Sagt doch schon das Original-Prospekt: „Geschlossen, mit einem Hardtop-Aufsatz, ist die Giulia Spider ein gediegenes Coupé für alle Klimazonen und für alle Jahreszeiten.“ Na also!
Weitere Winter Themen: Sind die Luft-Schläuche zu den Düsen an der Frontscheibe noch in einem guten Zustand (nein, sie waren zerbröselt!)? Wird das einstufige Gebläse durchhalten (ja, mit einigen Unterbrechungen)? Gibt es für 155/80 R15 Winterreifen und Schneeketten? Bei nur zwei Zusatzscheinwerfern, wählen wir Nebel oder Fernlicht-Streuscheiben? Welche Ersatzteile müssen dabei sein? Welche Art von Inspektion muss vorab durchgeführt werden? Schliesslich musste ein Kühlmitteln bis -30 Grad eingefüllt und die Trommelbremsen hinten zum gleichmässig ziehen gebracht werden, was bis zur Erneuerung sämtlicher Bremsschläuche führte. Eine intensive Vorbereitung ist mit Sicherheit für Winter-Rallyes unabdingbar, wenn man einigermassen problemlos durch- und ankommen will!
Auf Schnee und Eis
Schnee erwartet uns schon am ersten Abend in der Dunkelheit rund um die höchsten Berge des Schwarzwaldes. Und uns wird spätestens in den ersten eisigen und schneebedeckten Kurven klar: 155er Winterreifen, ein leichtes Heck und eine von 112 PS angetriebene Hinterachse ohne Sperre sorgen für viel Spaß, aber nicht gerade optimalen Vortrieb.
Auch die bei einer Gleichmäßigkeitsrallye geforderte Genauigkeit des Halda Twinmasters geht im Schnee schnell verloren, kommt doch die Tachowelle direkt aus dem Getriebe. Durchdrehende Antriebsräder sind Gift für die Distanzmessung. Also ist zumindest auf den insgesamt 24 Gleichmäßigkeitsprüfungen mit über 315 Kilometern Gesamtlänge und bei den knapp 50 geheimen Lichtschranken Disziplin am Gaspedal und Lenkrad gefordert.
Auch der zweite Tag hat seine Wintertücken, dieses Mal sind es eher die Eisplatten. Nach der Rheinbrücke in Rheinfelden mit großem Zuschauer- Andrang geht es hinter Delemont auf die Bergrennstrecke Saint-Ursanne, die bei sonnigem Wetter in schattigen Passagen einige eisige Überraschungen verbirgt. Den Fluss Le Doubs überqueren wir unzählige Male wie auch die Grenzstationen zwischen Schweiz und Frankreich, bis wir nach weiteren 500 Kilometern Aix-Les Bains zur Übernachtung erreichen.
Der Röhrl kann’s noch immer
Und dann passiert es am frühen Morgen des 3. Tages kurz vor der Spitze des Mont Revard. Von hinten kommt - wie aus dem Nichts - ein Audi Quattro in den frühen Werksfarben, schießt präzise und gradlinig durch den Schnee an uns vorbei, leicht angestellt geht es in die nächste Kurve und weg ist er. Genau in diesem Moment geht die Sonne über dem Col blendend auf. Ein Traum aus einer anderen Galaxie, eine Demonstration der Einmaligkeit, ein Schauer geht über unseren Rücken: Walter Röhrl ist auch schon unterwegs.
Und er ist immer für uns da. Bei jedem Frühstück, Mittag oder Abendessen beantwortet er Frage, erzählt Geschichten und scheint eine riesige Gaudi selbst zu haben, Prüfungen jetzt ohne Stress zu fahren, wo er einst um Zehntelsekunden fightete. Am ersten Tag fährt er präzise die Gleichmäßigkeit, ist dritter gesamt und hat es damit bewiesen, er kann auch gleichmäßig.
Am Ende des zweiten Tages sagt er ehrlich. „Ich hab jetzt die Zwangsjacke des gleichmäßigen Fahrens abgelegt, ich kann nicht anders!“ Und wir alle können das bei seinem Können mehr als verstehen.
Verzicht auf Schneeketten
Der Cold du Lautaret bringt uns an diesem Tag auf verschneiten Fahrbahnen bis über 2000 Meter hoch. Das Anlegen von Schneeketten, von fast allen französischen Touristen hier vorgeführt, halten wir für übertrieben und kommen auch ohne gut voran.
Die nächste Prüfung ist auf der Eisrennstrecke Circuit Serre Chevalier, die sich leider etwas angetaut und deshalb mit manch tiefem Loch zeigt.
Nach 550 weiteren Kilometern erreichen wir in Cannes das Mittelmeer. Der vierte Tag bringt uns noch einmal in klassisches Rallye Monte-Carlo Terrain, über Grasse und die landschaftlich einmalige Clue St. Auban geht es in Wertung zum Turini hoch und anschließend nach Monaco ins Ziel.
Die Julia hält mit
Nun aber der Spaßfaktor: Um es vorweg zu nehmen, er ist einmalig! Man fühlt sich dabei neben den jungen, Quattros, Delta Integrale oder Subarus überhaupt nicht im Nachteil. Auf den bis zu 25 km langen Gleichmässigkeitsprüfungen sieht man sich wegen dem identischen Schnitt eh kaum und zwischendrin bis auf die Mittagspausen auch nur selten.
Es gibt nur zwei Klassen in der Wertung: Die Sanduhrklasse, die nur mit mechanischen Instrumenten und Uhren sowie einer Schnitttabelle arbeitet, und den Rest, die mit google.maps und allen elektronischen Rallyecomputer dieser Welt ausgerüstet sind.
Unsere Giulia ist Baujahr 1965, wir haben es ihr gleich getan, waren also so historisch wie möglich, serienmäßig und analog unterwegs. Selbst die elektronische Zahnbürste blieb zu Hause!
Siegreich in der Sanduhrklasse
Und das Ergebnis? Gesamtsieger wurde das Vater-/Sohn-Team Horst und Jörg Friedrichs auf einem Opel Ascona A.
Wir kamen auf den 1. Platz in der Sanduhrklasse, respektive Platz 15 der Gesamtrangliste.Überglücklich und zufrieden fuhren wir die 1000 Kilometer von Monaco in einem Tag zurück nach Hause.
Der nächste Tag war dann komplett für die Pflege der Giulia reserviert, zwei Stunden allein wurde der Unterboden nach allen Regeln der Kunst von Salz und Dreck befreit, das hatte die alte Diva, die uns so ohne irgendein Problem getragen hat, mehr als verdient. Auch das gehört unbedingt zu einer Winterrallye.
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