Wer Ende des letzten Jahrhunderts Supersportwagen im Wert einer halben Million verkaufen wollte, der musste schon etwas bieten. Aston Martin erinnerte sich des Le-Mans-Erfolgs von 1959 und bot den Aston Martin V8 Vantage V600 Le Mans als umfangreich verfeinertes und limitiertes Sondermodell an.
Das Ende einer langen Tradition
Aston Martins Spuren gehen bis ins Jahr 1913 zurück, ab 1947 wurde die Firma von David Brown gelenkt, 1959 erzielten Carroll Shelby und Roy Salvadori, gefolgt von Maurice Trintignant und Paul Frère einen Doppelsieg in Le Mans, mit 25 Runden Vorsprung auf den besten Ferrari.

1967 löste der von William Towns gezeichnete Aston Martin DBS den DB6 ab, ab 1969 sorgte ein neuer von Tadek Marek konzipierter Leichtmetall-V8-Motor für Vortrieb.
Vom V8 zum Virage und zum Vantage
Bis 1988 wurde der V8 (teilweise auch als Vantage-Ausführung) gebaut, dann erfolgte die Ablösung durch den “Virage”. Dieser wies ein deutlich kantigeres Design auf, unter dem Blech aber fand sich weitgehend die verbesserte Technik des Vorgängers. Sogar die De-Dion-Hinterachse überlebte den Modellwechsel und wurde entsprechend noch ein weiteres Jahrzehnt verbaut.
Zum Virage gesellte sich 1992 der Vantage, der sich sowohl optisch als auch technisch vom Bruder unterschied. Front und Heck hatten ein deutliches Restyling erfahren, der V8-5,3-Liter-Motor erhielt zwei Eaton-Kompressoren und leistete nun 558 PS.
Keine halbe Portion
Satte 2015 kg wog ein Aston Martin Vantage, als er 1997 von Auto Motor und Sport getestet wurde. Doch die 745 Nm (bei 4000 Umdrehungen) und 557 PS (bei 6500 Umdrehungen) sorgten trotzdem für standesgemässen Vortrieb. 5,2 Sekunden reichten für den Sprint von 0 auf 100 km/h, als Spitze wurden 281 km/h gemessen. Mit 19,1 Liter Super Testverbrauch auf 100 km war der Aston nicht gerade mustergültig sparsam, aber auch kein grenzenloser Säufer.
Kein Vergleichstestsieger
Gegen die Konkurrenz aus Detroit oder Maranello hatte der Aston aber trotz leistungsmässigen Vorteilen kaum einen Stich, wenn objektive Kriterien herangezogen wurden. Ein Ferrari F550 Maranello beschleunigte besser, war in der Spitze 36 km/h schneller und wedelte 20 km/h schneller durch die Slalom-Pylonen. Im Vergleichstest gegen Chevrolet Corvette, Dodge Viper und Ferrari F550 landete der Aston daher auf dem letzten Platz, nur gerade im Karosseriekapitel konnte er mit dem Ferrari gleichziehen.
Aber solche Vergleichsergebnisse liessen wohl die typischen Käufer eines Vantage kalt, denn weder Tom Cruise noch Prince Charles hätten wohl eine Corvette dem klassisch eleganten Aston Martin vorgezogen. Dessen Interieur, für das mindestens 11 skandinavische Rinder ihre Haut lassen mussten, strotzte nur so von britisch-klassischem Stil. Alles war von Hand angefertigt, von Meistern ihres Fachs und nicht in Stunden sondern in Wochen. Da trübten selbst Grossserienteile von Ford oder GM nicht über den gediegenen Eindruck hinweg. Wer es sich leisten konnte, der fuhr als Gentleman einen Aston und keine Corvette.
An fehlender Leistung lag es zwar kaum, dass sich ein Aston Martin Vantage gegen einen Ferrari 550 Maranello nicht durchsetzen konnte, trotzdem rüsteten die Jungs aus Newport/Pagnell nach.
V550 und V600
Ab 1998 konnten Aston-Martin-Kunden ihren Vantage zurück ins Werk bringen und die V600-Leistungskur ordern. Für rund £ 20’000 stieg dann die PS-Zahl auf 608 beim 6200 U/min, während das Drehmoment nun satte 813 Nm betrug.
