Der Name Hans A. Muth ist Automobil-Enthusiasten vermutlich weniger geläufig als Motorrad-Fans. Schliesslich gehören zu seinen grössten Schöpfungen die BMW-Motorrad-Modelle R 90 S und R 100 RS, aber auch die Suzuki Katana-Zweiräder. Doch auch im Automobilbereich hat Muth Spuren hinterlassen, etwa mit seinen Entwürfen für Modellalternativen in der Motor Revue in den Fünfzigerjahren oder mit seinem Bildmappen zu berühmten Grand-Prix-Rennwagen, die aber vor allem seine zeichnerischen Fähigkeiten zeigten. in den Sechziger- und anfangs der Siebzigerjahre war der bekennende Motorradfan aber auch in der Automobilindustrie beschäftigt, zunächst bei Ford, später bei BMW.
So stammen diverse Innenraumgestaltungen von BMW-Modellen aus seiner “Feder”, darunter das Cockpit der BMW Turbo Studie und des 2002 Turbos.
Doch Motorräder und der damit zusammenhängende Gestaltungsfreiraum zogen ihn immer wieder zum Zweirad, Beschäftigungen mit Automobilen, wie etwa Sondermodellen zum Suzuki Jipsy oder ein Electro-Urban Roadster blieben später die Ausnahme.
Nun hat Muth, geboren 1935 in Rathenow, westlich von Berlin, ein Buch über seine Beziehung zum Design und sein Leben geschrieben.
Autobiografie
Das Buch ist in vier Teile gegliedert und beginnt mit grundlegenden Designüberlegungen. Es folgen die Jahre bei Ford und BMW, mit Fokus auf die BMW-Motorrad-Jahre. Dann schliesst sich ein Rückblick auf die Arbeiten mit Japan an. Den Abschluss machen rund 40 Seiten mit biografischen Elementen, aber auch mit Ausblicken auf die (Design-) Zukunft.
Alleine schon die Lebensgeschichte liest sich mehr als nur spannend, denn geradlinig verlief diese keineswegs. Zwar war die Liebe zum Zwei- bis Vierrad schon früh sichtbar, aber es kamen dann väterliche Vorstellungen, ein Weltkrieg und andere Problemstellungen dazwischen. Trotzdem folgte Muth eigentlich stets seinen Lebenszielen und liess sich auch durch Rückschläge nicht ermutigen.
In vielen Details erzählt Muth über seinen Werdegang, Schicksalsschläge und Erfolge, ohne dabei wehmütig oder arrogant zu wirken.
Anlässlich der Vorstellung seines Buchs ergab sich die Möglichkeit eines kurzen Interviews. Befragt, ob er Autos nach seinem Umstieg ins Motorraddesign nie vermisst habe, antwortete Hans A Muth:
“Das Design für die BMW Auto-Modelle wurde damals von Paul Bracq, Manfred Renner und von Herrn Hofmeister maßgeblich bedient. Für mich war die Art und Weise, wie da vorgegangen wurde langweilig und nicht progressiv. Hier bot sich – eigeninitiativ bewirkt – das Motorrad zum einen als meine Passion, zum anderen als Neubeginn, da bisher das Motorrad in seinem Erscheinungsbild von der BMW Motorrad-Entwicklern bestimmt wurde.
Die Unterschiede ergeben sich durch die Maße und Gesamtauslegung, dem engen optisch wahrnehmbaren Zusammenspiel zwischen sichtbarer Technik in ihren spezifischen Materialien und Oberflächen, Farben und Formen in ihrer funktionalen Ästhetik. Hier konnte ich Trends setzen. Ebenso interessant ist der Unterschied, dass man sich in ein Auto setzt, geschützt in den Räumlichkeiten und stabil auf vier Rädern, während man beim Motorrad, auf das man sich setzt, physisch zum integrierten Bestandteil wird, sozusagen zu einem ‘Centaur'. Das Motorrad ist und war einfach die größere Herausforderung als das moderne Auto, gerade wenn man sich die heutige Gleichmacherei und die die Flucht in SUVs und elektronische Gadgets anschaut.”
Hier spricht ein Mensch mit Benzin im Blut mit mit klaren Ansichten. Für diese war Muth auch schon im Laufe seiner Karriere bekannt und manchmal halfen ihm die klaren Vorstellungen, manchmal schadeten sie ihm auch. Aber er blieb sich stets treu.
Design-Betrachtung
Einen erheblichen Teil der über 180 Buchseiten nutzt Hans A. Muth dazu, seine eigene Design-Philosophie zu dokumentieren. Für Muth ist Design kein Selbstzweck. Design ist auch mehr als Styling. Design muss Funktion und Form so zusammenbringen, dass das Ergebnis optisch überzeugt und gleichzeitig im Sinne des Objekts effizient nutzbar ist. Dies belegt er mit unzähligen Beispielen, die teilweise aus eigener Hand stammen, teilweise aber auch von anderen gestaltet wurden. Primär nutzt Muth hier Motorrad-Beispiele.
