Auf dem Autosalon von Amsterdam wurde am 30. April 1948 der Land Rover präsentiert, ein Nutzfahrzeug, das sich hauptsächlich an Bauern, Jäger und andere Berufsgattungen richtete, die ab und zu im unwegsamen Gelände unterwegs waren.
Land Rover Station Wagon Tickford (1950) - sieht ungewöhnlich aus | |
© Copyright / Fotograf: Silverstone Auctions |
Geländegängiges Universalfahrzeug
Ein Jahr später stand der britische Geländewagen auch auf dem Genfer Autosalon. Er wurde damals von der Automobil Revue folgendermassen beschrieben:
“Die Kategorie der leichten, geländegängigen Universalfahrzeuge, die besonders in Landwirtschaft und Industrie grossen Anklang gefunden haben, hat im Land-Rover eine beachtenswerte Bereicherung erfahren. Das erstmals in Genf ausgestellte Fahrzeug besitzt einen kräftigen und verwindungssteifen Kastenrahmen mit Starrachsen und Halbelliptikfedern und Teleskopstossdämpfer. Die Kraftübertragung erfolgt über eine grosse Einscheibenkupplung, ein synchronisiertes Viergang-Getriebe auf die Vorder- und Hinterräder.
Der Kraftfluss zum Vorderradantrieb enthält einen Freilauf. Auffallend kräftig ist die bis zum hintern Chassisende geführte Zapfwelle, an deren Ende eine Riemenscheibe montiert ist. Der Betrieb solcher Fahrzeuge stellt hohe Ansprüche an die Dauerleistung der Motoren. Bei Rover ist der Vierzylinder mit hängenden Auspuff- und stehenden Ansaugventilen vorgesehen, der 50 PS leistet und durch gute Zugkraft auch im untern Drehzahlbereich gekennzeichnet ist. Vergaser, Luftfilter, Zündverteiler und Öleinfüllstutzen sind so angeordnet, dass auch die Watfreiheit den übrigen Geländeeigenschaften entspricht. D
ie Abmessungen betragen: Radstand 203 cm, Spurweite 127 cm, Bodenfreiheit 22 cm, Spurkreisdurchmesser 11 m. Ausser dem Chassis ist auch ein als Brückenwagen karossiertes Fahrzeug mit Verdeck und Seitenverglasung ausgestellt.”
Land Rover Series I (1948) - Vorproduktion | |
© Copyright / Fotograf: Jaguar Land Rover |
Die Nobel-Version
Nicht gezeigt wurde eine Variante, die man mit Blick auf begüterte und komfortorientierte Kunden in Solihull entwickelt hatte, den Station Wagon. Bereits im Oktober 1948 nämlich entstand eine geschlossene Variante mit mehr Komfort. Für die Karosserieherstellung hatte man die Firma Tickford, auch bekannt für ihre Rolls-Royce- und Aston-Martin-Aufbauten, angeheuert. Und diese lieferte eine traditionelle Karosserie mit Holzrahmen und Aluminium-Panels. Innen wurde der rustikale Land Rover, dessen Technik unverändert geblieben war, ein wenig aufgewertet.
Land Rover Station Wagon Tickford (1949) - hier in Zweifarben-Lackierung | |
© Zwischengas Archiv |
So war die Heizung genauso serienmässig wie die Ledersitze, die Platz für sieben Personen (drei vorne, vier hinten) boten. Hinten fand sich eine zweiteilige Ladeklappe, deren eine Hälfte nach unten, die andere nach oben öffnete, fast genauso wie man es viel später dann auch beim Range Rover wieder vorfand.
Land Rover Station Wagon Tickford (1950) - Zugang zum Passagierraum | |
© Copyright / Fotograf: Silverstone Auctions |
Im Gegensatz zur normalen Variante war die Windschutzscheibe einteilig, während die kleinen Scheibenwischer aber unverändert blieben.
Als Fahrzeug für jede Gelegenheit positionierte Rover die Nobelvariante des Allradlers.
Kein kommerzieller Erfolg
Die gewählte Bauweise war aufwändig, orientierte sich am traditionellen Karosseriehandwerk, die bei einem Luxusfahrzeug wie einem Rolls-Royce sicherlich auch kostenmässig angebrachter war.
Land Rover Station Wagon Tickford (1949) - ungewohnter Anblick auch wegen der durchgehenden Frontscheibe | |
© Copyright / Fotograf: Archiv Land Rover / Werk |
Dazu kam, dass die nur in Grüntönen lieferbare Tickford-Version im Gegensatz zum rustikaleren Land Rover von den Steuerbehörden nicht als Berufsinstrument sondern als Personenwagen verstanden wurde, weshalb auch noch eine empfindlich teure Kaufsteuer auf den Preis geschlagen wurde. So musste Rover 950 britische Pfund für den vollverkleideten Land Rover verlangen, das war fast zehnmal soviel wie ein normaler Arbeiter pro Jahr verdiente.
In Grossbritannien war der Wagen damit fast unverkäuflich, gerade einmal vier Dutzend blieben im Heimmarkt, während das Gros der Wagen in den Export, zum Beispiel nach Polen ging . Aber auch so blieben die Verkaufszahlen sicherlich hinter den Erwartungen zurück, rund 650 Station Wagons konnten insgesamt gebaut werden, bis man 1951 die Produktion stoppte.
Nicht der erste Luxus-Geländewagen
Obschon ein früher Vorläufer des modernen SUV darf der Land Rover nicht die ganze Innovation für sich beanspruchen, denn bereits 1946 hatten die Amerikaner mit dem Willys Jeep Station Wagon in diese Richtung gearbeitet und per 1949 gab es den von Brooks Stevens gezeichneten Jeep auch mit Allradantrieb.
Willys Jeep Station Wagon (1947) | |
© Copyright / Fotograf: Chrysler Group |
Trotzdem gehört der Tickford Station Wagen zu den ersten Vertretern einer Generation komfortorientierter Geländewagen, die erst ab den Siebzigerjahren so richtig zum Trend wurden.
Land-Rover Station Wagon (1954) - nicht mehr von Tickford und deutlich näher an der normalen Ausführung | |
© Zwischengas Archiv |
Land Rover selber machte 1956 einen zweiten Anlauf mit dem “Station Wagon”, nutzte dieses Mal aber eine verlängerte Plattform und setzte eine vereinfachte Karosserie aus zusammengenieteten Metallflächen darauf. Ganz so nobel wie die Tickford-Variante war die neue Version natürlich nicht mehr, dafür war sie günstiger und wurde bald überall auf der Welt gerne gekauft.
Einer der weniger Überlebenden
Man geht von höchstens zehn bis zwanzig überlebenden Tickford Station Wagons aus. Sie sind heute meist in Sammlungen zu finden und wechseln den Besitzer für ansehnliche Summen Geld.
Land Rover Station Wagon Tickford (1950) - Motorhaube und Vorderbau stimmen mit den normalen Autos überein | |
© Copyright / Fotograf: Silverstone Auctions |
Der für diesen Artikel portraitierte Station Wagon aus dem Jahr 1950 wird von Silverstone Auctions am “Restoration Show Sale 2016” am 6. März angeboten. Als Schätzpreis wurden für das vor einigen Jahren restaurierte Exemplar £ 35’000 bis 40’000 angesetzt.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 13 / 1949 vom 21. März 1949 - Seite 3: Englische Nutzfahrzeuge am Genfer Salon
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