Der C.P.A.E. (Club Piacentino Automotoveicoli d´Epoca) veranstaltete vom 29. Juni bis 1. Juli 2018 die 23. Ausgabe der Demonstrationsläufe von Castell`Arquato nach Vernasca für klassische Rennfahrzeuge und sportliche Klassiker.
La Corsa auf der Landstraße – erst flach gehalten, dann hoch hinaus
Was hatten sich die rennbegeisterten Piacentiner da nur ausgedacht, als sie 1953 ein regionales Bergrennen ins Leben riefen? Vielleicht war ihnen die rund vier Kilometer lange Bergstrecke von Lugagnano nach Vernasca zu kurz für ein Rennen und sie setzen noch zusätzliche fünf Kilometer Flachstrecke ab Castell’Arquato durchs Ardatal davor.
Nun, sie hatten die Idee, ein Bergrennen mit langem Anlauf zu kreieren und realisierten den Geschwindigkeitswettbewerb „Castell’Arquato – Lugagnano – Vernsaca“ vom Ortsausgang Castell`Arquato bis zur Ziellinie bei der Kirche von Vernasca.
Der Erfolg der nächsten Jahre belohnte die Macher durch immer mehr Zuspruch von Fahrern und Publikum. Rennfahrergrößen wie Arturo Merzario und Ludovico Scarviotti waren am Start und 1967 säumten an die zwanzigtausend Zuschauer die Strecke. Beim letzten der insgesamt 17 Rennen knallte im Jahr 1972 der zweitplatzierte Fahrer fünf Meter vor der Ziellinie gegen die Stufen der Kirchentreppe, bevor er durchs Ziel flog. Könnte dieser Vorfall das Ende eingeläutet haben? Wer weiß, ob nicht höhere Mächte den Frevel bestraften und dem Rennen den Garaus machten.
Wiedergeburt als Concorso dinamico ohne Zeitnahme
Über 20 Jahre lang durften die Straßen nur schnöden Alltagsverkehr über sich ergehen lassen, doch sie träumten von dem früheren jährlichen Auftrieb der Rennwagen. Im Jahr 1996 erweckten die Piacentiner ihre ehemalige Rennstrecke aus dem Dämmerschlaf und begründeten die Neuauflage als Vernasca Silver Flag.
Um dem Zeitgeist zu genügen verwandelten sie das Rennen in einen Wettbewerb um die Schönsten und Originalsten, ohne jedoch beim Concorso die Dynamik zu vergessen. Eine weitere Veränderung betraf die Schonung der Kirchentreppe. Um die Stufen aus dem Schussfeld zu nehmen, wurde das Ziel vor den Ortseingang von Vernasca verlegt.
Grosser Zuspruch
Jahr für Jahr pilgern seitdem Bergenthusiasten aus Italien, der Schweiz, Deutschland und Frankreich mit ihren “belle Macchine" ins Ardatal. Sie bringen ein weit gefächertes Spektrum der sportlich-historischen Automobilwelt mit, das immer wieder Freude und Begeisterung auslöst.
Die Vielfalt betrifft nicht nur die Marken, von denen der italienische Anteil von Abarth bis Zagato überwiegt, sondern auch die Bestimmung, die sich in der Gruppeneinteilung manifestiert. Da treffen bei den “vetture turismo e gran turismo” edle Coupés und Sportwagen, darunter zahlreiche aus Kleinserien, und einige wenige Viertürer, auf reinrassige Renntourenwagen und Rallyebiester. Die Fraktion der offenen zweisitzigen Rennwagen sammelt sich bei den “vetture sport e sport prototipo". In der Gruppe “vetture monoposto" bleiben die Formelrenner unter sich und die Gruppe “vetture anteguerra” zelebriert die Vorkriegs-Grand-Prix-Vergangenheit.
Vitesse en bleue
Vernasca Silver Flag wird nie langweilig, denn mit jährlich wechselndem Motto erfahren die Starterfelder stets neue Impulse: In diesem Jahr wurde mit “vitesse en bleu” ein Schwerpunkt auf französischer Renn- und Sportwagen gesetzt.
Neben Le Mans kommt einem dabei die Rallye-Weltmeisterschaft in den Sinn, als in den Siebzigerjahren die leichten und flachen Flundern des genialen Jean Rédelé reihenweise Siege einheimsten. Der Ruf fand auch Gehör bei den Alpinisten, die immerhin sechs Alpine A110 heranschafften und damit neben den acht Bugatti und weiteren über zwanzig Franzosen den Concours dynamique bereicherten. Wenn denn auch ein Renault Typ C von 1900 aus Frankreich kam, durfte doch die neueste Création, die nuovo Alpine, sozusagen als “macchina futura d`epoca” ausnahmsweise dabei sein.
