Über ein Vierteljahrhundert wurde die erste Generation des Range Rover gebaut. In diesen Jahren hat er sich mächtig gewandelt, allerdings nicht unbedingt vom hässlichen Entchen zum prächtigen Schwan, denn elegant war er von Anfang an. Die Komforterwartungen der Kundschaft aber wirkten sich auf viele Design-Details und vor allem Ausrüstungselemente aus.
Die lange Geschichte des Range Rovers
Die Entwicklungsgeschichte des Range Rovers wurde bereits in einem früheren Fahrzeugbericht abgehandelt, daher sollen hier nur die wichtigsten Stichworte zusammengefasst werden:
1966 begann die Entwicklung eines komfortableren und vielseitig einsetzbareren Version des Land Rovers, im Juni 1970 wurde das Ergebnis vorgestellt. Unter der eleganten Alu-Karosserie befanden sich wie beim Land Rover ein Leiterrahmen und zwei Starrachsen. Als Motor wählten die Rover-Ingenieure den einst von Buick übernommenen Leichtmetall-V8-3,5-Liter, der mit einem Vierganggetriebe gekoppelt wurde. Das Ergebnis waren 132 DIN-PS, die 1770 kg zu bewegen hatten.
Ein besonders Detail des dreitürigen Range Rovers war die umklappbare Rückbank und die zweiteilige Heckklappe, bei der das Fenster nach oben, der Deckel nach unten aufklappte.
Allzweckgerät
“Was sind es für Menschen, die sich den automobilen Naturburschen zum Preis von knapp über 30’000 Mark kaufen? Es sind Landärzte, Gutsbesitzer und Jagdpächter, die triftige Gründe haben, warum es gerade die es Auto sein muß und kein anderes”, schrieb Klaus Westrup anlässlich eines Tests in Auto Motor und Sport im Jahr 1975.
Tatsächlich war der Range Rover mit Vergasermotor zwar ein vielseitig einsetzbares Auto, im Vergleich zu anderen Autos war er aber auch ziemlich teuer. Und an der Tankstelle genehmigte sich der 3,5-Liter-Range Rover gerne über 20 Liter pro 100 km, wenn er rasant gefahren wurde. Dafür offerierte er allerdings auch überdurchschnittliche gute Fahrleistungen im Vergleich zu anderen Geländewagen. Den Spurt von 0 bis 100 km/h schaffte der Allradler in 15,6 Sekunden, als Spitzengeschwindigkeit wurden 161,4 km/h notiert.
Die Fahreigenschaften wurden als unproblematisch beurteilt, die Federung als komfortabel. Wirksame Bremsen und vor allem eine sehr gute Geländegängigkeit komplettierten das Paket, das einzig durch hohe Lenkkräfte beim Rangieren, eine um die Mittellage etwas unexakte Lenkung und eine schlechte Heizluftverteilung negativ auffiel.
Klaus Westrup jedenfalls beantwortete die gestellte Frage gleich selber: “Aber es gibt, wohl in der großen Dunkelziffer, auch ganz andere Range Rover-Kunden. Sie wohnen auf dem platten Lande, müssen nie mit dem Auto klettern, könnten ihre Schlamm-Partien mit einem simplen Käfer bewältigen und haben auch nicht vor, ihren nächsten Urlaub auf der Transamazonika zu verbringen. Sie fahren mit dem hochbeinigen Allesüberwinder ins Theater - man kann auch sie verstehen”. Und damit war der zukünftige SUV-Fahrer geboren.
Vom Zwei- zum Viertürer
Die erste grosse Neuerung sorgte im Jahr 1980 für neuen Wind, als nämlich Monteverdi in Zusammenarbeit mit dem Hersteller eine viertürige Version anbot. Bis dahin hatten jährlich zwischen 5000 und 10’000 Einheiten das Werk in Sollihull verlassen.
