Dank seiner simplen Bauweise taugte der Käfer immer schon zum dankbarem Objekt für Umbauten aller Art. Rahmenbauweise, unendliche Mengen zur Verfügung stehender Unfallwagen und dazu die weltweit einzigartige Ersatzteilversorgung versprachen mit dem sprichwörtlich Volkswagen-Service beste Voraussetzungen einer eigenen Karosse auf Käfer- oder Busplattform ein langfristiges Leben einzuhauchen. Da nutzte es Volkswagen auch wenig, sich zu weigern, anderen Herstellern Bodengruppen ohne Karosserie zu liefern.
Das VW-Konzept als Grundlage
Über die Jahre entstanden so unzählige Coupés und Cabrios mit Sonderkarosserien, die auf der ganzen Welt ihre Anhänger fanden. In den meisten Fällen reichte es „nur“ das Äußere zu verändern und durch handgearbeitete Metall- oder Kunstoffformen zu ersetzen. Manche engagierteren Projekte bekamen allerdings auch eine veränderte Technik und mehr oder weniger dezent leistungsgesteigerte Motoren verpasst – gern aus den verwandten Porsche-Modellen.
Über 2000 Umbauten
Da dieser Trend bis heute anhält, ist in den vergangenen Jahrzehnten eine schier unendliche Fülle von Modellen zusammengekommen, die Thomas Braun nun erstmals katalogisiert und chronologisch aufbereitet hat.
Mit informativen Texten zur Technik und Geschichte der mehr als 2000 Sonderumbauten und mit zahlreichen, z.T. unveröffentlichten Fotos lässt sich die ganze Vielfalt einer Szene erleben, die unverändert aktiv ist.
Fleissarbeit
Dank der zahlreichen Fotos lässt sich die ganze Vielfalt einer Szene erleben, die unverändert aktiv ist. Im Ergebnis erhält der Leser eine schier unerschöpfliche Übersicht über viele VW-Sonderkarosserien von mehr als 470 Herstellern.
Dieses Ergebnis ist einer jahrelangen Detektivarbeit des Autors, Thomas Braun, zu verdanken. Er ist von Hause aus Ur- und Frühgeschichtler, hat aber auch das Standardwerk zur brasilianischen Sportwagenmarke „Puma“ geschrieben. In seiner Freizeit fährt er Oldtimer von VW und dokumentiert weiterhin die Geschichte der Sonderkarosserien auf Käfer-Basis.
Ein erster Blick
Zugegeben, das Buch und sein Titel hatten mich neugierig gemacht. Der Käfer und die Busse von VW sind aus meinem Leben nicht wegzudenken. Was habe ich geschweisst, verbessert, gefahren und geflucht und eben auch zahlreiche Umbauten bewundert. Unvergessen mein 412 E Variant in Moosgrün mit Typ 4 Motor und 120 PS. Ich war gespannt auf das Buch und wurde inhaltlich auch nicht enttäuscht.
Wie geahnt, flutete der 450 Seitenwälzer nach Jahrzehnten in Kapitel unterteilt viele unbekannte Varianten an Sonderauf- und umbauten in mein Hirn. Gespannt las ich über die Anfänge bei Denzel in Wien oder den Brand bei Hebmüller in Wuppertal. Spannend der Verga von 1956 aus der Schweiz oder der V2 Sagitta. Die Hebmüller- und Denzel-Historie sind mir wohlbekannt, der Verga war mir gänzlich neu und der V2 war mir schon mehrmals begegnet. Aber für die Buchbesprechung wollte ich ja die Substanz einer solchen Enzyklopädie ein wenig überprüfen. Und dazu musste ich mich an das heranwagen, wo ich mich auskenne.
Pro & Contra
Natürlich liefert so ein Buch ein Menge an Informationen: 2000 Sonderkarosserien von fast 500 Herstellern, da kommt auf 450 Seiten schon einiges zusammen. Und dies noch fokussiert auf den VW-Käfer und den Bus sowie einige Beispielen auf Porsche-Basis. Fans der luftgekühlten VWs im Allgemeinen und der Sonderumbauten im Besonderen nimmt dieses Buch viel Arbeit ab. Das Inhaltsverzeichnis listet die Hersteller alphabetisch pro Kapitel auf, so dass man schnell und einfach durch die Fülle an Material navigieren kann. Aber Menge ist das Eine, Inhalt das Andere. Schon die Aufbereitung durch das Layout wirkt einfach, ja fast wie aus den Achtzigerjahren – nur farbig – gefallen.
