„Alfa Spider“ ist seit Mitte der fünfziger Jahre ein Synonym für sportliche und offene Fortbewegung für die mittelgrosse Brieftasche. Wie schon die ersten beiden Generationen Giulietta Spider (1955 bis 1961) und Giulia Spider (1962 bis 1965), die überaus gelungene und bei den Alfisti beliebte Fahrzeuge waren, basierte auch der Neuling mit Entwicklungscode 105 von 1966 auf Grossserienmechanik und verzichtete trotzdem nicht auf (motor-) technische Highlights.

Im Gegensatz zu manchem englischen Roadster war der Alfa Spider seiner Zeit voraus. Allerdings war er auch wesentlich teurer als die Konkurrenz von der Insel. So kostete der Spider 1966 auf dem wichtigsten Exportmarkt USA stolze 3’950 Dollar während der MGB Roadster schon für 2600 Dollar zu kaufen war.
Und die Optik begeisterte damals längst nicht so wie heute. Mancher Alfa-Fahrer spendete bei der Enthüllung am 10. März 1966 auf dem Genfer Salon nur verhaltenen Beifall. Beim Anblick des rundlichen und flachen Hecks wurden nämlich viele Südländer an ihren Mittagstisch erinnert. Der häufig servierte Tintenfisch hatte ein ähnliches Hinterteil, und so bekam der Spider sehr schnell den Übernamen „Osso di Sepia“.
Mehrere Stylingstudien als Wegbereiter
Allerdings dürften Insider nicht überrascht gewesen sein, als der neue Spider auf die Bühne trat. Die Designschmiede Pininfarina hatte den Grundentwurf in seinen wesentlichen Zügen bereits mehrmals in Studien verarbeitet. So stand 1961 am Turiner Salon die Giulietta Spider Speciale Aerodinamica. Ihre Grundform war mit dem späteren Serien-Spider schon praktisch identisch. Die charakteristische seitliche Sicke sollte die Seitenwindempfindlichkeit verringern, das flache Heck stammte aus alten Tropfenwagenzeiten bevor die Abrisskante erfunden war. Dadurch entstand der Zusatz „Aerodinamica“.
Der wesentliche Unterschied zum späteren Auto bestand darin, dass in die Kotflügel Klappscheinwerfer anstelle der fest stehenden Leuchten angedacht waren. Am Genfer Salon 1962 stand das gleiche Fahrzeug nochmals mit Coupé-Dach. Doch auch diese beiden Designstudien hatten einen Vorgänger. 1959 präsentierte Pininfarina - wiederum am „Design-Salon“ Genf - die Superflow-Studie Nummer 3 alias Spider Super Sport. Diese war mit halb abgedeckten Hinterrädern und zwei Buckeln hinter den Sitzen ausgestattet. Aber sie hatte fest stehende Frontscheinwerfer und war formal dem Serienauto vom März 1966 sehr ähnlich.
Präsentation in Genf 1966 als 1600 Spider Duetto
Das erste Modell des Duetto war der Spider 1600 mit 1,6-Liter-Vierzylinder und den charakteristischen Plexiglasabdeckungen der Scheinwerfer. Allerdings waren diese in den USA aus zulassungstechnischen Gründen nicht montiert. Der Leichtmetall-Motor mit Doppel-Weber-Vergasern (USA: SPICA-Benzineinspritzung) und zwei obenliegenden Nockenwellen hatte einen sehr charakteristischen Klang und lieferte die ansehnliche Leistung von 109 DIN-PS (125 SAE-PS) bei 6000 U/Min in seiner unnachahmlichen aggressiven Art und Weise an die Hinterräder, wie es eben nur ein Alfa kann. Geschaltet wurde mit einem vollsynchronisierten 5-Gang-Getriebe, gebremst mit vier Scheibenbremsen. Für junge Männer wie technisch interessierte Frauen waren das realgewordene Traum-Ingredienzen.
Duetto als kurzlebige Modellbezeichnung
Den bekannten und für einen Zweisitzer sehr passenden Zunamen „Duetto“ gab es übrigens erst ab Mai des Präsentationsjahres. Er entstammte einem Wettbewerb. Der glückliche Gewinner Guidobaldo Trionfi konnte bald einen Duetto als Siegesprämie nach Hause steuern. In Amerika durfte der hübsche Alfa aber nicht lange so heissen, weil bereits eine Keksfabrik den Namen geschützt hatte.
Er bekam dort aber schnell einen weiteren Namenszusatz: „Graduate“, denn Dustin Hoffmann steuerte einen roten Duetto 1967 im Film „The Graduate“ (deutscher Titel: „Die Reifeprüfung“), als er von der verheirateten Mrs. Robinson verführt wurde. Eine wirkungsvollere Werbeplattform für einen kleinen Spider aus Italien ist nur schwer vorstellbar…
Ab 1967 als 1750 ohne Duetto, aber mit Veloce
Ab 1967 wurde das mit 118 DIN-PS (132 SAE-PS) bereits bei 5500 Umdrehungen, wesentlich besserem Drehmoment und niedrigerem Spritverbrauch gesegnete 1750er Aggregat im Duetto verbaut. Der Namenszusatz wurde geändert. Man sprach jetzt vom 1750 Spider Veloce.