Ab 1981 wurde diese dann, leicht modifiziert im Werk gebaut. Ab 1982 gab es dann auch eine Automatik-Variante, die von komfortorientierten Käufern gefordert wurde. Eine solche hatte der Wagen, den Götz Leyrer für Auto Motor und Sport im Frühling 1982 fuhr, allerdings nicht an Bord. Trotzdem waren die Fahrleistungen deutlich schlechter geworden. 18 Sekunden nahm sich der Viertürer für den Spurt von 0 bis 100 km/h, bereits bei 151,9 km/h war der Vortrieb zu Ende. Dies lag nicht nur an der etwas reduzierten Leistung (126 PS), sondern auch am um rund 110 kg höheren Gewicht. Nichts geändert hatte sich allerdings an den aus heutiger Sicht kompakten Abmessungen (4470 x 1770 x 1770 mm) und am generösen Kofferraumvolumen (1240 oder 1670 Liter ohne/mit umgeklappter Rücksitzbank.
Immerhin nippte der höher verdichtete, aber sauberere 3,5-Liter im Testbetrieb nun nur noch 19,1 Liter Super statt der 23,4 Liter Normal aus dem 86 Liter grossen Tank. Leyrer fasste denn auch zusammen: “Der Range Rover stellt nach wie vor einen der überzeugendsten Vertreter der Allrad-Zunft dar. Kein Wunder, daß er seine Stammkundschaft hat - darunter auch viele Zeitgenossen, die nichts weiter wollen als ein großes und wenig populäres Auto.”
Immer luxuriöser
Ganz alleine im Felde war der Range Rover Mitte der Achtzigerjahre nicht mehr, Mercedes-Benz hatte inzwischen das G-Modell im Angebot, das zwar etwas teurer war, aber auch mit einigen Qualitäten aufwarten konnte. Auto Motor und Sport jedenfalls gab dem DM 70’019 DM teuren 280 GE den Vorzug: “Kein Zweifel, wer an die Grenzen des Fahrbaren will, der ist mit dem Mercedes besser bedient. Denn der G ist die konseuentere Off Road-Maschine. Mit einem behäbigen Diesel unter der Haube ist er das sogar noch ein bißchen mehr. Der Mercedes ist nun mal ein ernstes Auto, das die Leute ernst nehmen.”
Aber man gestand auch dem 1985 DM 59’756 teuren Range Rover eine Marktlücke zu: “Der Rover wird nicht so ernst genommen, weil er über den Verdacht erhaben ist, sich dauernd im Dreck herumzutreiben. Denn das würde zu ihm so wenig passen wie ein nagelnder Diesel. Er ist ganz einfach die herrschaftlichste aller Möglichkeiten, ein Geländeauto zu fahren. Selbst wenn das vorzugsweise auf der Straße stattfindet, bleibt als Trost die Gewißheit: Die Sahara packen wir allemal.”
Land Rover aber sorgte dafür, dass das Modell auch nach bereits 15 Jahren Bauzeit aktuell blieb, verpasste dem Range Rover 1985 eine Einspritzung (von Lucas) und eine Vierstufenautomatik (von ZF). Auch das Interieur wurde aufgefrischt.
1986 wurde der Kühlergrill den modischen Präferenzen angepasst, das Interieur erneut aufgefrischt und die Rücksitzlehne zweigeteilt. Die Tankklappe ersetzte den einst rustikalen offenen Tankdeckel und sie war sogar in der Zentralverriegelung integriert.
Mehr und mehr wandelte sich der einst urige Geländewagen zum Komfort-SUV, so gelangten Leder und Klimaanlage, elektrische Fensterheber und hochflorige Teppiche in die Ausstattungsliste. Dazu passte, dass mit dem «Vogue» eine Luxusvariante präsentiert wurde. Der Hubraum des V8-Motors wuchs 1988 auf 3,9 Liter, einen Kat gab es bereits ab 1987.