Damit verkürzte sich auch die Zeit für den Spurt von 0 bis 100 km/h auf deutlich weniger als fünf Sekunden. Die "normalen" Modelle wurden fortan V550 genannt.
Die Zukunft ruft
Derweil allerdings drehte sich die Welt weiter. Neue Emissions- und Crash-Vorschriften läuteten das Ende des Virage, inzwischen einfach V8 genannt, und des Vantage ein. Der DB7 feierte seit Mitte der Neunzigerjahre Erfolge eine Klasse tiefer, der Vanquish wartete bereits am Horizont.
Doch die Aston-Martin-Macher wussten um ihre Fans und und wollte als Abschluss der Tadek-Marek-V8-Baureihe nochmals einen Höhepunkt präsentieren.
Und so stand auf dem Genfer Autosalon im März 1999 der Aston Martin V8 Vantage V600 Le Mans als limitiertes Sondermodell.
Exakt 40 Stück wollte man bauen, denn 40 Jahre war es her, dass der DBR1 in Le Mans 1959 gesiegt hatte.
Noch brachialer
Man beliess es nicht mit ein paar Aufklebern, sondern man verpasste dem Sondermodell einen eigenständigen Kühlergrill, der nun zwei aggressive Öffnungen zur Belüftung der Eaton-Kompressoren enthielt. Der Frontspoiler wurde genauso angepasst wie die Endrohre der Auspuffanlage.
Innen gab es ein an den DBR1 erinnerndes Cockpit mit grossem Drehzahlmesser und kleinem Tacho. Alles Holz war verschwunden, anstelle dafür setzte man auf ein Titan-Finish.
Der Kunde, der bereit war, über CHF 500’000 (ab £ 225’000) für diesen Wagen anzulegen, konnte die V600-Option wählen. Die meisten dürften dies gemacht haben. Der Käufer, dessen Name zusammen mit der Fahrzeugnummer auf einer Plakette im Wagen eingedruckt wurde, erhielt zudem eine verstärkte Bremsanlage mit 4-Kanal-ABS und ein strafferes Fahrwerks-Setup. Die 285/45 ZR 18 Reifen wurden auf Magnesiumfelgen mit Hohlspeichen aufgezogen. Und auch Parkpiepser gehörten zum Lieferumfang.
Für den schnellen Gentleman
Dermassen gerüstet war der Aston Martin V8 Vantage V600 Le Mans gemäss Werk rund 320 km/h schnell und sprintete in 3,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Nur die wenigsten Besitzer dürften diese Fahrleistungen ausgekostet haben. Die Autos waren von Anfang an Sammlerfahrzeuge und dürften die meiste Zeit in geheizten und feuchtigkeitsgeregelten Garagen verbracht haben. Und wenn ein Wagen dann trotzdem mal auf offener Strasse auftauchte, dann fiel er wohl mehr wegen seines eindrücklichen Auspuffgrollens auf als wegen seines Äusseren, zumal die meisten Exemplare in einem unauffälligen Grün-, Grau- oder Schwarzton (13 Farbschichten) lackiert wurden.
Wer sich hinter das Lenkrad (aus dem Lincoln Continental) eines dieser raren Autos setzen durfte, der konnte sich über das üppige Drehmoment und Vortrieb ohne Ende freuen, aber auch über ein relativ störrisches Sechsganggetriebe und eine knochenharte Kupplung ärgern. Für Stop und Go oder Tempo-30-km/h-Zonen war der Aston nicht gebaut, für enge Passstrasse wegen seiner Breite von 194 cm auch nicht. Am wohlsten fühlt sich der 475 cm lange Zweitonner auf breiten und leicht geschwungenen Überlandstrassen oder auch einmal auf einer Autobahn. Ob man dann im 3. oder 6. Gang fährt, das macht höchstens bezüglich der Tonlage einen Unterschied, genug Kraft ist immer vorhanden.
A propos Tonlage: Selbst ein Ferrari F550 wirkt im Vergleich leise, aber die Soundkulisse wirkt trotzdem nicht störend, sondern eher stimmig. Und für Sonntagsfahrverbote dürfte diese Ausdrucksstärke auch nicht sorgen, die Wahrscheinlichkeit, dass man je einen Aston Martin V8 Vantage V600 Le Mans vorbeifahren sieht, ist ausserordentlich gering.
Wir danken der Emil Frey Classics , die den Wagen aktuell im Angebot hat, für die Gelegenheit zum Fotoshooting.
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