Die vierspaltige Seiteneinteilung macht es schwierig, die Übersicht bei derartig vielen Informationen zu behalten. Rote Trennlinien bemühen sich den Lesefluss zu kanalisieren. Angesichts der inhaltlichen Komplexität des Buches und der damit verbundenen Aufgabe, diese aufzubereiten, ist dies bestenfalls ein Kompromiss.
Schwieriger wird es dann, wenn man auf die ersten Fehler trifft: Dass Denzel nicht 350 Exemplare gebaut hat, kann man Martin Pfundners Denzel-Standardwerk entnehmen. Der in den Fünfzigerjahren in der Schweiz nach einem Unfall leicht neu karossierte Porsche 356/1 wird als „Porsche 356 Nachbau“ abgehandelt. Und die Mitte der Fünfzigerjahre für Volkswagen bei Porsche als Typ 700 entstandene Studie eines Minivans kann weder Porsche noch dem Ausführungsstatus zugeordnet werden. Zugegeben, drei Beispiele aus 2000. Allerdings sind Denzel, Porsche 356/1 und die Typengeschichte von VW und Porsche in den Fünfzigerjahren keine geheime Kommandosache, sondern lassen sich selbst im Internet einfach und eindeutig recherchieren. Mir persönlich lässt es kleine Zweifel an der Recherchesicherheit des restlichen Buches aufkommen.
Fazit
Der Autor Dr. Thomas Braun hat sich an ein gewaltiges und umfassendes Gebiet gewagt und fleissig gesichtet und gesammelt. Seine zahlreichen Quellenverweise im Buch lassen den Schluss zu, dass er sich dabei oft auf das Internet verlassen musste. Fluch und Segen zugleich. Einerseits kommt man schnell und einfach an Fakten und Ergebnisse. Andererseits lässt sich die Qualität im Internet häufig nicht der Qualität von ausgewiesenen Fachpublikationen vergleichen.
Das Buch präsentiert in seinem Umfang eine Unmenge an teilweise bisher ungesehenen und unveröffentlichten Bildern, reisst viele Sonderkarosserien an oder beschreibt sie sogar mehrseitig, wie beispielsweise die Karosserien auf Rometsch-Basis. Das variiert nach Bedeutung und Quellenlage. Andererseits kann man dem Text aber nicht bis zum letzten Punkt alles abnehmen. Zu hastig scheinen manche Schlussfolgerungen recherchiert worden zu sein, was man angesichts der Fülle des Materials vielleicht hier und da übersehen kann.
Doch bei einem Preis von EUR 59.90 und dem Anspruch eine Enzyklopädie zu sein, hätte man vielleicht noch etwas mehr erwarten können. Oder man hätte vielleicht lieber auf die Details bei den bekannteren Bauformen verzichtet und sich auf die deutlich rareren aus allen Herren Länder konzentrieren sollen. Aber vielleicht wird es dereinst ja eine zweite verbesserte Auflage geben, bis dahin muss jeder selber für sich entscheiden, ob ihm 2000 sonst kaum in Buchform dokumentierte Sonderkarosserien von 500 Herstellern mit ein paar inhaltlichen Fehlern fast EUR 60.00 wert sind.
Bibliografische Angaben
- Titel: Durchgeboxt - Die große Enzyklopädie der Kleinserien und Eigenbauten auf VW-Käfer- und Bus-Basis
- Autor: Thomas Braun
- Sprache: Deutsch
- Verlag: Schneider Media/Delius Klasing, 1. Auflage 2018
- Format: Gebunden, 231 x 275 mm
- Umfang: 484 Seiten, über 1750 Abbildungen
- ISBN: 978-3-667-11444-0
- Preis: EUR 59.90
- Kaufen/bestellen: Online bei amazon.de , online beim Delius-Klasing Verlag oder in der gut assortierten Buchhandlung
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