Die feine englische Art hat ihren Preis
Den hohen Status, den der Range Rover auch in unseren Breitengraden innehatte, bezeugte wiederum die Zeitschrift Auto Motor und Sport, die ein 163 PS starkes 3,5-Liter-Modell mit Handschaltung über 80’000 km als Dauertestwagen in Betrieb nahm. Dieses lief ausgezeichnet (0 bis 100 km/h in 12,2 Sekunden, 174 km/h Spitze) und verbrauchte über die ganzen Dauertest hinweg 16,8 Liter Super (verbleit) pro 100 km (13,7 bis 21,3 Liter). Trotzdem war die Bilanz nach 80’000 km nicht ungetrübt: “Der Range Rover erwies sich im Dauertest als weitgehend zuverlässiges Auto, das mit Ausnahme einer defekten Servolenkung von größeren Reparaturen verschont blieb. Trotzdem verschlang der Unterhalt eine Menge Geld: Hohe Wartungs- und Inspektionskosten, teure Ersatzteile und der immense Benzinverbrauch belasteten die Kostenbilanz.”
Die Betriebskosten beliefen sich auf DM 0.245 pro Kilometer, am Ende der 80’000 musste zudem fast die Hälfte des Neuwerts abgeschrieben werden. Zudem ärgerten ein paar Elektronik-Probleme die Leistungsbilanz. Auch Rost gab es zu bemängeln. Als Stärke wurde der bullige V8-Motor, der ausgezeichnete Federungskomfort und die vielseitige Karosserie gelobt.
Konkurrenz legt nach
Natürlich schlief die Konkurrenz nicht, ein Vergleichstest, der dem 3,9-Liter-Range Rover den Mercedes-Benz 300 GTE, den Toyota Landcruiser Station und den Ford Explorer gegenüberstellte zeigte gemäss Auto Motor und Sport, dass die Zeiten für den ersten Range Rover dem Ende entgegen gingen: “Der Brite setzte die Maßstäbe für große Geländewagen, aber die Konkurrenten haben aufgeholt und ausgewogenere Qualitäten. Der Überzeugungskraft des V8-Motors und der Begabung des Fahrwerks für den weichen Gang durchs Gelände stehen kritische Fahreigenschaften auf der Straße und ein hoher Preis gegenüber”, schrieb Clauspeter Becker und stufte Mercedes und Toyota vor dem mittlerweise DM 79’850 teuren Range Rover ein.
Länger ab 1992
1992 erschien dann noch eine um 20,5 cm verlängerte Variante, die mehr Platz und nun 4,2 Liter Hubraum bot. Damit war man gut gerüstet, schliesslich leistete der 4275 cm3 grosse Motor satte 202 PS und beschleunigte den nun 2055 kg schweren Viertürer gemäss Werksangaben in 9,9 Sekunden von 0 bis 100 km/h. Allerdings war der Preis mit DM 107’500 (Ausführung LSEi Vogue) inzwischen auch in Ferrari-Regionen gestiegen.
1994 erschien schliesslich der Nachfolger P38A, allerdings wurde der nun «Classic» genannte Ur-Range Rover noch bis 1996 weitergebaut. Etwa 330’000 Exemplare entstanden im Ganzen.
Weg vom puristischen Geländewagen
Nichts zeigt die Entwicklung des Range Rovers über ein Vierteljahrhundert so eindrücklich wie eine Vergleichsfahrt mit einem frühen und späten Modell. Zur Verfügung standen ein Modell aus dem Jahr 1974 in der schönen Farbe “Masai Red” und ein SEi Vogue von 1990 mit dunkler Lackierung, welche die einprägsame Bezeichnung “Beluga” trägt.
Der frühe Range Rover kann seine Verwandschaft mit dem Arbeitstier Land Rover nicht leugnen. Offenliegende Scharniere, eine unverhüllte Tankklappe und Gummibeläge auf dem Boden zeugen von pragmatischen Lösungen, die weniger vor der Oper als im Allzweckeinsatz brillieren müssen.
Das Vierganggetriebe will beherzt bedient werden, die Lenkung verlangt nach einem gewissen Krafteinsatz. Mechanische Geräusche von Achsen und Kraftübertragung sind durchaus vernehmlich, gut hörbar ist auch der schön klingende Achtzylinder.
