Wer es anfangs der Sechzigerjahre deutlich weiter als der Durchschnitt gebracht hatte, liebäugelte statt mit einem VW Käfer mit einem Opel Rekord, der nicht nur mehr Platz sondern auch mehr Überholprestige auf den wenigen Autobahnen bot. Natürlich gab es Alternativen (z.B. Peugeot 404 oder Fiat 1500), aber kaum eine war gleichzeitig so zuverlässig und so vernünftig.
Ablösung der amerikanischen Linie
Als Opel im August 1960 eine neue Rekord-Generation ankündigte, bedeutete diese eine deutliche Abkehr von der bisher vorherrschenden amerikanischen Designlinie des Vorgängers.
Statt einer Panoramascheibe gab es eine leicht gebogene grossflächige Windschutzscheibe, statt des runden Dachs einen flachen Aufbau. Das etwas verspielte Design des seit 1957 gebauten P1 (“P” für Panoramascheibe) wich geraden und trapezartig gezogenen Linien der Vernunft. Und die neue Gestaltung brachte viele Vorteile, vor allem eine bessere Rundumsicht nach allen Seiten und nach schräg oben.
In fast allen Punkten besser
Doch die Gestaltung der Karosserie hatte nicht primär ästhetischen Ansprüchen zu gehorchen, es ging vor allem um praktische Vorteile und Verbesserungen. Der Opel Rekord P2 hatte hier einiges vorzuweisen: Der Einstieg gelang nun - nicht zuletzt dank dem Verzicht auf die in die Türöffnung reichende Panoramascheibe - deutlich besser. Die Scheibenwischer waren länger geworden und bewegten sich nun parallel über die Frontscheibe, was einer kompletten Reinigung deutlich förderlicher war, genauso wie die serienmässige Scheibenwaschanlage.
Dank der grösseren Scheiben und des flachen Dachs konnte der Rückspiegel höher angebracht werden und störte das Sichtfeld damit weniger. Die flacheren Karosserieteile bewirkten auch einen besser nutzbaren Kofferraum. Das Interieur wurde sicherer gestaltet und profitierte von der grösseren Fensterfläche oder wie es Werner Oswald in der ADAC Motorwelt 1960 beschrieb: “Im Rekord fühlt man sich wohl wie in einer lichtdurchfluteten, ganz modern eingerichteten Wohnung”.
Auch am Fahrwerk hatte man optimiert und vor allem das Ansprechen der Blattfedern der nachwievor starr gestalteten Hinterachse verbessert.
W. K. Strobel, stellvertretender Chefingenieur meinte anlässlich der Präsentation des P2, dass das Optimum an Strassenlage keine abstrakte Definition sei, für die etwa nur ein einziger Hersteller das Rezept habe und dass nicht nur eine Konstruktion das allein Seligmachende sei. Er zielte damit direkt auf die Herren aus Stuttgart und Wolfsburg, die bekanntlich der Pendelachse den Vorzug gaben, während Opel von den Vorteilen der Starrachse - keine Spurveränderung, leicht, Einfachheit, billig herzustellen - überzeugt war.
Ein fast rundum gutes Auto
Die damaligen Autotester standen dem neuen Opel Rekord P2 wohlwollend gegenüber. Die Vorzüge kamen an, aber es mussten auch alte Vorurteile bekämpft werden. So meinte Oswald in der ADAC Motorwelt:
“Wie wenig jene Leute Bescheid wissen, die so gescheit von indirekter Lenkung und viel zu weicher Federung daherreden, mag dadurch bewiesen werden, daß schon seit langem 2 3/4 Lenkraddrehungen für den gesamten Radeinschlag von einer zur anderen Seite genügen und daß die Federung mittlerweile ausgesprochen hart geworden ist, härter vielleicht, als es für heutige Be- griffe wünschenswert erscheint. Jedenfalls erfreut sich auch der jetzige Rekord wieder - der Testwagen war mit Dunlop bereift - einer ausgezeichneten Spur- und Kurvenhaltung, erkauft allerdings mit kräftiger Untersteuerung, die zwar goldrichtig das fahrerische Unvermögen ach so vieler Führerscheinbesitzer kompensiert, aber beim wirklich schnellen Durchfahren kurvenreicher Strecken schon ein wenig mühsam wird.“
Soweit so gut, es gab aber auch deutlich unzufriedenere Wortmeldungen. So kritisierte Auto Motor und Sport die Bremsen mangels Spurtreue aufs Deutlichste beim Coupé-Test im Jahr 1961 und auch die Automobil Revue blies ins selbe Horn: “Wie wir anlässlich dieses Kurztestes feststellen konnten, vermag die Bremsanlage dem erhöhten Geschwindigkeitspotential nicht immer voll zu genügen, da nach mehrmaligem starken Bremsen unangenehme Fading-Erscheinungen eintreten.”
Insgesamt aber zeigten sich die Tester zufrieden, denn die Motorqualitäten und die praktischen Vorzüge des Modells P2 überzeugten.
In vielen Varianten
Vorgestellt wurde der Rekord P2 als zwei- und viertürige Limousine, sowie als Stationswagen “Caravan”. Als Motoren gab es die bereits seit Vorkriegszeiten genutzten Vierzylinder, die nun mit 1,5 Litern Hubraum 50, mit 1,7 Litern Hubraum 55 PS bei zivilen Drehzahlen um 4000 Umdrehungen entwickelten und sich zeitgemäss sparsam verhielten.
Doch es waren nicht nur die verschiedenen Baumuster, die einzelne Exemplare voneinander unterschieden, sondern auch die vielen Möglichkeiten, mit einem Rekord noch etwas mehr Geld auszugeben. So gab es (bei der zweisitzigen Ausführung) ein zusätzliches Lenkschloss gegen 35 DM, ein Plastikdachhimmel für 19 DM oder die Lichthupe im Preis von 19 DM. Auch ein Vierganggetriebe kostete Aufpreis.