Design-Entwicklung
Im Buch erfährt man auch einiges darüber, wie Design entsteht. Muth nennt unter anderem die “4 Cs”, also “creative”, “conceptional”, constructive” und “consequent”, erwähnt dass man “4 Cs” auch phonetisch fast wie “foresee” (also Vorausschauen) aussprechen könne und dass sich bereits beim Nichterfüllen eines der vier Begriffe, Konzepte (und deren spätere Ausarbeitung) als nicht stimmig erweisen würden.
Dass neben gutem Handwerk auch einiges an Intuition dazukommen muss, um ein guter Designer zu sein, das zeigt sich in den Erzählungen im Buch allerdings auch. Beispiele hierfür sind das in weniger als zwei Stunden entstandene Interieur der BMW-Turbo-Studie oder die ersten Schritte zum Motorrad BMW 80 G/S, einem Range Rover auf zwei Rädern, das bekanntlich ein enormer kommerzieller Erfolg wurde. Und dass Hans A. Muth ein gutes Gefühl dafür hatte, was ankommen könnte, das zeigt er in seinem Buch auch deutlich auf.
Auto-Geschichten
Obwohl Muth mehr im Motorrad-Design als im Auto-Design tätig war, hinterliess er doch auch beim Automobil seine Handschrift. Bei Ford war er Design-Executive for Advanced Exterior and Pre-Programm-Interior. Er gestaltete unter anderem Advanced-Vorstudien für den Capri, ein sportliches Coupé, sowie Consul und Granada, aber auch den Berliner, ein frühes Elektroauto für den Stadteinsatz.
Interessant ist aber auch sein eigener automobiler Werdegang, von dem er im Interview berichtet:
“Ich habe an jedes meiner Auto spezifische Erinnerungen, und der Fuhrpark war retrospektiv betrachtet riesig. Es begann mit dem MG TF, einem Alfa-Romeo 1900 mit Pinin-Farina-Karosserie, dem Fiat-Abarth 750, einem Lancia Aurelia GT 2500 als Rechtslenker, einem weiteren Abarth 2000 und vielen mehr, darunter ein Jaguar XK 150, mehrere Ferraris, zwei Morgan, zwei Donkervoort, eine AC Cobra, ein Mazda Eunos, mehrere Audi quattro und TT, sowie Volkswagen- und Porsche-Modelle.
Ganz zu Beginn war da aber ein Bugatti Typ 44, den ich mir zusammen mit einem Freund für DM 3000 kaufte. Leider wurde das Ganze dann von meinem Vater unterbunden. Ähnliches geschah im Kontext mit einem Ferrari 166 MM, den ich als Le-Mans-Coupé bei einem Autohändler in Baselland entdeckte. Beim Ferrari intervenierte meine Frau. Auto oder Frau? Ich entschied mich für meine Frau, mit der ich inzwischen seit 60 Jahren verheiratet bin.”
Einige der Wagen sind im Buch zu sehen und sie verdeutlichen, dass Muth von Anfang an ein Auge für’s Besondere und sicherlich einen nicht durchschnittlichen Geschmack hatte.
Zu den Autos gesellten sich unzählige Motorräder unterschiedlichster Hersteller und mit Zwei- und Viertaktmotoren. Rückblickend meint Muth im Buch (anlässlich des Kaufs des Fiat-Abarth 750 Zagato:
“Wie oft auch später, waren es die kleinen Dinge, die optisch, haptisch und akustisch für mich intuitiv repräsentativ für das Gesamte galten und mich zu einer spontanen Kaufentscheidung führten. In diesem Fall waren es diese besondere Bewegung des (Drehzahlmesser-) Zeigers und der typische Motoren-Sound, der dieses kleine Coupé in seinem Charakter repräsentierte.”
Diese Begeisterung für besondere Verkehrsmittel, die auch Fahrräder, Strassenbahnen und Lokomotiven einschliessen, wird jedenfalls im ganzen Buch spürbar und sie macht das Lesen zum Vergnügen.
Da sind EUR 39.50 sicherlich nicht übertrieben, zumal die Auflagengrösse übersichtlich sein dürfte.
Bibliografische Angaben
- Titel: Design macht Mut(h): Ideen – Denkweisen – Projektionen
- Autor: H.A. Muth
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Dustri-Verlag Dr. Karl Feistle GmbH & Co. KG
- Auflage: 1. Auflage Oktober 2019
- Format: Gebunden, 29,7 cm x 22,5 cm
- Umfang: 182 Seiten, zahlreiche Abbildungen
- ISBN: ISBN 978-3-87185-555-9
- Preis: EUR 39.50
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