Man muss ein bisschen arbeiten in diesem Wagen, aber es lohnt sich. Egal ob Fenster nach unten gekurbelt oder Rückspiegel verstellt werden sollen, immer sind Muskeln gefragt.
Mit seinen 1,8 Tonnen ist der 74-er Range Rover zwar kein Leichtgewicht, aber die 132 PS haben damit keine Mühe. Der Allradler fühlt sich agil an und macht Freude beim Fahren.
Ein ganz anderes Kaliber ist der 16 Jahre später produzierte SEi Vogue mit dem auf 3,9 Liter vergrösserten Achtzylinder. Ganz im Stil der Zeit ist er mit Automatik und Klimaanlage ausgerüstet, die Fensterheber sind elektrisch, die Spiegelverstellung ebenso. Und wo einst Gummiböden für einfache Reinigung sorgten, liegen jetzt weiche Teppiche, die den Innenraum zusammen mit den elektrisch verstellbaren Sitzen und den Holzeinlagen richtig luxuriös machen.
Das Fahrgefühl ist komplett anders. Der späte Range Rover erinnert mehr an amerikanische Luxuslimousinen als an britische Geländewagen. Das Gewicht ist jederzeit spürbar, wird aber ohne Anstrengung kontrolliert. Der Wandlerautomat wechselt die Gänge unauffällig, sorgt aber für viel Schlupf und weniger Klangfreude.
Spass machen sie beide, der frühe ist ein Wagen für aktive Autofahrer mit der Liebe zum Besonderen, das spätere Modell etwas für komfortbezogene Naturen, die den Range Rover Classic auch gerne im Alltag und überall einsetzen wollen.
Wir danken der Emil Frey Classic , die uns die beiden Range Rover, beides Zweithandfahrzeuge mit geringer Laufleistung und gut dokumentierter Service-Geschichte, für eine Probefahrt zur Verfügung stellte.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 27 / 1970 vom 18.Jun.1970 - Seite 21: Range Rover - ständiger Vierradantrieb
- AR-Zeitung Nr. 43 / 1971 vom 07.Okt.1971 - Seite 17: Kurztest Range Rover
- auto motor und sport / Nr. 26 / 1975 - Seite 54: Test Range Rover
- AR-Zeitung Nr. 10 / 1980 vom 06.Mrz.1980 - Seite 27: Neue Range-Rover-Varianten
- AR-Zeitung Nr. 29 / 1981 vom 09.Jul.1981 - Seite 17: Range Rover - Viertürer ab Werk
- AR-Zeitung Nr. 39 / 1981 vom 17.Sep.1981 - Seite 35: Range Rover 1982 - sparsamer, komfortabler, billiger
- auto motor und sport / Nr. 8 / 1982 - Seite 168: Test Range Rover (4-türig)
- auto motor und sport / Nr. 9 / 1985 - Seite 8: Vergleich Range Rover und Mercedes-Benz G
- AR-Zeitung Nr. 44 / 1985 vom 24.Okt.1985 - Seite 21: Range Rover jetzt mit Einspritzung
- AR-Zeitung Nr. 49 / 1987 vom 03.Dez.1987 - Seite 23: Range Rover mit Katalysator
- AR-Zeitung Nr. 10 / 1988 vom 03.Mrz.1988 - Seite 27: Range Rover - Luxusausrüstung serienmässig
- auto motor und sport / Nr. 14 / 1988 - Seite 50: Vergleich Range Rover - Nissan Pajero
- AR-Zeitung Nr. 46 / 1988 vom 10.Nov.1988 - Seite 29: Mehr Hubraum für den Range Rover
- auto motor und sport / Nr. 10 / 1989 - Seite 66: Der Gentleman bittet zur Kasse (Dauertest)
- auto motor und sport / Nr. 19 / 1990 - Seite 34: Grosser Geländewagen-Vergleichstest
- AR-Zeitung Nr. 40 / 1992 vom 1. Oktober 1992 - Seite 29: Range Rover gründlich aufgewertet
- auto motor und sport / Nr. 23 / 1992 - Seite 88: Test Range Rover Vogue LSEi
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