Im Interieur fielen den Alfisti vor allem die zwei in einer gemeinsamen Hutze untergebrachten Hauptinstrumente hinter dem Dreispeichen-Lenkrad und die drei Zusatzinstrumente in der Mitte des Cockpits wohlwollend ins Auge. Ansonsten bestand das Armaturenbrett nur aus einer wagenfarbigen horizontalen Planke, die oben und unten mit einer schwarzen Kunststoffeinfassung begrenzt war. Links und rechts je ein Exemplar der Alfa-typischen runden Ausströmer.
Man sass auf sportlich konturierten Ledersitzen. Die Türverkleidungen waren flache Panels, die ihren Designanspruch nur mit drei Chromstäben unterstrichen, und eine Mittelkonsole gab es am Anfang keine. Aber mehr brauchte der damalige Alfista nicht um glücklich zu sein.
Ab Sommer 1968 Downsizing zum 1300 Spider Junior
Der 1300 Spider Junior leistete bei 6000 Umdrehungen 89 DIN-PS (103 SAE-PS). Mit diesem Einsteigermodell kam man einer jüngeren und preissensiblen Käuferschicht entgegen, die einen waschechten Alfa zu moderaten Konditionen suchte. Einige Ausstattungsdetails wie Dreispeichenlenkrad, ausstellbare Seitenfenster oder Sonnenblenden fehlten, ansonsten war alles Lebensnotwendige an Bord.
Besonders der Motor war immer noch der alte Charakterkopf mit zwei obenliegenden Nockenwellen und sportlicher Drehmomententfaltung dank fast quadratischer Auslegung (Bohrung 74, Hub 75 mm) - auch wenn ein Quäntchen Leistung fehlte und der Verbrauch höher lag als bei den kräftiger motorisierten Versionen.
Jetzt erst machte der Spider auch preislich einen deutlichen Sprung nach unten in Richtung britischer Konkurrenz.
Als 1300 Junior preisgünstig
In der Schweiz kostete der 1600 Spider Duetto 1966 bei seinem Erscheinen 15‘900 Franken. Der Preis galt auch zwei Jahre später noch für den 1750. Zum Vergleich standen der MGB mit 11‘800, der Fiat 124 Spider mit 14‘500 Franken in der Schweizer Preisliste von 1968. Erst der 1300 Spider Junior trat mit moderaten 12‘900 Franken in den Ring, was ihm ein gutes Stück am Kuchen bescherte. 4538 Duetto (die volkstümliche Bezeichnung darf heute ungestraft für alle Rundheck-Spider verwendet werden) wurden mit dem kleinen 1300er ausgerüstet. Eine leicht höhere Stückzahl von 4665 Exemplaren entfiel auf den 1750 Veloce, während die Urversion 1600 auf stattliche 6325 Exemplare kam.
27 Jahre andauernde Erfolgsgeschichte
Die Spider-Geschichte ging nahtlos weiter bis ins Jahr 1993. Nach dem Duetto folgte zum Modelljahr 1970 die Serie 2 mit der Bezeichnung „Coda Tronca“ oder Fastback mit grösserem Kofferraum und aerodynamisch optimiertem Heck. Sie war eine überaus gelungene Weiterentwicklung, welche die originalen Duetto-Gene mit Ausnahme des Tintenfisch-Hecks in die siebziger Jahre transportierte.
Das Heck war dann bei der Serie 3 namens „Aerodinamica“ ab 1983 erneut ein Thema, allerdings buchstäblich ein dunkles: der schwarze Plastik-Heckspoiler wurde unisono als Designkatastrophe bezeichnet. Erst 1989 war die Designwelt wieder in Ordnung: die vierte und letzte Serie trug die Fahnen in einem Kleid, das sich wieder an alten Alfa-Tugenden orientierte.
Bis 1993: dann war die glorreiche Spider-Ära mit Doppelnockenwellenmotor und Heckantrieb endgültig vorbei. 27 Jahre Bauzeit aber sind sicher ein gutes Zeugnis für das Grundkonzept.
Weitere Informationen
- AR-Zeitung Nr. 10 / 1966 vom 10. März 1966 - Seite 17: Neu in Genf - Alfa Romeo Spider 1600 Pininfarina
- AR-Zeitung Nr. 18 / 1966 vom 14. April 1966 - Seite 17: Am Steuer des Giulia 1600 Spider und Sprint GTV
- AR-Zeitung Nr. 32 / 1966 vom 21. Juli 1966 - Seite 17: Kurzteste der Alfa Romeo-Modelle Giulia Spider Duetto und Giulia Sprint GT Veloce
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