Nicht teurer
Der Rekord P2 bot also mehr als sein Vorgänger, doch teurer wurde er nicht. Ab 6390 DM gab es den 1500 Zweitürer, 8225 Franken kostete er in der Schweiz. Ein Käfer kostete etwa ein Viertel weniger, ein Peugeot 404 ein Viertel mehr. Selbst die elektrische Zeituhr, die mechanische Variante beim Vorgänger musste noch alle acht Tage aufgezogen werden, war im Serienumfang dabei. Kein Wunder, zeigten sich die Kunden begeistert. Doch die Konkurrenz schlief nicht, Fiat (mit den Modellen 1300/1500), aber vor allem Volkswagen mit dem Aufsteiger 1500 und Ford mit dem 17M schielten nach denselben Marktanteilen.
Dann das flachere Coupé
Zur Internationalen Automobil Ausstellung des Jahres 1961 schob Opel dann ein Coupé nach, das einen deutlich veränderten Dachbereich und eine schräge Heckscheibe aufwies und mit einem 60 PS starken 1,7-Liter-Motor angetrieben wurde. Nun gab es statt rund 129 km/h fast 140 km/h Spitze und sportliche Einzelsitze. Der Innenraum war etwas geschrumpft (2+2), der Kofferraum dafür aber sogar noch angewachsen.
Auch das mustergültig sparsame Coupé (Testverbrauch in Deutschland 10,8 Liter pro 100 km) kam gut und die damaligen Tester schätzten vor allem die guten Fahrleistungen (0 bis 100 km/h in 20,4 Sekunden) und damit die kurzen Überholwege. Den Motor konnte man alsbald auch in der Limousine bestellen und damit zum Autobahnkönig werden.
Schon nach knapp drei Jahren abgelöst
Im Frühling 1963 erfolgte bereits die Ablösung der P2-Linie durch einen noch kantigeren und nüchternen Wurf, den man bei Opel Rekord A nannte.
Die 786’411 produzierten P2-Modelle - 33’816 davon waren Coupés - aber taten noch lange ihren Dienst, transportierten Generation um Generation, bis sie abgeschrieben und entsorgt wurden. Und zwar derart gründlich, dass man heute nur noch selten Abkömmlinge der P2-Linie auf der Strasse erblickt. Sie werden mit freundlichen Blicken abgetastet und beim einen oder anderen wird sicherlich ein “da sass ich als Kind auch einmal drin” mitschwingen.
Am Lenkrad eines Vernunftautos
Vor allem nach dem Umstieg aus dem Vorgänger fällt einem auf, wie modern der P2 damals gewirkt haben muss. Sofort realisiert man die fast perfekte Rundumsicht, die mit den Peilkanten auf den Vorder- und Hinterkotflügeln noch optimiert wird. Das Interieur wirkt freundlich mit den zweifarbigen Sitzbezügen, Seitenhalt gehörte damals allerdings nicht zu den Prioritäten der Sitzbauer.
Man sitzt bequem und greift ins dünnwandige Lenkrad. Ein Versuch, den Motor mit dem am Lenkrad befindlichen Schloss in Gang zu setzen, fällt flach. Logisch, am Lenkrad sitzt auch nur das Lenkradschloss, während das separat montierte Zündschloss unter dem Autoradio angebracht ist. Beim zweiten Versuch klappt es besser und der Motor nimmt trotz 6-Volt-Anlage bereitwillig seine Arbeit auf. Er kling nach Opel und das ist gut so.
Die rechte Hand packt nun den Schalthebel am Lenkrad und legt den ersten Gang (von drei Vorwärtsübersetzungen) ein und los geht die Fahrt.
Von der “Härte des Fahrwerks”, einst von Oswald in seinem Testbericht kritisiert, ist nichts zu spüren, im Gegenteil. Die Fahrt verläuft komfortabel und das Auto wirkt eine ganze Stufe erwachsener (und moderner) als der Vorgänger. Mit dem 1,7-Liter-Motor ist man ausreichend, aber nicht üppig motorisiert, so dass man nicht ständig auf den Bandtacho schauen muss, um im Rahmen des gesetzlich erlaubten zu bleiben. Für Landstrassen-Tempo stimmt die Getriebeabstufung. Man kann sich auch heute noch vorstellen, selbst längere Strecken im geräumigen P2 zurückzulegen und das tun viele der heutigen Besitzer mit ihren Schätzchen ja auch.
Wir danken der Oldtimer Galerie in Toffen für die Gelegenheit zur Foto-Session. Der viertürige Opel Rekord P2 1700 von 1962 wird am 23. April 2016 versteigert .
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 37 / 1960 vom 25.Aug.1960 - Seite 17: Vorstellung Opel Rekord P2
- ADAC Motorwelt Nr. 10 vom 1. Oktober 1960 - Seite 738: Wir testen den Opel Rekord
- ADAC Motorwelt Nr. 10 vom 1. Oktober 1961 - Seite 758: Test Opel Rekord Coupé
- AR-Zeitung Nr. 52 / 1962 vom 06.Dez.1962 - Seite 19: Kurztest Opel Rekord P2 Coupé
- Auto Motor und Sport Heft 18/1960, ab Seite 22: Neue Kleider für den Opel Rekord und Geschwister
- Auto Motor und Sport Heft 23/1961, ab Seite 24: Test Opel Rekord Coupé
- Oldtimer Markt Heft 3/1988, ab Seite 157: Opel Rekord P2
- Oldtimer Markt Heft 12/2010, ab Seite 162: 50 Jahre Opel Rekord P2
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