Die Bergetappe blieb dem uralten Renault erspart, vielleicht auch deshalb, weil die Zuladung von zwei Flaschen Chablis der Besatzung die größere Freude bescherte. Das auch schwachbrüstige Alltagsarbeitstiere dynamisiert werden können, bewiesen zwei Renault R4 im Rallye-Trimm. Zurück zum Motto: Da zeigten doch die beiden Delahaye 135 mit den Sixpack unter der Haube wirklich feinste französische Automobiltechnik.
Auf Tuchfühlung mit den Boliden im Fahrerlager
Am Freitag gegen Mittag glich das Fahrerlager in der Unterstadt und der große Parkplatz mit den nummerierten Stellplätzen von Castell’Arquato noch einem Patchwork. Da bot das Ristorante an der Ecke zur Einfahrt den idealen Platz bei einem Glas “vino rosso", um die Fahrzeuge einlaufen zu sehen. Gänsehautfeeling kam auf, als Bugattis und Alpines mit noch entspannten Lautäußerungen auf den Platz rollten.
Am nächsten Tag durften sie hören lassen, was sie wirklich drauf haben. Bald hatten die Einweiser Hochkonjunktur: Ob auf Achse, in Anhängern oder Renntransportern, alle wollten zu ihren Plätzen. Es war wie an Weihnachten, wenn endlich ausgepackt werden durfte. Da ein Abarth aus Holland, dort ein Lancia aus Italien, drüben ein Lotus aus Deutschland, links ein Delahaye aus Frankreich, rechts ein Alfa Romeo aus der Schweiz, und weiter hinten wurden gleich vier Rennwagen vom englischen Renntruck in die Freiheit geschafft. Nach und nach füllte sich das Feld und erfüllte die Luft mit den Stimmen der Wildtiere, die auf ihren Rennauftritt lauerten, allerdings erst nach einer vom Sicherheitsdienst überwachten Nachtruhe.
Zur Registrierung fanden sich die Teilnehmer im kleinen Park ein, dessen Bäume die Sonne einbremsten, wohltuend bei 34 Grad italienischer Sommerhitze.
Gegen die Sonne helfen auch Hüte, möglichst breitkrempig. Da darf es auch ein Cowboyhut sein, das Erkennungszeichen eines Italian Hero im Autorennsport. Der ersetzt bei Arturo Merzario, dem Europa-Bergmeister 1969 auf Abarth 2000 und Targa-Florio-Sieger 1972 gemeinsam mit Sandro Munari auf Ferrari 312 PB, den krempenlosen Jethelm. Vernasca Silver Flag ohne Arturo wäre wie Italien ohne Pizza.
Gemäß dem Motto “vitesse en bleue”, durfte auch ein französischer Star nicht fehlen. Bernard Darniche, Monte-Carlo-Sieger von 1979, entführte in die Stratosphäre.
Fünfter Gang am Anschlag im Ardatal, Knick in Lugagnano, und Kurverei bis Vernasca
“Mangiare” in Italia beginnt nie vor 19 Uhr und zieht sich von Antipasti bis Dolci in die Länge. Kein Wunder, wenn der erste Lauf am Samstag erst um 11 Uhr startete. Bis dahin waren Vino und Grappa egalisiert und der Schlaf von der südlichen Morgensonne sanft aufgelöst.
Frisch wie Asti Spumante warteten die über 200 Fahrer ungeduldig an der Startlinie, um nach dem Schwenken der Startflagge im Halbminutentakt mit Vollgas los zu sprinten. Der Streckenabschnitt zwischen Castell`Arquato und Lugagnano verläuft bis auf wenige lang gezogene weite Kurven “tutto diretto".
Den Übermut bremsten künstliche Schikanen, so auch im Ort Lugagnano, kurz vor dem Linksknick nach Vernasca. Es war schon faszinierend zu sehen, wie die Rennwagen in der Ortsdurchfahrt durchs Spalier der Zuschauer drifteten. Dann war Schluss mit flach. Der Berg rief und die “Volante" rotierten. Über 30 Kurven hielten die Bergstürmer im Aktivmodus “furioso”. Den Schlusspunkt setzte die Piazza in Vernasca, allerdings ab Ortseingang nur “piano”, wegen der Kirchentreppe.
Diesen Spaß durften sich die Piloten in den nächsten beiden Läufen am Samstag nachmittags und am Sonntag vormittags nochmals geben.
Das komplette Tal wurde durch die Motorenmusik erfüllt, konzertiert aus den Auspuffrohren der Renn- und Sportwagen. Giacomo Puccini, wäre er noch im Diesseits und inspiriert von den Klängen im Ardatal, hätte sicherlich sofort eine “Opera dei Motori" komponiert. Und sein Librettist, der Castell’Arquater Luigi Illica, wäre sicher erfreut darüber gewesen, den Text beizusteuern.
Start- und Siegerlisten sind auf der Internetseite des Veranstalters zu finden, wo man sich dann nächstes Jahr auch anmelden kann.